Berlin. . Neue Vorwürfe gegen den Sänger von Rammstein: Frauen klagen über Machtmissbrauch. Nun äußert sich die Band mit einem kurzen Statement.
Nach den Vorwürfen gegen Till Lindemann hat sich seine Band Rammstein auf Instagram geäußert. Durch "Veröffentlichungen der letzten Tage" seien in der Öffentlichkeit und "unseren Fans, Irritationen und Fragen entstanden", heißt es in einem auf Instagram am Samstagnachmittag veröffentlichten Statement. Ohne näher auf diese Fragen einzugehen, schreibt die Band weiter, dass es ihr wichtig sei, dass sich die Fans bei den Konzerten wohlfühlten - "vor und hinter der Bühne".
Und weiter: "Wir verurteilen jede Art von Übergriffigkeit und bitten euch:
beteiligt euch nicht an öffentlichen Vorverurteilungen jeglicher Art denen gegenüber, die Anschuldigungen erhoben haben. Sie haben ein Recht auf ihre Sicht der Dinge." Gleiches gelte aber auch für die Band, wie Rammstein die kurze Mitteilung abschließt. "Wir, die Band, haben aber auch ein Recht – nämlich ebenfalls nicht vorverurteilt zu werden."
Rammstein: Verlag trennt sich von Till Lindemann
Das Management von Till Lindemann schweigt unterdessen weiter zu Anfragen. Für Kiepenheuer & Witsch waren Schweigen und Stillhalten keine Option mehr. Am Freitag beendete der Kölner Verlag die Zusammenarbeit mit Till Lindemann, den Frontsänger von "Rammstein". Es ist der vorläufige Endpunkt eines Skandals, der seit Tagen anschwoll.
Der Verlag reagierte auf ein Porno-Video, in dem Lindemann sexuelle Gewalt gegen Frauen zelebriere und in dem das 2013 bei Kiepenheuer & Witsch erschienene Buch "In stillen Nächten“ eine Rolle spiele. "Wir werten dies als groben Vertrauensbruch und als rücksichtslosen Akt gegenüber den von uns als Verlag vertretenen Werten." Und: "Unser Mitgefühl und unser Respekt gilt den betroffenen Frauen."
"Durch die Frauen demütigenden Handlungen Till Lindemanns im besagten Porno und die gezielte Verwendung unseres Buches im pornografischen Kontext wird die von uns so eisern verteidigte Trennung zwischen dem 'lyrischem Ich' und dem Autor/Künstler aber vom Autor selbst verhöhnt." Die Freiheit der Kunst – hier fand sie für den Verlag ihre Grenzen.
Berichte der Opfer lassen auf ein System schließen
Zahlreiche Frauen werfen Lindemann offenbar Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe vor. Cynthia ist eine von ihnen, Sie kann sich noch heute, drei Jahre später, genau erinnern. Sie habe sich "extrem unwohl" gefühlt. Aber "Nein", das habe sie ausdrücklich auch nicht gesagt. "Weil es war eben Till Lindemann".
Und so sollen sie dann Sex gehabt haben, das Groupie und der Frontsänger der Rockband "Rammstein". Ein Quickie im Backstage – in der Garderobe kurz vor einem Konzert –, "ziemlich schnell und ziemlich gewaltvoll", so Cynthia.
Die damals 22-Jährige ging in jenen Februartagen 2020 nicht zur Polizei. Sie habe nur ihren Freundinnen und Freunden davon erzählt, wie er durch die Tür schaute, den Raum scannte, sich Cynthia ausguckte und mit dem Finger signalisierte "komm her!".
Jetzt hat Cynthia, die in Wahrheit anders heißt, es auch dem NDR und der "Süddeutschen Zeitung" erzählt; und ihre Freundinnen haben es an Eides statt bestätigt. Dass Wort gegen Wort stünde, kann man eigentlich nicht sagen, weil sowohl die Band als auch Lindemann die Medienanfragen in der Sache unbeantwortet lassen.
Die Irin Shelby Linn trat die Welle los
Im Raum steht der Verdacht eines Systems, das an ein Casting erinnert: Für Geschlechtsverkehr mit dem mittlerweile 60-jährigen Rocker. Die Welle trat vor ein paar Tagen die Irin Shelby L. los, eigentlich paradox. Denn sie hat gerade nicht behauptet, dass Lindemann sie auch nur berührt hätte.
"Er hatte es akzeptiert, dass ich nicht mit ihm schlafen wollte", versicherte sie auf Twitter. Zur Polizei gegangen war sie aus einem anderem Grund: Weil sie am Morgen nach einem Rammstein-Konzert in der litauischen Hauptstadt Vilnius im Hotel Blutergüsse an ihrem Körper fand; und so einen Blackout konnte sie sich nur damit erklären, dass sie unter Drogen gesetzt worden sei.
Seither gibt es kein Halten mehr. Immer mehr Frauen berichteten von ihren Erfahrungen rund um die Band. Laut NDR und SZ erzählten "mehr als ein Dutzend", wie sie von Menschen aus dem Umfeld von Lindemann gezielt angesprochen worden seien – sei es über Instagram, sei es auf Konzerten –, um zu den Aftershowpartys zu kommen.
Fünf Minuten Ruhm "auf dem Rücken eines Rockstars"?
Vorab hätten sie Fotos von sich schicken sollen. Sie seien gebeten worden, sich attraktiv zu kleiden, auf eine bestimmte Art und Weise. Teilweise seien sie nicht mal nach ihrem Alter gefragt worden, wie der NDR und die SZ weiter berichten.
Den Vorwurf der Vergewaltigung hat bislang niemand erhoben. Cynthia etwa ist nach dem geschilderten schnellen Sex mit Lindemann noch mal auf ein Konzert von ihm und eine Aftershowparty gegangen –.und machte sich angreifbar. "Das war ein Schutzmechanismus, weil ich Spaß haben wollte, und ich habe mich deshalb selbst angelogen", erzählt ein anderes Mädchen. Erst nachträglich sei ihr der Machtmissbrauch bewusst geworden.
Viele Fans verteidigen ihre Band
Längst läuft auf Social Media eine Kampagne zum Schutz der Band. Für viele Rammstein-Fans sind die klagenden Frauen geltungssüchtige Girls. Sophia Thomalla, die von 2011 bis 2015 Lindemanns Lebensgefährtin war, sagte der "Bild", die Vorwürfe von Shelby L. seien "frei erfunden von einer Person, die sich auf dem Rücken eines Rockstars für fünf Minuten Ruhm verschaffen möchte“. Ihr Ex sei ein Mann, der Frauen beschütze.
Shelbys Darstellung wurde auch von der Band zurückgewiesen. "Rammstein" twittert, zu den im Netz kursierenden Vorwürfen zu Vilnius können wir ausschließen, dass sich was behauptet wird, in unserem Umfeld zugetragen hat. Uns sind keine behördlichen Ermittlungen dazu bekannt“.
Mehr noch: Es gibt viele Frauen, die mit Lindemann gefeiert, aber ihm auch klare Grenzen gesetzt haben und gar sein Verhalten ihnen gegenüber als Gentlemenlike beschreiben. NDR und SZ liegt derweil nach eigenen Angaben ein Screenshot vor, der zeigen soll, dass die Abwehr-Kampagne aus dem Umfeld von Lindemann mitgesteuert werde.