Berlin. Javier Bardem spielt im Film „Arielle, die Meerjungfrau“ eine Vaterfigur: Spaniens Star über Kindererziehung - und eigene Schwächen.
In seinen Rollen kann Oscar-Gewinner Javier Bardem recht furchteinflößend wirken. Ob in „No Country for Old Men“, als Bond-Bösewicht in „Skyfall“ oder im fünften Teil von „Pirates of the Caribbean“. Auch in der Verfilmung von „Arielle, die Meerjungfrau“ (ab 25. Mai im Kino) gibt der 54-Jährige als Meereskönig eine Respektsperson ab. Persönlich hat der Ehemann von Penélope Cruz verstanden, dass er sich zu seinen eigenen Schwächen bekennen muss – nicht zuletzt gegenüber seinen Kindern. Lesen Sie auch: Javier Bardem will Monarchie abschaffen
Herr Bardem, was haben Ihre Kinder gesagt, als sie gehört haben, dass Sie in der Verfilmung von „Arielle, die Meerjungfrau“ mitspielen?
Javier Bardem: Die Entscheidung dafür fiel schon 2019. Meine Tochter Luna, die damals sieben war, ist in Tränen der Verzweiflung ausgebrochen.
Warum das?
Bardem: Ich hatte von dem Projekt gehört, und als ich mit meinen Kindern am Frühstückstisch saß, startete ich einen Versuchsballon ins Blaue hinein und textete Regisseur Rob Marshall: „Falls ihr einen König Triton mit spanischem Akzent gebrauchen könnt, wäre ich sehr gerne dabei.“ Prompt bekam ich eine Antwort zurück: „Ich bin gerade mit meinem Mann beim Einkaufen, und wir haben wegen dieser Rolle gerade über dich gesprochen. Wärst du interessiert?“ Ich war Feuer und Flamme und meinte zu meiner Tochter: „Luna, ich bin wahrscheinlich in ‚Arielle, die Meerjungfrau‘ dabei.“ Aber sie meinte entgeistert „Was? Du spielst Arielle?“ und begann zu heulen. Erst als ich erklärte, dass ich den Vater spielte, meinte sie „Wow“.
Aber was erklärt Ihre Begeisterung als Erwachsener für diese Geschichte?
Bardem: Ich habe den originalen Zeichentrickfilm geliebt, den ich damals im Kino gesehen habe. Die Musik und die Songs haben mich total bewegt. Und dann habe ich ihn unzählige Male mit meinen Kindern und den Kindern von Freunden angeschaut.
Abgesehen vom spanischen Akzent – gab es irgendeinen Grund, weshalb Sie nicht für die Rolle gepasst hätten?
Bardem: Mein Oberkörper. Dieser König hat einen gewaltigen Körperbau. Und ich dachte mir: „So ein Mist, dafür muss ich jetzt viele Einheiten im Fitnessstudio absolvieren.“ Aber der Regisseur hat mich dann beruhigt: „Du kriegst eine Rüstung, da brauchst du das nicht.“
Ihre Figur hat Probleme mit seiner Tochter, die ihren eigenen Weg gehen will. Kann man daraus etwas für die Erziehung seiner Kinder lernen?
Bardem: In dieser Geschichte liebt der Vater seine Tochter zwar, aber er bringt ihr nicht genügend Respekt entgegen. Gleichzeitig verlangt er diesen Respekt von ihr – und bekommt ihn logischerweise nicht. Man darf also nichts von seinen Kindern fordern, was man selbst nicht einhalten kann. Und dieser Mann begreift das letztlich auch.
Was würden Sie ihm von Ihren eigenen Erfahrungen als Vater empfehlen?
Bardem: Dieser Mann ist das beste Beispiel eines Helikoptervaters. Ich selbst habe in Sachen Kindererziehung viele Bücher gelesen und kenne die ganzen Theorien. Und ich kann nur sagen: Theorie ist schön und gut, aber du musst es ja auch schaffen, das Ganze in die Praxis umzusetzen. Und die Praxis besteht darin, dass du alle möglichen Fehler machst und sie dann wieder korrigierst. Und dann kommen die nächsten Fehler, die du wieder beheben darfst. Indem du jemand erziehst, lernst du selbst ständig dazu. Dabei geht es nicht nur darum, dass du etwas sagst und tust. Nein, diese kleinen Gehirne saugen auch alles auf, was du zu verbergen versucht. Die sind wie kleine Schwämme – und sie sind hochsensibel. Kinder großziehen ist die anspruchsvollste Herausforderung, die ein menschliches Wesen bewältigen kann. Aber auch die faszinierendste. Wenn du jemanden erziehen willst, dann musst du dich selbst erziehen.
Ihre Kinder sind jetzt zwölf und neun. Wie weit sind Sie selbst bei Ihrer eigenen Erziehung gekommen?
Bardem: Ich bin noch mitten auf der Reise. Ich kann noch keine Standortbestimmung vornehmen. Aber ich würde sagen, ich versuche mir einfach bewusst zu machen, wo ich richtig und wo ich falsch liege.
Aber ist das nicht sehr lästig, wenn man als Elternteil einen Fehler eingesteht?
Bardem: Natürlich. Das ist extrem schwierig. Das gilt auch, wenn man gegenüber einem anderen Erwachsenen sagen muss „Du hattest recht und ich unrecht“. Aber ein guter Freund von mir hat mir mal folgenden Rat gegeben: „Es kommt nicht darauf an, dass du immer richtig liegst. Hauptsache, du hast eine liebevolle Einstellung.“ Und genau das ist der Punkt. Ich versuche jemanden zu lieben, auch wenn diese Person anders denkt oder sich anders verhält als ich. Auch das ist okay, so schwer es einem fallen mag, das zu akzeptieren.
Was für eine abschließende Empfehlung hätten Sie für alle Eltern?
Bardem: Dass sie sich ihre eigenen Schwächen bewusst machen. Und eine der großen Schwächen besteht darin, dass Eltern widersprüchlich agieren. Weil sie sich nicht eingestehen wollen, dass sie nicht alles begreifen. Aber wenn sie das offen anerkennen, können sie sich gegenseitig helfen, besser zu werden. Wir müssen wissen, dass wir nicht alles wissen. Und genau das verhilft uns dann zu unserem inneren Frieden.