Berlin. Lange war es angekündigt, nun ist das elektronische Rezept da. Wie funktioniert es und was ändert sich beim Arzt und in der Apotheke?
- Das elektronische Rezept soll seit 1. Juli bundesweit einsatzbereit sein
- Das E-Rezept soll die Zettelwirtschaft in den Arztpraxen und Apotheken beenden
- Wie das genau funktioniert und was Patientinnen und Patienten beachten müssen, lesen Sie hier
In deutschen Arztpraxen und Apotheken soll bald vieles einfacher werden: Das digitale Rezept kommt endlich – und zwar deutschlandweit seit dem 1. Juli 2023. Ab diesem Zeitpunkt können Patientinnen und Patienten ihre Medikamente über das E-Rezept abholen. Das digitale Rezept löst den rosa Zettel ab. Das Startdatum kündigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Mitte Juni an. Die Erwartungen sind groß.
Kein Wunder, schließlich war das Projekt schleppend angelaufen. Zuletzt waren im vergangenen Herbst in der einzigen Pilotregion in Westfalen-Lippe weitere Schritte auf Eis gelegt worden. Lauterbach macht jetzt Druck: Bis Ende Juli sollen bereits 80 Prozent der Apotheken in Deutschland an das System angeschlossen sein, sagte Lauterbach dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". Doch was genau ändert sich dadurch? Wie läuft der Arztbesuch künftig ab?
Arztbesuch seit 1. Juli anders: Das ist das E-Rezept
Das E-Rezept klingt kompliziert, der Ablauf ändert sich allerdings nicht so sehr: Künftig sollen Ärzte und Ärztinnen verschreibungspflichtige Medikamente nicht mehr per Papierrezept verordnen, sondern auf einem digitalen Rezept. Dieses wird verschlüsselt auf einem zentralen Speicher abgelegt.
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Anschließend gibt es verschiedene Möglichkeiten für die Patienten und Patientinnen, um das E-Rezept in der Apotheke einzulösen: Personen ohne Smartphone können den Code des E-Rezeptes in der Arztpraxis auf Papier ausdrucken und anschließend in der Apotheke einlesen lassen. Auch über die elektronische Gesundheitskarte sollen die Apothekerinnen und Apotheker die Digitalrezepte ablesen können.
Die wohl einfachste Art dürfte aber die E-Rezept-App sein, die die Firma Gematik für das Bundesgesundheitsministerium entwickelt hat. Das Ministerium hält 51 Prozent der Anteile an Gematik.
Wer kann sich die E-Rezept-App herunterladen?
Die App können sich Patienten und Patientinnen auf ihr iPhone, ihr iPad oder ihr Android-Telefon herunterladen. Wichtig ist, dass das Smartphone NFC-fähig ist – dafür benötigen die Telefone mindestens Android 7 oder iOS 14. "NFC" steht für "Near Field Communication" und meint eine kontaktlose Datenübertragung.
Damit die Patienten die vollen Funktionen der App nutzen können, brauchen sie außerdem eine elektronische Gesundheitskarte mit NFC-Funktion und die dazugehörige PIN-Nummer. Ob die Karte eine NFC-Funktion hat, erkennt man an der sechsstelligen Nummer unter den Deutschlandfarben der Karte.
Die PIN muss extra bei der Krankenkasse angefordert werden. "Aufgrund des aktuellen Chipmangels kann es aber dauern, bis alle gesetzlich Versicherten mit entsprechenden Karten ausgestattet sind", sagt Sabine Wolter von der Verbraucherzentrale NRW.
E-Rezept: So funktioniert die E-Rezept-App
Damit die Patientinnen und Patienten die vollen Funktionen der E-Rezept-App nutzen können, brauchen sie eine elektronische Gesundheitskarte mit NFC-Funktion und die dazugehörige PIN-Nummer. Ob die Karte eine NFC-Funktion hat, erkennt man an der sechsstelligen Nummer unter den Deutschlandfarben der Karte. Die PIN vergibt die Krankenkasse.
- Nach der Anmeldung in der E-Rezept-App können die Patientinnen und Patienten ihre Rezepte dann eigenständig ansehen und nach Apotheken suchen.
- Damit sollen sie bereits vorab überprüfen können, ob eine Arznei vorrätig ist und diese sogar vorbestellen können.
- Zudem können App-Nutzer und -Nutzerinnen den Rezeptschlüssel an andere Personen weiterleiten, wenn diese Medikamente für sie abholen sollen.
Alternativ nutzen sie den Code selbst, um ihn in der Apotheke vorzuzeigen und einzulösen. Das funktioniert auch bei Online-Apotheken.
In diesem Video sehen Sie, wie die NFC-Funktion der Gesundheitskarte funktioniert:
E-Rezept: Ab dann gilt es
Eigentlich sollte das E-Rezept bereits ab 1. September 2022 bundesweit zur Pflicht werden für Apotheken. Ab dann sollten alle Apotheken die Digitalrezepte annehmen müssen. Die entsprechende Software wurde also verpflichtend.
Das Problem: Für die Arztpraxen und Kliniken galt die Verpflichtung bislang nicht. Ohne Arztbesuch kein Rezept. Im November 2022 wurde das bundesweit einzige Pilotprojekt in Arztpraxen ausgesetzt. Grund war ein Veto des Bundesdatenschutzbeauftragten gegen die im Pilotverfahren geplante Nutzung der Versichertenkarten.
Diese Bedenken sind nun offenbar ausgeräumt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sagte im Juni, das E-Rezept sei "endlich alltagstauglich". Ab 1. Juli 2023 können Patientinnen und Patienten nun ihre Versichertenkarte ins Lesegerät der Apotheke stecken. Das digitale Rezept liegt dann in der Datenbank schon vor.
Was sind die Vorteile des E-Rezepts?
Das Wichtigste sei der Komfort-Aspekt, sagt Sabine Wolter von der Verbraucherzentrale NRW: "Für den Patienten bedeutet das E-Rezept eine Zeitersparnis. Er kann sein Rezept zum Beispiel online einlösen und das Medikament in der Apotheke vor Ort reservieren oder es sich von dort liefern lassen", erklärt sie.
Doch es geht noch einfacher: "Es kann auch direkt an eine Versandapotheke geschickt werden", so Wolter. Auch sei das digitale Rezept weniger fehleranfällig. Und wer nicht so internetaffin sei, für den habe es keinen Nachteil, sagt sie: "Es entfällt nur das rosa Rezept."
Warum gibt es das E-Rezept?
Das E-Rezept soll es den Patienten und Patientinnen nicht nur einfacher machen, ihre Arzneien abzuholen: Perspektivisch ist geplant, auch Informationen über mögliche Wechselwirkungen oder Erinnerungen zur Einnahme in der App bereitzustellen.
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Auch für Eltern oder pflegende Angehörige kann das digitale Rezept eine Entlastung sein. "Es können weitere Familienmitglieder mit einem eigenen Profil in die App aufgenommen werden", sagt Sabine Wolter. Die Zahl der Profile ist unbegrenzt. Voraussetzung ist auch hier, dass die Familienmitglieder ebenfalls eine NFC-fähige elektronische Gesundheitskarte haben.
Generell verspricht sich das Bundesgesundheitsministerium aber weniger bürokratischen Aufwand und mehr Sicherheit durch die Neuerung. "Das E-Rezept ist fälschungssicher und unterstützt Arztpraxen, Apotheken und Krankenkassen bei der Zusammenarbeit", kündigt das Ministerium an.
Für Privatversicherte ist der Service aktuell übrigens noch nicht ausgerollt. Die blauen Papierrezepte wird es also vorerst weiterhin geben – genauso wie die grünen Rezeptscheine für alternative Arzneien ohne Rezeptpflicht.
E-Rezept: Karte zeigt Apotheken an
Die Bundesregierung macht Dampf bei der Digitalisierung. Das Gesundheitsministerium will erreichen, dass das E-Rezept bis 2025 als Standard etabliert ist - ein ambitionierter Zeitplan.
Denn zumindest zum offiziellen Start am 1. September waren viele Apotheken noch gar nicht in der Lage, ein E-Rezept zu bearbeiten. Das wird bei einem Blick auf eine interaktive Karte deutlich, auf der alle Apotheken aufgelistet sind, bei denen man ein E-Rezept einlösen kann. Hier können Patienten auch nachsehen, ob es in ihrer Nähe eine Apotheke gibt, die das E-Rezept gegen Medikamente eintauschen.
E-Rezept: An diesen Punkten hakt es noch
Für die Nutzung der App braucht man eine PIN, die von der Krankenkasse vergeben wird. Diese PIN bekommt man nur nach einer persönlichen Verifizierung vor Ort bei der Krankenkasse oder in der Post. Der Vorgang erscheint vielen Menschen offenbar sehr aufwendig, die Nachfrage ist bislang gering.
Die Ärzteschaft zeigt sich bisher ebenfalls wenig begeistert. Im Herbst des vergangenen Jahres bilanzierte etwa die "Tagesschau", 2022 seien gerade einmal 525.000 Digital-Rezepte eingelöst worden - gegenüber etwa 500 Millionen Verschreibungen in Form der altbekannten rosafarbenen Zettel. Die freiwillige Nutzung des E-Rezepts ist demnach kein Problem, für eine bundesweit flächendeckende Nutzung fehlt aber noch viel.
Gesetzesgeber entschied sich schon 2020 fürs E-Rezept
Dass Deutschland mit dem E-Rezept arbeitet, bestimmte der Gesetzesgeber bereits 2020 im Patientendatenschutzgesetz (PDSG). Ursprünglich war die Einführung des E-Rezepts bereits für Januar 2022 vorgesehen, doch wegen technischer Schwierigkeiten musste das Bundesgesundheitsministerium den Start verschieben.
Bei den Apotheken geht man davon aus, dass es zum Start noch etwas Probleme geben kann. Deshalb warnt der Deutsche Apothekerverband (DAV) davor, E-Rezepte zurückzuweisen, weil das die Akzeptanz der Bevölkerung schaden könne.
DAV-Vorsitzender Thomas Dittrich appelliert deshalb: "Nur gemeinsam können Arztpraxen, Apotheken und Krankenkassen das E-Rezept zum Erfolg führen und damit einen spürbaren Nutzen für die Versorgung der Patientinnen und Patienten bieten." (reba/mja)