Wittgenstein. Beim Pilze oder Kräuter sammeln im Wald aufgepasst: Viele Pflanzen haben giftige Doppelgänger. Kräuterpädagogin Annette Dickel-Boldar klärt auf.

„Wer Kräuter selbst sammelt, muss sich bewusst machen, dass sie bei weitem nicht nur harmloses Grünzeug sind“, sagt Kräuterpädagogin Annette Dickel-Boldar. Die Wingeshäuserin kennt sich mit Pflanzen und ihrer Wirkung aus. „Es muss ein Grundsatz befolgt werden: Es werden nur Kräuter und Früchte mitgenommen, die ich eindeutig und sicher bestimmen kann. Schon beim kleinsten Zweifel verzichte ich auf das Sammeln.“

Genießbare Kräuter: Waldmeister und Bärlauch (links).
Genießbare Kräuter: Waldmeister und Bärlauch (links). © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz
Die Blätter der Herbstzeitlosen sind leicht mit Bärlauch zu verwechseln, vor allem weil sie erst im Herbst blühen.
Die Blätter der Herbstzeitlosen sind leicht mit Bärlauch zu verwechseln, vor allem weil sie erst im Herbst blühen. © Thomas Kramer | Thomas Kramer

Denn auch im heimischen Garten oder Wald in Wittgenstein gibt es Pflanzen, die sich zum Verwechseln ähnlich sehen, aber gegensätzliche Wirkungen haben. „Der Verzehr kann unangenehme, manchmal sogar lebensbedrohliche Folgen haben“, so Dickel-Boldar. Von Magenverstimmungen und Unwohlsein bis zu gefährlicheren Reaktionen. Erst vor kurzem sind ein Erwachsener und drei Kinder mit Vergiftungssymptomen und akutem Leberversagen in die Uniklinik in Essen eingeliefert worden, weil sie versehentlich Knollenblätterpilze gegessen hatte. Diese sind leicht mit dem Wiesen-Champignon zu verwechseln.

Bei Pilzen und Kräutern besteht Verwechslungsgefahr

Auch bei Kräutern und Pflanzen besteht Verwechslungsgefahr. Ein sehr bekanntes Beispiel ist der Bärlauch. Die grünen Blätter können leicht mit denen der Herbstzeitlose verwechselt werden. Auch die Blätter von Maiglöckchen sehen dem Bärlauch sehr ähnlich. „An den Blüten erkennt man die Maiflocken sehr gut“, sagt Dickel-Boldar. Ohne Blüte wird es schwieriger: „Alle haben ein glattes, glänzendes Blatt, das fast gleich lang ist und der Standort ist auch der gleiche.“ Die Herbstzeitlose weicht allerdings vom bekannten Lebensrhythmus der Pflanzen ab und blüht erst im Herbst. „Die Herbstzeitlose enthält in allen Teilen Colchicin. Ein starkes Gift, das den Ablauf der Zellteilung stört. Viele Vergiftungen, auch mit tödlichem Ausgang, sind bekannt.“

„Es werden nur Kräuter und Früchte mitgenommen, die ich eindeutig und sicher bestimmen kann. Schon beim kleinsten Zweifel verzichte ich auf das Sammeln.“

Annette Dickel-Boldar
über den Grundsatz beim Sammeln in der Natur

Der Holunder kann mit dem Attich verwechselt werden. „Attich ist ein krautiger Strauch, kann aber auch recht hoch werden“, erklärt die Expertin. Die dunklen Beeren sehen sehr ähnlich zu den Holunderbeeren aus. „Wenn man den Attich reibt, stinkt es. Das Problem ist, wenn ich die Beeren mit Zucker einkoche, rieche ich das nicht mehr. Er ist giftig und hat Bitterstoffe, die zu Erbrechen und starkem Durchfall führen.“

Unterschiede in der Natur nicht leicht zu erkennen

Der Wiesenkerbel wird oft mit Bärenklau oder dem gefleckten Schierling verwechselt, der auch als Hecken-Kälberkropf oder Hundspetersilie bekannt ist. Die Doldenblütler blühen zur gleichen Zeit. „Auf Bildern nebeneinander sehe ich die Unterschiede. Einzeln in der Natur erkenne ich sie nicht mehr“, sagt Dickel-Boldar.

Wiesenkerbel ist essbar und eignet sich für Salate, Suppen oder Dips.
Wiesenkerbel ist essbar und eignet sich für Salate, Suppen oder Dips. © NRZ | Dietrich Cerff
Riesen-Bärenklau sieht dem Wiesenkerbel sehr ähnlich, ist aber giftig.
Riesen-Bärenklau sieht dem Wiesenkerbel sehr ähnlich, ist aber giftig. © WP | Michael Kleinrensing

Verwechslungsgefahr besteht auch bei der Brombeere und den Früchten des Hausefeus. „Der blüht aktuell und die Früchte sehen ähnlich aus. Wer mit Kindern vorher sammeln war, sollte aufpassen, dass sie das nicht verwechseln. Das kann tödlich sein.“ Die Kräuterpädagogin merkt aber auch an: „Die Menschen werden empfindlicher. Die Lebensumstände haben sich verändert. Früher gab es mehr Landwirtschaft, die Menschen haben sich mehr in der Natur aufgehalten. Heute leben sie zurückgezogener.“ Deswegen bekommen viele das Wissen, das früher bei der Landwirtschaft oder Gartenarbeit übertragen wurde, nicht mehr überliefert.

„Giftpflanzen haben oft beim Reiben einen unangenehmen Geruch und einen brennenden, stechenden oder bitteren Geschmack.“

Annette Dickel-Boldar
über das Erkennen von giftigen Kräutern

Andere giftige Pflanzen, die in Wittgenstein verbreitet sind, sind der Fingerhut und die Eibe, die mit ihren roten Beeren vielen bekannt ist. Die wohl giftigste Pflanze Europas sei der Eisenhut, auffällig durch seine blaue Farbe: „Für Kinder reicht hier schon der Kontakt mit der Haut aus. Wenn die im Garten ist, direkt raus damit“, rät die Expertin. Aber auch harmlose Gartenkräuter können Tücken haben: „Schnittlauch wird nach der Blüte zum Beispiel bitter“, sagt Dickel-Boldar. Und auch die Petersilie verändere sich: „Die kann man im ersten Jahr gut essen. Wenn sie im zweiten Jahr geblüht hat, sollte man sie nicht mehr verzehren. Das gibt Durchfall. Aber mit den Blüten kann man sie neu ansäen.“

Nur vorbereitet Pilze, Pflanzen und Früchte sammeln gehen

Bei vielen Pflanzen gilt aber auch: „Die Dosis macht das Gift. Manches wird in der Homöopathie nach Absprache genutzt.“ Generell erkennt man viele Giftpflanzen am Geruch oder Geschmack: „Sie haben oft beim Reiben einen unangenehmen Geruch und einen brennenden, stechenden oder bitteren Geschmack.“

Wer in die Natur geht, um Kräuter, Früchte oder Pilze zu sammeln, sollte am besten ein Bestimmungsbuch dabeihaben, rät die Kräuterpädagogin. „Immer vorher kundig machen. Und für alle Fälle die Giftnotrufnummer notieren. Bei den ersten Anzeichen von Brennen im Mund oder Grummeln im Magen den Arzt aufsuchen und sagen, was man gegessen hat, wo man es gefunden hat und wie viel man davon gegessen hat.“

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