Erndtebrück. Im Straßenausbau gibt es eine Drei-Klassen-Gesellschaft - trotz Gesetzesänderung müssen einige Anlieger weiterhin zahlen. Die Politik wehrt sich.

Es ist ein Gefühl wie in den vergangenen Jahren - große Unsicherheit und große Hürden beim kommunalen Straßenausbau. Das Gesetz zur Abgabe von Straßenbaubeiträgen, das im Februar 2024 nach einem lange währenden Kampf gegen die finanzielle Beteiligung von Anliegern geändert wurde, führt in Erndtebrück jetzt zu Problemen, die denen vor der Gesetzesnovellierung gleichen. Drei Straßen im Gemeindegebiet (Zur Hude, Tal- und Weiherstraße), deren Ausbau lange vor der Novellierung beschlossen wurden, fallen nicht unter die neuen Richtlinien, werden also im Ausbau nicht gefördert oder erstattet. Für die Verwaltung und die Politik der Gemeinde ist klar: Hier zeigt ein ungerechtes System sein Gesicht - und der Kampf dagegen müsse wieder aufgenommen werden.

Drei verschiedene „Klassen“

Nach der Gesetzesnovellierung im Februar wurden die Anlieger von Ausbau-bedürftigen Straßen in drei Klassen beziehungsweise Zeiträume unterteilt: In jene, die die Straßenausbaugebühren weiterhin selbst tragen müssen (bei Straßenausbaumaßnahmen, die vor dem 1. Januar 2018 beschlossen wurden oder spätestens im Haushalt des Jahres 2017 standen - wie Zur Hude, Tal- und Weiherstraße), in jene, deren Straßenbaubeiträge gefördert werden können (Straßenbaumaßnahmen, die nach dem 1. Januar 2018 und vor dem 1. Januar 2024 beschlossen wurden - wie die ersten beiden Bauabschnitte der Grimbachstraße) und diejenigen, deren Straßenbaubeiträge erstattet werden können (nach dem 1. Januar 2024 beschlossene Straßenbaumaßnahmen).

Die einzige Möglichkeit für die erstgenannten Straßen besteht laut Verwaltung nach Gesprächen mit der NRW.Bank (dem ausführenden Organ der Landesregierung) darin, die Planung so erheblich zu verändern, dass die Straße ein völlig neues Erscheinungsbild gegenüber der ursprünglichen Planung erhält (z.B. Veränderung der Straßenbreite, Gehwege, Parkstreifen, Elemente zur Verkehrsberuhigung etc.). Hierbei gebe es jedoch auch ein großes Maß an Unsicherheit und Risiko, so Bürgermeister Henning Gronau: „Die Schwierigkeit ist die, dass die NRW.Bank bei diesen Maßnahmen keine konkrete Aussage dazu trifft, wie stark umgeplant werden müsste.“

Henning Gronau, Bürgermeister der Gemeinde Erndtebrück

„Wir sind mit dieser Unsicherheit exakt an der gleichen Stelle wie in den vergangenen Jahren, wo man in der Anliegerversammlung nicht sagen konnte, ob die Maßnahme von den Anliegern bezahlt werden muss oder nicht.“

Henning Gronau

In einem intensiven Austausch in den vergangenen Monaten mit der Verwaltung habe die NRW.Bank deutlich gemacht, dass sie erst nach der Fertigstellung einer solchen Maßnahme entscheiden würde, ob sie sich genug von der ersten Planung unterscheidet und damit förderfähig ist. „Wir sind mit dieser Unsicherheit exakt an der gleichen Stelle wie in den vergangenen Jahren, wo man in der Anliegerversammlung nicht sagen konnte, ob die Maßnahme von den Anliegern bezahlt werden muss oder nicht, oder ob es möglicherweise eine Förderung gibt. Diese Unsicherheit hatten wir im Landtag massiv bemängelt.“

Zu diesem Risiko komme die Umplanung der Maßnahme selbst: „Es kann nicht das Ziel sein, eine sinnvolle und möglichst kostengünstige Straßenplanung umzuwerfen und eine ganz andere, möglicherweise teurere Maßnahme zu planen - verbunden mit dem Risiko, dass die teurere Straße am Ende doch von den Anliegern bezahlt werden muss.“ Anders als bei anderen Förderprogrammen üblich gebe es hier keinen Vorbescheid, dass eine Maßnahme förderfähig ist - bevor sie umgesetzt wird.

Probleme wurden im Landtag prognostiziert

Für den Vorsitzenden des Ausschusses für Bauen und Gemeindeentwicklung Karl Ludwig Völkel (SPD) heißt all das mit Blick auf die Straßen Zur Hude, Talstraße und Weiherstraße: „Das ist eine Strafaktion der zuständigen Ministerin gegen die Personen, die den Widerstand gegen das KAG initiiert haben.“ Der Abrechnungszeitraum sei so gesetzt worden, dass diejenigen, die seit 2017 und 2018 gegen die Beiträge gekämpft haben, nicht davon profitieren können.

Dagegen müsse man sich „massiv“ wehren, so Völkel. „Es kann nicht sein, dass all jene, die jahrelang dafür gekämpft haben, jetzt den Kopf dafür hinhalten müssen.“ Die Bürgerinitiative müsste, so Völkel, wieder aktiv werden - „wenn sie die Kraft dafür aufbringen kann.“

Karl Ludwig Völkel

„Es kann nicht sein, dass all jene, die jahrelang dafür gekämpft haben, jetzt den Kopf dafür hinhalten müssen.“

Karl Ludwig Völkel

Markus Killer (CDU), pflichtete den Ausführungen, wie auch die anderen Ratsfraktionen, über die Auswirkungen des „suboptimalen Gesetzes“ bei und ordnete das Geschehen beschwichtigend ein: „Keiner will den Anwohnern der drei Straßen einen Ausbau zumuten, der kostenpflichtig wird. Ich will dieses Gesetz, das nicht rund ist, nicht positiv reden. Aber schlussendlich sehen wir hier auch, dass, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, das Gesetz greift und die Bürger nicht zur Kasse gebeten werden. Wir müssen jetzt eine Lösung finden für die drei Straßen, die dort herausfallen.“ Heißt: Abwarten, andere Straßen vorziehen und schauen, was aus Düsseldorf kommt.

Andere Straßen werden vorgezogen

Genau darauf einigten sich die Faktionen auch gemäß der Beschlussvorlage der Verwaltung: „ Aufgrund der aktuellen Gesetzeslage sind die Straßenausbauten in ihrer Reihenfolge neu zu bewerten.“ Die drei aufgrund der rechtlichen Unwägbarkeiten zurückzustellenden Straßen werden ausgeklammert, stattdessen werden andere Straßen wie die Kurze Straße, Oberdorf, Goethestraße, Breidenbachstraße, Baierbach, Neustadt, Elsa-Brandström-Straße, Altenschlager Weg, Schillerstraße, Berliner Straße, An der Lai, Ulrich-von-Hutten-Straße, Höhenweg und Bergstraße im Straßenausbauprogramm für die kommenden Jahre vorgezogen.

Zudem einigten sich die Fraktionen, im Rat ein von der Verwaltung verfasstes Schreiben an die Landesregierung zu verabschieden, in dem, so schlug Völkel vor, „der Rat der Gemeinde Erndtebrück von der Landesregierung erwartet, dass der Paragraf 8 KAG so modifiziert wird, dass alle noch nicht gebauten und abgerechneten Straßen unter die Beitragsfreiheit fallen.“ Auch an den Städte- und Gemeindebund solle dieses Schreiben gehen. Zusätzlich signalisierte Gronau, das Thema mit in die Bürgermeisterkonferenz zu nehmen.