Bad Berleburg. „Einmal Schutzmann, immer Schutzmann“, so der Pensionär, der den Dieb beobachtet hatte. Der stand nicht nur wegen des Diebstahls vor Gericht.
„Einmal Schutzmann, immer Schutzmann“, so leitete ein Polizeikommissar im Ruhestand seine Zeugenaussage vor dem Amtsgericht Bad Berleburg ein. Am 12. März 2024 gegen 9.35 Uhr beobachtete der 62-jährige Pensionär, wie ein Mann „ziellos und auffällig“ durch einen Bad Berleburger Supermarkt schlenderte. Der Mann hielt zwei Getränkedosen in der Hand und ging schließlich zum Ladeneingang, wo er, so der Zeuge, darauf zu warten schien, den Laden unauffällig zu verlassen. Nach kurzer Zeit entschied sich der Mann allerdings um, steckte die beiden Getränkedosen in seine Jackentasche und marschierte durch den Kassenbereich nach draußen. Der ehemalige Polizist folgte dem Mann kurzerhand und sprach ihn an. „Er stellte keine Gegenfragen, sondern verfiel sofort in ein emotionales Verhalten“, schilderte der Zeuge. Der Mann habe sich entschuldigt und darum gebeten, die Polizei aus dem Spiel zu lassen.
„Ich trinke jeden morgen Energydrinks.“
Tatsächliche Menge des Diebesguts unsicher
Die Polizei kam aber trotzdem und es stellte sich heraus, dass der Mann auch noch zwei kleinere Dosen in seiner Tasche transportiert hatte. Er gab der Polizei gegenüber zwar an, die beiden weiteren Dosen Tage zuvor gekauft zu haben, konnte das aber nicht belegen. Deshalb musste sich der 24-Jährige aus Bad Berleburg jetzt vor dem Amtsgericht für den Diebstahl von vier Getränkedosen im Wert von 7,96 Euro verantworten. Vorerst wollte sich der Beschuldigte vor Gericht nicht zu seiner Tat einlassen, erklärte jedoch: „Ich trinke jeden Morgen Energydrinks“, aus diesem Grund, so sein Rechtsanwalt Thomas Biek, habe er stets Getränkedosen in seiner Tasche. Auch der zuständige Polizeibeamte meinte: „Das war sehr undurchsichtig“, er könne nicht genau sagen, ob nun zwei oder vier Dosen gestohlen wurden.
Gemeinsam mit dem Diebstahl sollte das Amtsgericht über einen Vorfall der Körperverletzung urteilen. Dem Beschuldigten wurde vorgeworfen, einem Bekannten am 16. Juni 2024 aufs Ohr geschlagen zu haben. Bei der Zeugenaussage des Geschädigten ergab sich jedoch schnell, dass der Vorfall nicht wirklich strafrechtlich relevant ist. Zum einen war der Geschädigte selbst zum Tatzeitpunkt stark alkoholisiert und konnte sich nicht mehr an Details erinnern, zum anderen sagte er: „Er geht mit jetzt aus dem Weg, für mich ist die Sache gegessen.“ Wie Strafverteidiger Biek hervorhob, hatten der Geschädigte und der Angeklagte seit dem Vorfall mehrfach freundschaftlichen Kontakt, weswegen die Anklage einvernehmlich auf den ersten Tatvorwurf beschränkt wurde.
„Ich glaube die Sucht ist schon sehr massiv.“
Angeklagter ist einschlägig vorbelastet
Bei dem Vorfall aus dem März handelt es sich zwar um einen Diebstahl nur geringwertiger Sachen, allerdings ist der Beschuldigte stark vorbelastet. Im Jahr 2016 stand er zum ersten Mal wegen Diebstahls vor Gericht, in den folgenden Jahren wurde er unter anderem wegen Betrugs und Sachbeschädigung verurteilt. Wegen einer Verurteilung aus dem Jahr 2023 befand sich der Angeklagte zum Tatzeitpunkt auf Bewährung. Besonders brisant ist, dass das Amtsgericht Marburg den 24-Jährigen erst am 9. Juli 2024 zu acht Monaten Haftstrafe wegen räuberischen Diebstahls verurteilt hatte.
Aktuell läuft das Berufungsverfahren vor dem Amtsgericht Marburg. Um die Beweggründe seines Mandanten zu erklären, schilderte Rechtsanwalt Biek dessen aktuelle Lage: Bei dem Angeklagten liege schon länger eine Suchtproblematik vor, neben einer Spielsucht konsumiere der 24-Jährige auch Kokain, Amphetamine und Cannabis. Zur Tatzeit habe sich sein Mandant „im Wahn“ befunden und wollte so schnell wie möglich zurück in die nahe gelegene Spielothek. „Ein normaler Mensch würde ja sagen: Ich begebe mich gar nicht erst in so ein Risiko wegen zwei Getränkedosen“, meinte Biek. Auch die Bewährungshelferin des Angeklagten bestätigte seine multiplen Abhängigkeiten: „Ich glaube, die Sucht ist schon sehr massiv.“ Problematisch sei aber insbesondere, dass der 24-Jährige schon lange in Therapie gehen wolle, diese Pläne aber nicht umsetze.
Die Suchtproblematik griff auch Staatsanwalt Markus Urna in seinem Plädoyer auf: „Über allem steht die Frage, wie mit dem Drogenproblem umzugehen ist.“ Er sehe keine positive Sozialprognose, weswegen er eine Freiheitsstrafe von drei Monaten ohne Bewährung forderte. „Die Schlacht wird in Marburg entschieden“, meinte hingegen Strafverteidiger Biek. Aus „Praktikabilitätsgründen“, forderte er Sozialstunden oder eine Geldstrafe. Richter Torsten Hoffmann folgte dieser Forderung und verurteilte den 24-Jährigen zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 15 Euro. Auch er berief sich auf das laufende Verfahren: „Die wegweisenden Entscheidungen sind in Marburg zu treffen.“