Erndtebrück/Bad Berleburg. Erndtebrücker setzt Medikamente ab und verliert Kontrolle: Weil er dabei seine Ex-Partnerin angegriffen haben soll, musste er vor Gericht.

Gleich sechs Straftaten ereigneten sich zwischen dem 11. Dezember 2023 und dem 17. Januar 2024 in Erndtebrück und Bad Berleburg - verantwortlich für alle sechs sollte ein 27-jähriger Mann sein, der sich dafür jetzt vor Gericht in Bad Berleburg verantworten musste. Direkt zu Beginn der Gerichtsverhandlung stellte der Beschuldigte klar: „Ich bin in eine psychotische Phase geschlittert. Ich weiß vieles gar nicht mehr.“ Er habe mehrere psychische Leiden und sei auf seine diversen Psychopharmaka angewiesen. Im September 2023 habe er aber die Depotmedikation im Rahmen seiner Schizophrenie-Therapie nicht wahrgenommen und sich deshalb in einem Ausnahmezustand befunden.

Toxische Beziehung als Auslöser für aggressives Verhalten

Der 27-Jährige agierte bis vor zwei Wochen als pflegender Angehöriger seiner ehemaligen Partnerin, die die meisten der Anschuldigungen gegen ihn erhoben hatte. So soll es am 11. Dezember im Rahmen einer Auseinandersetzung des Paares dazu gekommen sein, dass der Beschuldigte seine Ex-Partnerin mit einem Regenschirm so stark schlug, dass dieser sich verbog. Auch soll der 27-Jährige das Smartphone der Geschädigten auf den Boden geworfen und sich so der Sachbeschädigung strafbar gemacht haben.

Den im Anschluss an den Streit alarmierten Polizeibeamten gegenüber erklärte die Frau zudem, der Angeklagte habe ihr am Morgen desselben Tages bereits mit einem Feuerzeug gegen den Kopf geschlagen. Vor Gericht räumte der Angeklagte nun ein, seiner ehemaligen Freundin gegen den Kopf „geklopft“ zu haben. „Ich wollte sie aus ihrem Wahn heraus holen“, erklärte der 27-Jährige, die Geschädigte leide ebenfalls an psychischen Erkrankungen. Mit dem Regenschirm habe er sie lediglich auf Abstand halten wollen, weil sie sich dem Wohnungsverweis widersetzt hatte. „Ich habe aus der Not heraus gehandelt“, so der Angeklagte.

„Ich bin in eine psychotische Phase geschlittert. Ich weiß vieles gar nicht mehr.“

Angeklagter
über seinen Zustand während der Taten

Unabhängig der Vorfälle innerhalb des von Richter Torsten Hoffmann als „toxische Beziehung“ bezeichneten Verhältnisses zu seiner Ex-Partnerin, stand der Erndtebrücker aber auch wegen seines Fehlverhaltens mehreren Polizeibeamten gegenüber vor Gericht. Als die Beamten am 17. Januar wegen einer Ruhestörung vor seiner Haustür standen, schrie er: „Verpisst euch!“, und bezeichnete die Polizisten unter anderem als „Hurensöhne“ und „Wichser“. Auch schlug er mit der bloßen Hand von innen so fest gegen das Glas seiner Wohnungstür, dass die Scherben einen vor der verschlossenen Tür stehenden Polizeibeamten im Gesicht trafen. „Das war ein psychotischer Zustand“, sagt der Angeklagte heute über den Vorfall.

Im Nachhinein ist er froh, dass die Beamten ihm zur Hilfe gekommen sind. Denn nachdem sich die Polizei Zutritt zur Wohnung verschafft hatte, mussten sie ihn durch Fixieren an seinem selbst- und fremdgefährdenden Verhalten hindern. „Er war wie von der Kette“, berichtete einer der Beamten vor Gericht. Von den vielen früheren Einsätzen kenne er den 27-Jährigen anders. In ihren Zeugenaussagen erklärten die Beamten einvernehmlich: Normalerweise war der Angeklagte der kontrolliertere Part in der Beziehung mit seiner Ex-Freundin. Bei dem Einsatz in der Wohnung des Beschuldigten stießen die Ermittler auch auf eine scharfe Patrone, was zu der Anklage wegen unerlaubtem Waffenbesitz führte. Der Beschuldigte will nicht mehr wissen, wo die Patrone hergekommen ist. Er vermutet, sie sei ein Überbleibsel eines Vorfalls von vor drei Jahren, weswegen er bereits verurteilt wurde.

Schon mehrmals Probleme mit Polizei

Neben dem Vorfall in der Wohnung des Beschuldigten stand er auch noch wegen Beamtenbeleidigung in einem anderen Szenario vor Gericht: Am 14. Dezember 2023 hatte er Polizisten bereits als „Hurensöhne“ und „Scheißwichser“ beleidigt. Dazu gekommen war es, als er auf sein Besuchsrecht im Krankenhaus bei seiner Ex-Partnerin bestanden hatte. Weil er dort bekannt war, verwehrte ihm das Krankenhauspersonal den Zutritt zur Station und rief die Polizei. Auch wenn der Beschuldigte vor Gericht beteuerte, im klaren Zustand niemals solche Worte zu benutzen, meinte Oberamtsanwältin Judith Hippenstiel: „Beleidigungen sind offensichtlich Standard in ihrem Vokabular.“ Sie stellte bereits während der Hauptverhandlung infrage, ob der Angeklagte nicht eine zu große Gefahr für die Allgemeinheit darstelle, um sich auf freiem Fuß zu bewegen.

„Beleidigungen sind offensichtlich Standard in ihrem Vokabular.“

 Judith Hippenstiel
Oberamtsanwältin 

Mittlerweile sei der 27-Jährige zwar medikamentös gut eingestellt, zum Zeitpunkt des 4. Januars 2024 sei das aber anders gewesen. An diesem Tag wurden 0,66 Gramm Amphetamin bei ihm gefunden, laut seiner Aussage bekommt er heute von seinem Psychiater eine ähnliche Substanz verschrieben. „Das ist genau der gleiche Wirkstoff“, argumentiert der Erndtebrücker.

Freiheitsstrafe wegen Vielzahl der Vorfälle

Weil die geschädigte Ex-Freundin nicht zur Verhandlung erschien, entschied das Gericht im Falle der schweren Körperverletzung mit dem Feuerzeug zugunsten des Angeklagten. In diesem Fall einigten sich Staatsanwaltschaft und Richter auf einfache Körperverletzung. Oberamtsanwältin Judith Hippenstiel sprach sich in ihrem Plädoyer, trotz verminderter Schuldfähigkeit aufgrund der psychischen Krankheiten, für eine Freiheitssprache aus. „Mich stört im Wesentlichen, dass sie immer wieder versuchen, sich herauszureden“, meinte Hippenstiel. Sie forderte eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung und die Verhängung eines Bußgeldes. Pflichtverteidiger Richard Treude schloss sich den Forderungen der Staatsanwaltschaft weitestgehend an, bat aber darum, aufgrund der finanziellen Lage seines Mandanten von einer Geldauflage abzusehen.

„Wir hoffen, dass Sie einnehmen, was Ihnen verschrieben wird und nicht selbst experimentieren.“

Torsten Hoffmann
Richter 

Richter Torsten Hoffmann verurteilte den Angeklagten schließlich zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Er betonte gegenüber dem 27-Jährigen: „Wir hoffen, dass Sie einnehmen, was Ihnen verschrieben wird und nicht selbst experimentieren.“

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