Bad Berleburg. Vieles ist in diesem Jahr anders. Eines aber bleibt: Die Musik. Gefeiertes Wiedersehen mit dem ukrainischen Pianisten Alexey Botvinov.

Der Strauß zart lachsfarbener Rosen war das erste Blumengebinde, das am Abend der Eröffnung der 51. Internationalen Musikfestwoche Bad Berleburg von Hand zu Hand ging. Andreas Wolf, Vorsitzender der veranstaltenden Kulturgemeinde, würdigte mit diesem symbolischen Geschenk die so zuverlässige Begleitung durch Ihre königliche Hoheit Prinzessin Benedikte von Dänemark.

Seit 1976 unterstütze sie die Musikfestwoche „konstruktiv und mit sehr großem Herzen“, und es war am Montagabend ein starkes Zeichen, dass die Schirmherrin auch in diesem Jahr das Gebotene wieder von der ersten Reihe aus genoss. Flankiert unter aNDEREM durch de3n Bürgermeister der Stadt, Bernd Fuhrmann, und von der 1. stellv. Landrätin des Kreises Siegen-Wittgenstein, der Berleburger Ortsvorsteherin Ursula Belz. Andreas Wolf dankte auch den Sponsoren und Partnern aus der heimischen Wirtschaft, dankte der Stadt, warb für die weiteren Konzerte der Musikfestwoche, die nun schon seit 2017 unter der künstlerischen Leitung des Pianisten Sebastian Knauer steht.

Andreas Wolf als Vorsitzender der Kulturgemeinde Bad Berleburg dankte IKH Prinzessin Benedikte für ihre langjährige und treue Begleitung der Musikfestwoche als Schirmherrin.
Andreas Wolf als Vorsitzender der Kulturgemeinde Bad Berleburg dankte IKH Prinzessin Benedikte für ihre langjährige und treue Begleitung der Musikfestwoche als Schirmherrin. © Claudia Irle-Utsch | Claudia Irle-Utsch

Alles also, wie gewohnt? Nicht ganz, denn zum ersten Mal findet das traditionsreiche Klassikfestival abseits des Berleburger Schlosses statt. Aus dieser Not hat die Musikgemeinde eine Tugend gemacht und lässt die Konzerte durch die Stadt wandern. Vom Bürgerhaus zur katholischen Kirche St. Marien, ins Zentrum Via Adrina in Arfeld und ins Neue Capitol – und das könnte (bei aller Trauer um den Verlust des fürstlichen Ambientes) der Musikfestwoche vielleicht ein noch diverseres Publikum bescheren. Die Auftaktveranstaltung jedenfalls war bestens besucht.

Den Strauß an musikalischen Klängen eröffneten die für diesen Abend engagierten Streicher mit Jack Liebeck (Violine), Philip Dukes (Viola) und Thomas Carroll (Violoncello) zunächst „solo“ mit Ludwig van Beethovens (1770-1827) Streichtrio c-Moll op. 9 Nr. 3, einem spannungsgeladenen Werk, das nicht ohne Grund wie ein geistreiches Gespräch unter Dreien daherkommt: Denn mit den drei zwischen 1796 und 1798 entstandenen Streichtrios arbeitete sich Beethoven bereits hin auf seine Streichquartette, 16 an der Zahl!

Am Klavier: Sebastian Knauer. Der künstlerische Leiter der 51. Internationalen Musikfestwoche Bad Berleburg spielte mit Jack Liebeck (Violine), Philip Dukes (Viola) und Thomas Carroll (Cello) Mozarts Klavierkonzert g-Moll.
Am Klavier: Sebastian Knauer. Der künstlerische Leiter der 51. Internationalen Musikfestwoche Bad Berleburg spielte mit Jack Liebeck (Violine), Philip Dukes (Viola) und Thomas Carroll (Cello) Mozarts Klavierkonzert g-Moll. © Claudia Irle-Utsch | Claudia Irle-Utsch

Überschrieben war das Konzert mit „Art of Piano Quartet“, und so bildeten die beiden g-Moll-Klavierquartette, das eine von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), das andere von Johannes Brahms (1833-1897) die inhaltliche Mitte des Geschehens. Zunächst allerdings galt das „Herzlich willkommen!“ von Festivalleiter Sebastian Knauer dem Publikum und sein ausdrücklicher Dank den Verantwortlichen der Kulturgemeinde: „Sie verdienen den größten Applaus, denn was ist eine gute Idee ohne ein gutes Team?!“

Von Knauers Vielseitigkeit wird im Laufe der Woche Etliches zu erleben sein, am Montag gab er sich erst einmal hinein in Mozarts Klavierquartett g-Moll, KV 478. Geschaffen als Auftragsarbeit 1785 (also im zeitlichen Kontext der Arbeit an der Oper „Figaros Hochzeit“), war diese kammermusikalische Gattung eine sehr neue und auch sehr ungewohnte für das Publikum in Wien. Heute ist diese Musik ein Hörgenuss, den Sebastian Knauer und die drei Streicher in einem harmonierenden Miteinander präsentierten. Mit federleichten Übergängen, einer intensiv-tiefgründigen Deutung im zweiten, dem langsamen Satz und seinem lebhaften Rondo. Das Leben ist schön. Aber: Es kann auch schrecklich sein.

Alexey Botvinov, Philip Dukes, Jack Liebeck und Thomas Carroll (v.l.) ernten beim Auftaktkonzert der Musikfestwoche Bad Berleburg begeisterten Applaus.
Alexey Botvinov, Philip Dukes, Jack Liebeck und Thomas Carroll (v.l.) ernten beim Auftaktkonzert der Musikfestwoche Bad Berleburg begeisterten Applaus. © Claudia Irle-Utsch | Claudia Irle-Utsch

Das Nicht-Vergessen, das Mit-Hoffen, das solidarische Eintreten für Freiheit und Gerechtigkeit hat auch seinen Platz in der Musikfestwoche. So lud Sebastian Knauer den ukrainischen Pianisten Alexey Botvinov ein, so ermöglichte die Kulturgemeinde etlichen Geflüchteten aus der Ukraine den Konzertbesuch. Alexey Botvinov gründete 2015 in seiner Heimatstadt Odessa das „Odessa Classic Festival“, ein Jahr, nachdem Russland die Krim annektiert hatte. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 konnte das Festival am Schwarzen Meer nicht mehr stattfinden. Botvinov ging ins Exil, sein Musikfest auch. Es findet auch in diesem Jahr an verschiedenen Orten statt, zum Beispiel am 21. August mit einem Konzert von Alexey Botvinov und Sebastian Knauer im Bonner Beethovenhaus.

Mindestens ein Hauch dieses Festivals war nun auch im Berleburger Bürgerhaus zu vernehmen. Mit dem Brahms’schen Klavierquartett g-Moll op. 25, bei dem der so virtuose Pianist Botvinov, 2019 mit Bachs „Goldberg-Variationen“ schon einmal in Berleburg zu Gast, im Verbund mit Liebeck, Dukes und Carroll als Gleicher unter Gleichen agiert, aber doch seine besondere Meisterschaft zeigen kann. Der Höhepunkt dieses Werks ist zugleich der Höhepunkt des Konzerts: das Rondo alla Zingarese mit seiner wunderschönen, sehnsuchtsvollen Melodie (toll: die Geige!), seiner temperamentvollen Leidenschaft, dem irrwitzigen Tempo, diesem fulminanten Zusammenspiel.

Blumen für Alexey Botvinov (r.) - auch zur Freude von Geiger Jack Liebeck.
Blumen für Alexey Botvinov (r.) - auch zur Freude von Geiger Jack Liebeck. © Claudia Irle-Utsch | Claudia Irle-Utsch

Es gab lang anhaltenden Applaus für diese hochkarätige Darbietung – und Blumen für den Künstler am Flügel: Zwei geflüchtete Frauen, Maryna und Olena, dankten beglückt für eine musikalische Ermunterung an einem Tag, an dem der Krieg erneut die ukrainische Hauptstadt Kiew schwer getroffen hat. Alle vier Ausführenden erhielten eine Rose in Rot. Auch die kann, frei nach Hilde Domin, die selbst Exilantin war, eine Stütze sein.

Auch eine Rose kann eine Stütze sein: der exilierte ukrainische Pianist Alexey Botvinov.
Auch eine Rose kann eine Stütze sein: der exilierte ukrainische Pianist Alexey Botvinov. © Claudia Irle-Utsch | Claudia Irle-Utsch