Bad Berleburg. Nach drei Verhandlungstagen steht das Urteil im Fall des 62-jährigen Rentners fest. Er hatte behauptet, das Rad geschoben zu haben.
Ist er gefahren oder hat er geschoben? Das war die Frage, die das Amtsgericht Bad Berleburg nun mehrere Monate lang versuchte zu klären. Der Beschuldigte war mit einer Verurteilung nicht einverstanden gewesen und hatte Angst, seinen Führerschein zu verlieren. Deswegen legte er Einspruch ein.
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Weil er im August 2023 stark alkoholisiert mit dem Fahrrad unterwegs gewesen war, musste sich ein 62-jähriger Frührentner bereits zweimal vor Gericht verantworten. Der Angeklagte selbst sagte am ersten und zweiten Verhandlungstag aus, sein Fahrrad mehrere Kilometer entlang der Landstraße bis zu einem Wanderparkplatz geschoben zu haben. Auch seine Begleitung auf der Radtour, ein 48-jähriger Berleburger, hatte in seiner Zeugenaussage erklärt, die Männer hätten die Räder gemeinsam geschoben. Die beiden gaben lediglich zu, ihre Fahrräder auf einer Strecke früher an dem Tag alkoholisiert gefahren zu sein. Um zu klären, ob bereits zu diesem Zeitpunkt der Grenzwert von 1,6 Promille überschritten war, lud das Gericht einen Gutachter zum zweiten Verhandlungstermin ein. Der forensisch-klinische Chemiker bestätigte, der Beschuldigte habe zwar zur Zeit der ersten Fahrt noch Fahrrad fahren dürfen, bei der zweiten Fahrt muss die Blutalkoholkonzentration aber deutlich über 1,6 gelegen haben.
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Zeugen sollen Männer fahrend gesehen haben
Beim zweiten Verhandlungstag im Juni hatte ein Polizeibeamter zudem berichtet, Zeugen hätten ihm bestätigt, die Männer fahrend am Parkplatz ankommen gesehen zu haben. Diese Zeugen hatten auch die Polizei dazu gerufen, weil der Freund des Frührentners mit seinem Fahrrad ihr Auto gerammt hatte. Weil die Beobachtung der Geschädigten gegen die Aussage des Angeklagten und seines Freundes spricht, forderte die Staatsanwaltschaft die Anhörung der beiden Zeugen. Zur Aussage der Zeugen kam es jedoch nicht, denn als Erstes wurde der Freund des Beschuldigten erneut gehört. „Denken Sie gut nach“, sprach Oberamtsanwältin Judith Hippenstiel dem 48-Jährigen ins Gewissen. Für eine Falschaussage vor Gericht drohe ihm eine deutlich höhere Strafe, als dem Beschuldigten für eine tatsächliche Alkoholfahrt auf dem Fahrrad.
Freund zieht seine entlastende Aussage zurück
„Das war jetzt eine Sekunde vor zwölf.“
„Ich kann mich an vieles nicht erinnern“, räumte der 48-Jährige schließlich ein. Er habe seinem Freund helfen wollen und deshalb behauptet, sie haben die Räder geschoben. Zur Zeit der Fahrt habe er etwa drei Promille gehabt, was auch der Grund war, warum er gegen den Pkw der Zeugen gestoßen war. „Das war jetzt eine Sekunde vor zwölf“, meinte die Oberamtsanwältin. Der 48-Jährige sei nur ganz knapp einer Freiheitsstrafe wegen Falschaussage und Strafvereitelung entgangen. „Sie haben das sehenden Auges mitbekommen“, wunderte sich Richter Torsten Hoffmann auch über das Verhalten des Angeklagten, der die strafbare Falschaussage seines Freundes zu seinen Gunsten hingenommen hatte. Weil die Beweise gegen ihn eindeutig waren, zog der Beschuldigte seinen Einspruch schließlich zurück. So ist das Urteil vom Beginn des Verfahrens rechtskräftig: Der Frührentner muss eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu 30 Euro zahlen. Das Straßenverkehrsamt entscheidet nun, ob dem 62-Jährigen die Fahrerlaubnis entzogen wird.