Bad Berleburg/Erndtebrück. Wenn der Staatsschutz klingelt: Ein 27-Jähriger hat Bilder mit Hitlergruß und lachendem Auschwitz-Zug an seine junge Schwester geschickt.

Ein Bild, das einen nackten Adolf Hitler beim Hitlergruß zeigt oder den Holocaust verharmlost, das gehört sich einfach nicht - dieser Auffassung ist heute ein 27-jähriger Mann aus Erndtebrück, der sich wegen Volksverhetzung in Bad Berleburg vor dem Amtsgericht verantworten musste. Dass ein solches Bild aber nicht einfach nur ungehörig ist, sondern auch strafrechtlich relevant, musste der Mann bei der Verurteilung jetzt am eigenen Leib erfahren.

„Heute weiß ich, dass sich das nicht gehört und würde so etwas nicht mehr verschicken“, rechtfertigte sich der 27-Jährige auf der Anklagebank. Was Oberamtsanwältin Judith Hippenstiel aus der Anklageschrift verlas, hatte es in sich: Vor fünf Jahren, im Jahr 2019, sendete der damals fast 21-Jährige an seine damals 17-jährige jüngere Schwester Bilder, die nicht nur den Tatbestand der Volksverhetzung, sondern auch der Verbreitung pornografischer Inhalte an Menschen unter 18 Jahren erfüllen. Darunter war unter anderem ein Bild, das einen fahrenden Zug zeigte - mit einem Gesicht, so wie Thomas die Lokomotive eins trägt. Anders als die freundliche Lokomotive in dem Kinder-Cartoon trug dieses grinsende Gesicht jedoch ein Hitlerbärtchen und sagte mittels Sprechblase: „Chu, chu, chu, wer will mit nach Auschwitz?“ Ein anderes Bild zeigte einen nackten Adolf Hitler, den Hitlergruß zeigend, ein weiteres zeigte Hitler beim Geschlechtsakt mit einer Frau.

„Das ist ja auch schon fünf Jahre her, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich habe keine Ahnung, warum ich das damals gemacht habe.“

Angeklagter
vor Gericht

Warum er damals diese Bilder an seine minderjährige Schwester geschickt hatte und wie er überhaupt an diese Bilder gekommen war, vermochte der heute 27-Jährige nicht mehr zu sagen. „Das ist ja auch schon fünf Jahre her, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich habe keine Ahnung, warum ich das damals gemacht habe.“ Auch die Frage der Oberamtsanwältin, wie er auf die Idee gekommen sei, diese „sehr speziellen, ekligen Bilder“ an seine kleine Schwester zu schicken anstatt zu löschen, konnte er nur mit „Ich kann mich nicht erinnern“ beantworten.

„Wenn der Staatsschutz bei einem klingelt, dann kann das kein gutes Zeichen sein.“

Torsten Hoffmann
Richter am Amtsgericht

Seitdem habe sich seine Ansicht bezüglich solcher Dinge aber gewandelt, bekräftigte er. „Ich weiß heute, dass sich das nicht gehört. Ich habe ja auch Freunde, die Ausländer sind, und Freunde, die in alle möglichen Richtungen unterwegs sind. Und wenn dann einige von ihnen solche Sachen sagen, sage ich denen auch, dass sich so etwas nicht gehört.“ Richter Torsten Hoffmann betonte daraufhin, dass die vom Angeklagten verschickten Bilder sich nicht nur nicht gehören, sondern eine Straftat darstellen: „Wenn der Staatsschutz bei einem klingelt, dann kann das kein gutes Zeichen sein.“

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Weil der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tat noch keine 21 Jahre alt war, stellte sich noch die Frage, ob er nach dem Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden sollte. Da dem Erndtebrücker damals jedoch nur ein halbes Jahr zur Vollendung des 21. Lebensjahres fehlte und er sich zu diesem Zeitpunkt in einer Ausbildung befand, entschied sich Richter Torsten Hoffmann für das Erwachsenenstrafrecht. Demnach blühte ihm eine Verurteilung zwischen Geld- und Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Dem 27-Jährigen kam dabei jedoch zugute, dass er die Tat unumwunden eingeräumt hatte und sich auf der Anklagebank reumütig präsentierte. „Auch wenn es Ihnen nicht schadet, dass sie einige Erinnerungslücken um die Bilder aufweisen“, machte Hippenstiel deutlich. Zudem war der Angeklagte bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten.

Der Tatbestand

In diesem Fall greift Paragraf 130 des Strafgesetzbuches. Demnach wird straffällig, wer „gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert“

Auch, wer die „Menschenwürde von Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden“, kann belangt werden. 

Richter Torsten Hoffmann folgte daher dem Strafantrag der Oberamtsanwältin und verurteilte den Erndtebrücker zu 50 Tagessätzen in Höhe von jeweils 80 Euro. Damit hat der 27-Jährige noch Glück, da er damit weiterhin als nicht vorbestraft gilt und ein sauberes Führungszeugnis behält. Als vorbestraft gelte man erst am 90 Tagessätzen, erklärte Hippenstiel. Der 27-Jährige gab noch vor Ort zu Protokoll, keinen Einspruch einlegen zu wollen: „Dann habe ich diese Sache endlich vom Tisch.“

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Einen ähnlichen Fall hatte das Bad Berleburger Amtsgericht vor drei Jahren verhandelt. Damals ging es um die WhatsApp-Gruppe „Division Wittgenstein“, angeklagt waren drei junge Männer, darunter ein 17-Jähriger und ein 20-Jähriger. In der Gruppe waren fremdenfeindliche, diskriminierende und auch rechtsextreme Inhalte verteilt worden, darunter ein Bild einer Rettichwurzel, neben der „Rettich“ stand - und daneben ein Foto eines Flüchtlingsbootes im Mittelmeer mit dem Zusatz „Rett‘ ich nicht“. Der 17-Jährige hatte ein Foto in der Gruppe geteilt, auf dem zu lesen war: „Juden werden hier nicht bedient.“ Der 20-Jährige erklärte damals: „Da bekommt man etwas geschickt, schmunzelt darüber und klickt auf Weitersenden ohne nachzudenken. Im Nachhinein bereut man es doch.“ Der Chatgruppe „Division Wittgenstein“ sollen damals 20 bis 30 Personen angehört haben.

Im März dieses Jahres musste sich ein 47-jähriger Erndtebrücker ebenfalls wegen Volksverhetzung verantworten: Er hatte ein YouTube-Video über die Reaktionen von Passanten auf ein schwules Paar kommentiert. In seinem Kommentar äußerte er, dass es zu viele „Schwule“ gäbe und dass man diese töten solle. Erklärt hatte er dies mit Familienproblemen und der Tatsache, dass er vermutlich betrunken gewesen sei.