Bad Berleburg. Ein 72-jähriger Arzt fährt nach mehreren Gin Tonic Auto. Nach Zusammenstoß mit anderem Pkw flüchtet er vom Unfallort und trinkt weiter.
Ein in Wittgenstein praktizierender Arzt musste sich vor dem Berleburger Amtsgericht verantworten, weil er unter massivem Alkoholeinfluss Auto gefahren war und dabei einen Unfall verursacht hat.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem 72-Jährigen vor, am 11. Januar gegen 18.35 beim Ausparken auf einem Supermarktparkplatz zweimal ein fremdes Auto gerammt zu haben. Nach dem Vorfall entfernte sich der beschuldigte Mediziner vom Unfallort, ohne Kontakt zum geschädigten Fahrzeughalter aufzunehmen. Der Schaden an dem fremden Pkw beläuft sich auf etwa 661 Euro. Bei einer Blutalkoholuntersuchung um 20.45 Uhr am selben Abend wurde zudem ein Wert von 1,99 Promille festgestellt, welcher darauf schließen lässt, dass der Angeklagte auch schon zum Zeitpunkt seiner Autofahrt alkoholisiert war.
Zeugin beobachtet Zusammenstoß
Der erste Tatvorwurf, die Unfallflucht, konnte von einer Zeugin beobachtet und vor Gericht dargelegt werden. Sie sagte aus, an die Autoscheibe des Angeklagten geklopft zu haben, nachdem dieser beim Rückwärtsfahren gegen ein anderes Auto gekommen war. „Ich habe geklopft und da war eine kurze Reaktion“, erklärte die Zeugin. Danach sei der Beschuldigte aber einfach weggefahren. Sie selbst habe die Fahrzeugbesitzerin über den Vorfall informiert und dabei auch das Kennzeichen des Fahrzeugs angegeben. Die daraufhin benachrichtigte Polizei konnte den Pkw und seinen Halter zügig auffinden und traf den beschuldigten Mediziner um 19.55 Uhr in seiner Wohnung an. Zu diesem Zeitpunkt bestand noch kein Verdacht auf Alkoholkonsum, erst durch das Verhalten des Angeklagten sei man auf die Idee gekommen, er könnte Alkohol getrunken haben. „Er musste sich ständig am Fahrzeug festhalten“, berichtete einer der Polizeibeamten über den 72-Jährigen.
„Wenn ich so viel Promille hatte, war ich in der Tat nicht in der Lage Auto zu fahren.“
Genaue Alkoholmenge unklar
Beim Gespräch mit den Beamten am Tattag, erklärte der Beschuldigte, es habe keine Beschädigung gegeben, deswegen sei er weitergefahren. Er machte zudem keine exakten Angaben zu seinem Alkoholkonsum: „Er konnte nicht genau sagen, wann er was getrunken hat“, erklärte eine Beamtin vor Gericht. Allerdings sei die Rede von drei bis vier Gin Tonic und einem Bier gewesen, der Beschuldigte habe seinen Alkoholkonsum schon beim ersten Gespräch zugegeben. „Wenn ich so viel Promille hatte, war ich in der Tat nicht in der Lage Auto zu fahren“, räumte der Angeklagte vor Gericht ein. Er habe sich aber zum Zeitpunkt der Fahrt zum Supermarkt noch fahrtauglich gefühlt. „Ich habe Gin Tonic getrunken, ich kann aber nicht genau sagen wieviel“, meint der 72-Jährige. Er habe bis circa halb fünf gearbeitet und danach begonnen, Alkohol zu trinken. Vor seiner Fahrt zum Supermarkt will er allerdings lediglich eine Menge von etwa 60 Milliliter Gin-Tonic-Gemisch und eine Dose Bier getrunken haben. Anders als es im Bericht der Polizei vermerkt ist, gibt der Mediziner vor Gericht an, den Großteil des Alkohols erst nach seinem Einkauf konsumiert zu haben.
Trotzdem lässt sich der sehr hohe Wert von 1,99 Promille um 20.47 Uhr unter keinen Umständen mit den Aussagen des Beschuldigten zu seinem Alkoholkonsum erklären. Der vor Gericht anwesende Gutachter urteilte: „Wir liegen mit diesen Angaben weit weg von der Realität.“ Laut der Analyse des forensisch-klinischen Chemikers ist davon auszugehen, dass der Angeklagte vor seiner Fahrt zum Supermarkt bereits die Schwelle von 1,1 Promille überschritten und dabei deutlich mehr Alkohol getrunken haben muss, als er vor Gericht und im Gespräch mit den Beamten angegeben hat.
„Ich würde empfehlen, den Einspruch zurückzuziehen.“
Einspruch zurückgezogen
„Ich würde empfehlen, den Einspruch zurückzuziehen“, sagte Oberamtsanwältin Judith Hippenstiel zum Angeklagten und seinem Verteidiger Frank Henk. Bereits im März war der 72-jährige Mediziner im Rahmen einer Hauptverhandlung verurteilt worden, hatte dann aber Berufung eingelegt. „Es wird alles nur noch schlimmer“, erklärte Hippenstiel das Gutachten des Chemikers, welches nicht nahelegt, dass der Beschuldigte zum Unfallzeitpunkt lediglich einen geringen Alkoholwert hatte. „Wir danken für den gegebenen Hinweis“, meinte Rechtsanwalt Frank Henk. Nach der Beratung mit seinem Mandanten entschieden sie, den Einspruch zurückzunehmen. So ist das Urteil vom 11. März 2024 rechtskräftig: Der Mediziner ist zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 150 Euro verurteilt. Sein Führerschein bleibt eingezogen und Richter Torsten Hoffmann verhängte eine Sperrfrist von zehn Monaten.