Erndtebrück. Wachstumsrate von Erndtebrück ist Spitze im Kreis Siegen-Wittgenstein. Damit das so bleibt, fordern Gemeinde und IHK eine Politik für den Zuzug.
„Erndtebrück ist geprägt von sehr starken Unternehmen in Industrie, Handwerk und Handel. Die gewachsenen Strukturen bringen Arbeitsplätze, Kaufkraft und Investitionsstärke. Zentral hierfür sind unsere mittelständischen, familiengeführten Unternehmen.“ Beim IHK-Wirtschaftsgespräch zeigte Bürgermeister Henning Gronau vor mehr als 40 Unternehmensvertretern Potenziale und aktuelle Zukunftsprojekte in der Edergemeinde auf. Die Energiewende stelle die Kommune vor große Herausforderungen: „Es ist unsere Aufgabe, diesen Wandel zu einem Vorteil für den hiesigen Standort zu machen!“ Dabei ging der Bürgermeister auf die in Erndtebrück verfolgte Idee einer „Zukunftsstiftung“ ein, die sich maßgeblich aus Windkrafterlösen finanziere und so das Ehrenamt und Vereine stärken werde. Das berichtet die IHK im Nachgang zu den Treffen.
Lob für Energiewende
Eine Initiative, die auf Zuspruch stieß: „Damit lässt man die Breite der Bürgerschaft vom Ausbau der Windenergie zusätzlich profitieren. Wenn dies gelingt, ist das ein geradezu modellhaftes Vorhaben, das auch in anderen Kommunen auf hohes Interesse stoßen dürfte“, lobte IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener. Die Ausgangslage hierfür sei gut. Das zeige schon der Blick auf die wirtschaftsrelevanten Strukturdaten. Demnach hat sich die Gemeinde in den letzten 20 Jahren ausgesprochen positiv entwickelt. Klaus Gräbener: „Die Zahl der Industriebeschäftigten ist entgegen dem kreisweiten Trend gestiegen – und das um satte 24 Prozent. Auch bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten insgesamt ist Erndtebrück im Altkreis Wittgenstein Spitzenreiter.“ Sehen lassen könne sich zudem die allgemeine Kaufkraft, die über dem Durchschnitt im Kammerbezirk liege, betonte der Hauptgeschäftsführer. Alleine der Bevölkerungsrückgang, der im Altkreis Wittgenstein stärker ausgeprägt sei als im übrigen Kreisgebiet, bereite große Sorgen.
Aber auch hier tun sich Lichtblicke auf. „Wir verzeichnen in den letzten Jahren einen verstärkten Zuzug. 2.500 Menschen pendeln tagtäglich nach Erndtebrück. Wir wollen alles dafür tun, dass sie hier auch wohnen können“, erläuterte Henning Gronau und verwies auf das Beispiel der Kuhlmann-Siedlung: „Mehr als 50 Prozent der Bewohner kommen von außerhalb des Gemeindegebietes. Hinzu kommt eine hohe Nachfrage nach Baugrund!“ Diese Entwicklung gelte es zu verstetigen, beispielsweise durch attraktive Freizeitangebote.
Weniger Flächen für Wohnraum durch Regionalplanung
Doch es gibt Hindernisse: Die aktuelle Regionalplanung zwingt die Kommune, Flächen für Wohnbebauung zurückzunehmen. Die zugrundeliegenden Kriterien seien nicht nachvollziehbar, kritisierte Gronau. So würden der Kommune Entwicklungsperspektiven genommen. Eine Einschätzung, die von der IHK geteilt wird. „Wittgenstein ist strukturell mit Städten in den Ballungsräumen nicht zu vergleichen. Deshalb dürfen nicht dieselben Werte für die Zuweisung von Wohnbauflächen angelegt werden. Wenn etwas ungleich ist, muss es auch ungleich behandelt werden“, unterstrich Klaus Gräbener.
Das sagt Eckehard Hof von Bergebau
Großen Raum nahm beim Wirtschaftsgespräch die Lage auf dem Ausbildungsmarkt ein, zu der IHK-Geschäftsführerin Sabine Bechheim einen Überblick bot. Die Zahl der abgeschlossenen Lehrverträge ist demnach im Vergleich zum Vorjahreszeitraum rückläufig; allerdings ließen sich junge Menschen immer mehr Zeit mit der Entscheidung, eine Ausbildung anzutreten. Er beobachte, dass Gymnasien sich nicht an Schulmessen beteiligten, merkte Eckehard Hof (Berge-Bau GmbH & Co. KG) an. Offenkundig sehe man dort keine Aufgabe darin, Schülern die Option einer Ausbildung näherzubringen. Immer mehr junge Menschen strebten ein Abitur an. Die Folgen für den Ausbildungsmarkt seien daher erheblich. In der Diskussion wurde zudem kritisiert, dass immer mehr Lehrlinge bereit seien, ihre Ausbildung abzubrechen - vor allem im gewerblich-technischen Zweig.
Das sagt Klaus Löcker vom Autohaus Müller
Gastgeber Klaus Löcker (Autohaus Müller GmbH & Co. KG) wusste aus eigener Erfahrung zu berichten, dass die flexible Gestaltung der Arbeitszeit für ein attraktives Ausbildungsangebot mittlerweile einen mindestens ebenso hohen Stellenwert wie der Arbeitslohn einnehme. Zu Beginn der Veranstaltung hatte der Geschäftsführer in die Geschichte des 1903 gegründeten Autohauses Müller eingeführt. Das 40-köpfige Team erwirtschaftet am Gäuseberg mit dem Handel von Gebrauchtfahrzeugen und Ersatzteilen sowie Werkstattleistungen einen jährlichen Umsatz zwischen 8 und 9 Millionen Euro. Dabei investiert der mittlerweile in 5. Generation geführte Betrieb traditionell auch in die Zukunft seiner durchschnittlich 6 bis 8 Auszubildenden.