Bad Berleburg. Sie kümmern sich um Familienmitglieder, sind jedoch oft überfordert: In Berleburg bekommen pflegende Angehörige Unterstützung.

Egal ob durch einen Unfall oder eine Erkrankung - wenn der geliebte Partner, das Kind oder die Eltern plötzlich auf Hilfe angewiesen sind, stehen Angehörige oftmals vor einer großen Herausforderung. Während manch einer vielleicht etwas geübt in der Pflege ist, haben andere Menschen viele Fragen und Ängste. Wie soll ich das schaffen? Wie kann ich ihn pflegen und den Alltag dennoch meistern? Welche Möglichkeiten zur Finanzierung oder Unterstützung gibt es? Beate Kuhn begleitet Angehörige auf der Suche nach Antworten. Sie arbeitet seit 2019 als Pflegetrainerin bei der Vamed Rehaklinik Bad Berleburg und weiß, wie es ist, wenn ein Angehöriger pflegebedürftig wird. „Pflege hat nichts mit dem Alter zu tun. Das kann die Schwester, die Großeltern oder auch der Partner sein - wir selbst können plötzlich pflegebedürftig werden“, so Kuhn. Und auch bedeute pflegebedürftig zu sein, nicht gleich bettlägerig zu sein. „Das beginnt schon, wenn eine leichte Beeinträchtigung im Alltag vorliegt.“ Beate Kuhn ist es wichtig, pflegende Angehörige zu unterstützen, ihnen Tipps für die Pflege daheim mit auf den Weg zu geben - unter anderem via Pflegekurs.

Vier Tage lang dauert der Kurs, drei Stunden pro Tag. Monatlich wird er angeboten, um möglichst vielen Menschen die Chance zu geben, am Kurs teilzunehmen. Die Kurse selbst gab es aber schon vor Kuhns Zeit als Pflegetrainerin. „Die Kurse fußen auf dem wissenschaftlichen Projekt ,Familiale Pflege’ aus dem Jahr 2006“, berichtet Beate Kuhn. „Es war damals ein Forschungsprojekt der Uni Bielefeld in Kooperation mit der der AOK NordWest und AOK Rheinland, an der über 400 Kliniken teilnahmen. Wir sind von Anfang an mit dabei.“

Ursprünglich für die Begleitpersonen von Reha-Patienten erstellt, wurde der mehrtägige Initialpflegekurs vor einem Jahr für alle interessierten, externen Teilnehmer geöffnet. Aufgeteilt in zwölf Module zu je 45 Minuten geht es unter anderem um Stressbewältigung und Selbstfürsorge, um Praxisübungen sowie auch darum, sich einen Ressourcenkoffer anzulegen. Es geht um Themen wie Bettlägerigkeit und Inkontinenz und um die rechtliche Vorsorge für den Ernstfall. Aber auch um Themen wie Demenz oder den Transfer der pflegebedürftigen Familienmitglieder. Themen, die die Menschen häufig beschäftigen. „Dennoch aber könnten gerne mehr zu unseren Kursen kommen“, so Kuhn. „Häufig ist Pflege immer noch weiblich, gelegentlich aber kommen auch Männer zu uns.“

4,17 Millionen Pflegebedürftige beziehungsweise 84 Prozent wurden im Jahr 2021 zu Hause versorgt. Davon wurden 3,12 Millionen Pflege­bedürftige überwiegend durch Angehörige gepflegt.
Statistisches Bundesamt

Wie wichtig das Thema der häuslichen Pflege ist, zeigen auch Zahlen des Statistischen Bundesamtes: Stolze „4,17 Millionen Pflegebedürftige beziehungsweise 84 Prozent wurden im Jahr 2021 zu Hause versorgt. Davon wurden 3,12 Millionen Pflege­bedürftige überwiegend durch Angehörige gepflegt. Weitere 1,05 Millionen Pflege­bedürftige lebten ebenfalls in Privat­haushalten, sie wurden jedoch zusammen mit oder vollständig durch ambulante Pflege­dienste versorgt“, heißt es dort. Lediglich 16 Prozent oder 0,79 Millionen Pflegebedürftige wurde in Pflegeheimen vollstationär betreut. Und „der Bedarf an häuslicher Pflege wird steigen“, ist sich Kuhn sicher. Sie empfiehlt, sich frühzeitig mit dem Thema auseinanderzusetzen und sich frühzeitig Tipps für die Pflege zu Hause zu holen, um auch Berührungsängste abzubauen. „Die Entdeckung der eigenen Selbstwirksamkeit ist für die Teilnehmer wichtig.“

Tipps und Sicherheit

„Es ist wichtig, sich bewusst zu machen: Was kann ich? Was bin ich bereit zu leisten und wo muss ich gegebenenfalls einen Bereich abgeben oder mir Unterstützung holen“, so die Pflegetrainerin. Denn: Manche Angehörige haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie sich für ein, zwei Stunden lösen. „Es ist wichtig, sich von diesem schlechten Gewissen freizumachen.“ Beate Kuhn hat schon einige Angehörige während des Pflegekurses begleitet. Ein Kurs, in dem es unter anderem auch um praktische Erfahrungen geht. „Man lernt gewisse Dinge immer besser, wenn man es selbst einmal ausprobiert hat.“ Unter anderem lernen die Teilnehmer, wie sie ihren Angehörigen vom Bett aus in den Rollstuhl setzen können oder aber im Bett auf die Seite drehen - immer mit dabei ist also auch Übungspuppe „Kevin“.

Angehörige entlasten

Im Alltag einmal durchatmen? Entlastet werden pflegende Angehörige unter anderem auch von den Helferinnen des Vereins „Atempause Wittgenstein“. Sie begleiten pflegende Angehörige, Menschen mit Demenz, mit Behinderung oder generell hilfsbedürftige und kranke Menschen bei den alltäglichen Dingen – unter anderem bei Aktivitäten im und außerhalb des häuslichen Umfelds wie gemeinsames Spazieren, Kochen, gemeinsam Zeit miteinander verbringen. Zudem berät der Verein über individuelle Angebote, informieren über Finanzierungsmöglichkeiten.

Ängste abbauen, Praxisübungen, mehr Sicherheit und ein Netzwerk aufbauen - das können die Angehörigen während des Kurses. Ein Kurs, in dem externe wie auch interne Teilnehmer zusammen kommen. Aber es gibt auch weitere Angebote, um pflegende Angehörige zu entlasten und gleichzeitig zu unterstützen. So findet unter anderem auch einmal im Monat das Angehörigen-Café statt. Hier können die Angehörigen sich austauschen und sich ihre Sorgen von der Seele reden - teils ein emotionales Treffen für alle. Doch:. „Man spürt oftmals, wie ihnen eine Last vom Herzen fällt, wie gut ihnen der Besuch tut.“ Doch muss Pflege nicht immer negativ sein. „Natürlich stehen Angehörige erst einmal vor einer großen Herausforderung - aber manchmal kommen sich die Menschen durch die Pflege wieder ein Stück näher, finden einen anderen Zugang zum Menschen.“

Natürlich stehen Angehörige erst einmal vor einer großen Herausforderung - aber manchmal kommen sich die Menschen durch die Pflege wieder ein Stück näher, finden einen anderen Zugang zum Menschen.
Beate Kuhn - Pflegetrainerin

Dafür aber sei es wichtig, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. „Es darf kein Tabuthema mehr sein“, sagt Beate Kuhn. Apropos: Neben dem Angehörigen-Café und dem Pflegekurs gibt es weitere Angebote wie ein „Zeit für mich“-Nachmittag (einmal im Quartal) für externe Teilnehmer oder auch ein Gesprächskreis oder Entspannungsangebote für Begleitpersonen.

Die Angebote sind kostenlos. Eine Anmeldung erfolgt telefonisch. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.vamed-gesundheit.de/reha/bad-berleburg oder bei Pflegetrainerin Beate Kuhn unter 02751-8810000 oder per Mail an beate.kuhn@vamed-gesundheit.de.