Bad Berleburg. Zum Welttag des Hörens klärt Prof. Dr. Anette Weber aus Bad Berleburg über Hörschäden auf: Viele sind betroffen und wissen es gar nicht.
Zum Welttag des Hörens fordert Hals-Nasen-Ohrenärzte mehr Anstrengungen bei der Früherkennung von Hörstörungen. Denn eine große Anzahl an Menschen ist sich ihre Schwerhörigkeit gar nicht bewusst. „Da die Veränderung im Ohr in der Regel schleichend verläuft, wird der Hörverlust häufig verdrängt und deshalb nicht ärztlich behandelt“, erklärt Prof. Dr. Anette Weber, Chefärztin (HNO) in der Abteilung für Hörstörungen der VAMED Reha-Klinik Bad Berleburg. Untersuchungen zeigen, dass nur etwa 20 Prozent aller Personen ab 65 Jahren mit einer Hörstörung sich selbst als höreingeschränkt bezeichnen. Aufgrund dessen sei der Anteil der adäquat versorgten Menschen erschreckend niedrig.
Behandlung in der Reha-Klinik Bad Berleburg
Aber nicht nur ältere Menschen seien gefährdet, so Weber. So berge dauerhaft lautes Musikhören mit beispielsweise geräuschunterdrückenden „AirPods“ die Gefahr, dass dadurch ein bleibender Lärmschaden im Innenohr entstehe. „Hohe Sequenzen werden nicht mehr gehört – und mit zunehmender Lautstärke fällt es schwer, alles zu verstehen“, erklärt die Professorin. Ihr Tipp: Musik nur bei 80 Dezibel hören. Außerdem sollten junge Menschen bei Konzerten Ohrstöpsel mitnehmen und diese auch tragen, um Hörschäden vorzubeugen.
In der Reha-Klinik habe man einen bunten Strauß an Programmen für die Patientinnen und Patienten erarbeitet. Viele Betroffene kämen wegen Erschöpfungssymptomen in die Klinik nach Bad Berleburg. „Zum Stressabbau sind zunächst viel Bewegung und Entspannungstherapien essenziell“, so Weber. Außerdem werden technische Hilfsmittel wie Hörgeräte zur Kompensierung der Schwerhörigkeit von Fachärzten optimal auf die individuelle Symptomatik angepasst.
„Wir versuchen das Hörgerät einerseits ideal einzustellen und demonstrieren den Betroffenen darüber hinaus weiter Hilfsmittel, um ihnen das Leben zu erleichtern“, so die Chefärztin. Ein weiterer wichtiger Teil der Reha sei es, den Patientinnen und Patienten Strategien mit an die Hand geben, damit sie im Alltag besser zurechtkommen. Die Patinnen und Patienten der Chefärztin sind zwischen 30 und 50 Jahre alt. Ihre Abteilung verzeichne seit der Pandemie eine Zunahme: „Vielen Hörgeschädigten fällt es schwer, ihre Mitmenschen auf Abstand und mit Mundschutz zu verstehen.“
Menschen mit Hörschäden seien häufig überfordert, wenn viele Menschen in einem Raum querbeet miteinander sprechen. Gerade bei Altersschwerhörigkeit könne man Gesprächen zu zweit vielleicht noch gut folgen, aber bei einer größeren Personenanzahl werde das immer schwieriger.
Chefärztin aus Bad Berleburg klärt über gesundheitlichen Folgen auf
Besonders ab einem Alter von 50 Jahren nehme die Zahl an Schwerhörigen rapide zu. Die Gründe hierfür sind häufig altersbedingt“, erklärt Prof. Dr. Anette Weber. „Im Alter werden nicht nur die Augen, sondern eben auch die Ohren schlechter.“ Hörschäden können gesundheitliche, aber auch soziale Probleme verursachen. Der hohe Hörstress beim Zuhören versetzte Betroffene in Daueranspannung und erschöpfe sie. „Aufgrund der Kraftlosigkeit ziehen sich viele Menschen zurück und vereinsamen, weil es für sie einfach zu anstrengend ist zu kommunizieren.“ Das führe dazu, dass Betroffene depressiv werden.
„Wir wissen auf Grundlage von Forschungsdaten, dass Schwerhörigkeit einer der größten Risikofaktoren für eine Demenz-Erkrankung ist“, sagt Dr. Dirk Heinrich, Präsident des deutschen Berufsverbandes der Hals-Nasen-Ohrenärzte. Durch die Isolation bekomme das Gehirn immer weniger Informationen und schalte ab. „Es wird nicht mehr ausreichend gereizt – und desto weniger Reize ich habe, desto höher ist die Gefahr, dass einfach alle kognitiven Fähigkeiten nachlassen, die über das ganze Leben erworben wurden und man dement wird“, warnt auch Prof. Dr. Anette Weber. Außerdem sei der Gleichgewichtssinn bei Ohrschäden nicht mehr so ausgeprägt. Daher stürzen Betroffene häufiger. „Ein Hörscreening ab der Lebensmitte ist ein wichtiger Schritt, um Millionen Menschen ein gesundes Altern zu ermöglichen“, so Dr. Dirk Heinrich.
Ärzte appellieren für regelmäßigen Hörtest ab 50 Jahren
Die Gesamtzahl an Menschen mit einer Hörminderung in Deutschland sei nicht genau bekannt. Schätzungen gehen von circa 15 Millionen Personen bundesweit aus. Deshalb sei es dringend erforderlich, ein gesetzlich verpflichtendes Hörscreening für alle Menschen ab 50 Jahren in Deutschland einzuführen. „Ein vom Bundesausschuss beschlossenes und von den gesetzlichen Krankenkassen getragenes Hörtest ist die notwendige Antwort auf die Hörprobleme einer immer älter werdenden Bevölkerung“, betont der Präsident. Durch die Einbeziehung von HNO-Kliniken, könne den betroffenen Patientinnen und Patienten schnell und niedrigschwellig geholfen werden.
Auch Prof. Dr. Anette Weber hält die Einführung eines Früherkennungsprogramms für einen wichtigen Schritt, um die richtige Versorgung der betroffenen Personen zu gewährleisten und zugleich schweren Krankheiten vorzubeugen. Für sie nimmt die Gesellschaft wenig Rücksicht auf hörbeeinträchtigte Menschen. Bei vielen fehle das Verständnis. „Wenn mehr Leute mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie sie Brille tragen - auch Hörgerät tragen würden, dann ist das bald ab einem bestimmten Alter etwas völlig Normales.“
Welttag des Hörens:
• In der Reha-Klinik gibt es vier Hauptfachbereiche: Orthopädie, Neurologie, Psychosomatik und Hörstörungen. In das Gebäude ist eine HNO-Praxis integriert. Diese wird vom MVZ betrieben, aber die dort vorhandenen Geräte werden auch von den der Reha-Klinik benutzt.
• Die Praxis war kurzfristig geschlossen, da der zuständige Arzt erkrankt war. Ab nächster Woche ist sie wieder dauerhaft besetzt.
• Der Welttag des Hörens am 3. März hat das Motto: „WIR geHÖREN ZU dir!“ und steht unter der Schirmherrschaft des Bundesgesundheitsministeriums.
• Dieses Jahr dreht sich der Tag um alle Fachkräfte, die den Menschen zu mehr Hörgesundheit verhelfen.
Mehr Infos unter: www.welttag-des-hoerens.de