Banfe. Auf den Tag genau 80 Jahre nach der Deportation der jüdischen Familie aus Banfe enthüllen Nachfahren des einzigen Überlebenden einen Gedenkstein.
Ido Kanyon ist glücklich, auch wenn das an so einem bedeutenden Tag nicht jeder verstehen wird. „Es bedeutet mir und unserer Familie sehr viel, dass so viele Menschen gekommen sind, um meinem Großvater und seiner Familie zu gedenken.“ Kanyon ist aus Israel mit einer achtköpfigen Delegation eigens für diese besondere Gedenkfeier nach Banfe gekommen. Es ist eine Spurensuche in der Heimat seines Großvaters Simon Burg – des einzigen Familienmitgliedes, das den Holocaust überlebt hat.
Simon Burgs Töchter Nurit Kanyon und Edna Burg haben ihre Familien mit nach Deutschland genommen, um einen ganz besonderen Moment an einem besonderen Ort zu erleben. Mitten in Banfe an einer Eiche am Alten Markt, direkt unterhalb der evangelischen Kirche und einer wichtigen Kreuzung im Dorf, hat der Freundeskreis für christlich-jüdischen Zusammenarbeit einen Gedenkstein aufstellen lassen. Er erinnert an das schlimme Schicksal der einzigen jüdischen Familie in Banfe. Und dies geschah am Mittwoch an einem ganz besonderen Datum.
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In der Nacht vom 27. auf den 28. April erinnert ganz Israel an die sechs Millionen Juden, die während der Nazi-Herrschaft in Europa ermordet worden sind. In diesem Jahr fällt der Gedenktag ausgerechnet auf den Tag, an dem vor 80 Jahren Benjamin Burg, seine Frau Bertha, der gemeinsame Sohn Martin sowie Benjamins ledige Geschwister Josef und Bertha von zwei SA-Männern und einem Hilfspolizisten abgeholt wurden.
Dass Benjamin Burg Kriegsveteran aus dem 1. Weltkrieg, Mitglied im Kriegerverein und engagierter Sänger im Männergesangverein war, rettet ihn und seine Familie nicht. Direkt an der Eiche in der Ortsmitte wartete schon ein Bus. Mit dem fuhren die Burgs nach Laasphe. Und von dort fuhr ein Zug mit 47 weiteren Juden – Männer, Frauen und Kinder – nach Dortmund und weiter nach Polen. 62 Stunden dauerte die Fahrt, berichtet der Vorsitzende des Freundeskreises Rainer Becker – und stockt immer wieder, als er die Geschichte der Burgs erzählt. Das Schicksal geht ihm nahe wie allen in der Banfer Kirche, in der sich alle versammelt haben. Am Ende wartete der Tod. Nur von Benjamin Burg weiß man, dass er in Majdanek umgekommen sein soll. Die Spur der anderen verliert sich wie die aller Bad Laaspher Juden. „Keiner kam zurück“, weiß Becker.
Simon Burg hatte nie Rachegelüste
Umso erstaunlicher ist das Schicksal von Simon Burg, über das Enkelsohn Ido berichtete und das lange kein Thema in der Familie war. So hatte der Großvater wie so viele Überlebende geschwiegen. „Wir hatten eine stille Übereinkunft, dass wir nicht diskutieren, was in Deutschland passiert ist. Großvater war für uns kein Flüchtling, kein Kriegsheld.“ Erst nach und nach kommt viel ans Licht. Die Eltern schicken den 15-jährigen nach Palästina in Sicherheit. Sie selbst bleiben, und Simons Bruder Martin war noch zu jung.
In Israel lebt Simon im Kibbuz und kann als Sohn eines Viehhändlers und Landwirts mit seinen Fähigkeiten aus Banfe schnell Fuß in der Rinderzucht fassen. Als einer der wenigen Deutschen wird er als englischer Soldat rekrutiert und kommt 1945 sogar zurück nach Bad Laasphe, wo er von Tod seiner gesamten Familie erfährt. „Er trotzdem nie Rachegelüste gehabt“, berichtet Ido. Aber an seine Mutter, seinen Vater, Bruder und Onkel hat er viel gedacht, weil er in seinen Träumen nach ihnen gerufen habe, sagt Ido Kanyon. Dass nun ein Stein in Banfe an der Eiche an die Familie erinnert, hilft den Nachfahren – und hätte Simon Burg gefreut. Er starb 1995.
Zuvor in 1988 war er noch in Bad Laasphe zum 50-jährigen Gedenken an die Pogromnacht. Damals hatte Bürgermeister Otto Düsberg die aus Bad Laasphe vertriebenen, überlebenden Juden eingeladen. Daraus entstand 1991 der Freundeskreis christlich jüdische Zusammenarbeit.