Bad Berleburg/Bad Laasphe.
Wittgenstein mit seinen beiden Städten Bad Berleburg und Bad Laasphe symbolisiert das Idealbild der Flächenkommune: viel Natur, wenig zugebaut, definitiv nicht überbevölkert. Bad Berleburg ist – nach Schmallenberg – mit seinen 275 Quadratkilometern Fläche die zweitgrößte Stadt in Nordrhein-Westfalen. Und Bad Laasphe ist mit seinen 136 Quadratkilometern Stadtgebiet immerhin noch gut halb so groß. Bei rund 19 500 Bad Berleburgern macht das eine Bevölkerungsdichte von 71 Menschen pro Quadratkilometer. Bad Laasphe zählt rund 14 000 Einwohner. Das macht dann rund 103 Menschen pro Quadratkilometer. Um diese Bevölkerungsdichte besser einschätzen zu können, hier ein paar Vergleichszahlen: Nach einer Landesstatistik aus dem Jahr 2011 leben in der Stadt Essen rund 2692 Menschen pro Quadratkilometer. Auf das gesamte Land NRW bezogen sind es durchschnittlich 514 Einwohner. Im Schnitt liegt die Einwohnerdichte in ganz Deutschland bei 225 Einwohnern je Quadratkilometer.
Was auf den ersten Blick positiv wirkt, weil jeder Wittgensteiner viel Platz hat, bedeutet aber auch, dass Kommunen wie Bad Berleburg und Bad Laasphe wegen ihrer Zersiedlung über extrem viel Infrastruktur für wenig Menschen verfügen.
Zersiedlung ist das Problem
Straßen, Wirtschaftswege, Kanalnetze, Wasserleitungen und öffentliche Gebäude müssen unterhalten werden. Das kostet Geld; im Pro-Kopf-Kosten-Verhältnis sogar mehr als in größeren Kommunen.
Was bislang durch zumeist stetig gestiegene Aufwendungen finanziert werden konnte, rückt vor dem Hintergrund des demographischen Wandels in den Fokus der Politik und der Verwaltungen. Wittgenstein wird von unterschiedlichen Demoskopen ein Bevölkerungsschwund zwischen 10 und 15 Prozent bis zum Jahr 2030 vorhergesagt. Das entspricht im schlimmsten Fall etwa einem Rückgang um 6000 Menschen – salopp formuliert: einer Größenordnung vergleichbar der Einwohnerzahl Erndtebrücks. Zugleich wird die Zahl der Wittgensteiner, die 65 Jahre und älter sind, um 22 Prozent zunehmen.
Ungünstige Alterspyramide
Für die Lastenverteilung heißt das ganz eindeutig, dass eine geringere Zahl an Einwohnern – zudem eine größere Zahl an Ruheständlern – sich die Kosten für diese Infrastruktur teilen müssen. Hinzu kommt, dass Erhalt und Unterhalt etwa von Gebäuden bei zunehmendem Alter der Infrastruktur teurer werden wird. Das sind keine rosigen Zukunftsaussichten.
Sowohl in Bad Berleburg als auch in Bad Laasphe gibt es aber bereits positive Ansätze. Das viel und sehr kontrovers diskutierte Leitbild der Stadt Bad Berleburg, das Verwaltung, Politik und Bürger gemeinsam erarbeitet haben, zielt auf Haushaltskonsolidierung und die Verringerung der Lasten für alle Bürger. Bürgermeister Bernd Fuhrmann beschreibt diesen langfristigen strukturellen Prozess mit drei Säulen: „Erstens: Wir müssen uns fragen, was ist zwingend notwendig. Dann gibt es eine Zeitplanung, jährlich fünf Gebäude zu verkaufen oder in andere Strukturen zu überführen. Und drittens: Was ist im Sinne der städtischen Entwicklung? Wir wollen und dürfen Gebäude nicht verramschen oder für einen symbolischen Euro verkaufen.“
Gespräche mit den Bürgern
In Bad Laasphe läuft mit dem Gebäudemanagent ein ähnlicher Prozess, bei dem es nicht darum geht, sich schnellstmöglich von Infrastruktur oder Gebäuden zu trennen. „Wir binden zum Beispiel die Ortsteile mit ein und fragen: Könnt Ihr Euch die Übernahme eines Dorfgemeinschaftshauses vorstellen?“, erläutert der Beigeordnete und Kämmerer Dieter Kasper. Der Hintergrund ist einfach: „Finanziere ich das Dorfgemeinschaftshaus über Steuern, zahlen alle Bürger der Stadt – auch die, die nichts davon haben.“ Wenn aber ein Ort signalisiere, dass die Dorfgemeinschaft bereit sei, ein Gebäude in ihre Trägerschaft zu übernehmen, werde die Stadt das weiterhin mit einem Sockelbeitrag unterstützen. Wichtig ist Kasper ein vernunftgesteuerter Prozess. Als positives Beispiel für eine gemeinsame städtische Entwicklung nennt er den Umbau der Sportstätten im Stadtgebiet. „Da haben alle an einem Strang gezogen“, so der Kämmerer.
Positive Beispiele
Auch Bad Berleburg kann bereits einige positive Beispiele vorzeigen. Bernd Fuhrmann nennt das Dorfgemeinschaftshaus in Rinthe und die Übergabe von Sportheimen in die Verantwortung der Vereine sowie die Vermietung der Salzmannschule als langfristigen Standort des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Oder die heiß diskutierte Aufgabe des Museums am Goetheplatz, das jetzt Hotel ist. „So haben wir auch den Weg für städteplanerische Neuerungen frei gemacht“, so Fuhrmann. Wichtig sei es, den Haushalt langfristig zu entlasten: „Mit den frei werdenden Mitteln können wir andere im Leitbild gewünschte Schwerpunkte setzen und finanzieren“, sagt Fuhrmann und nennt die energetische Sanierung des Johannes-Althusius-Gymnasiums.
Aber die einfach anmutende Idee von der Vermarktung leerstehender oder nicht mehr benötigter Immobilien hat auch ihre Tücken, wie die ehemaligen Grundschulgebäude in Girkhausen oder die leerstehende Hauptschule in Bad Laasphe. „Diese städtischen Gebäude sind fast alle Spezialimmobilien“, wirft Bernd Fuhrmann ein. Die einer neuen Nutzung zuzuführen ist eben nicht einfach.