Bad Berleburg. Der Nightclub L’Amour ist erneut geschlossen. Ein sehr persönliches Gespräch mit der Inhaberin Selly Struth.
Seit dem 2. November stehen wieder viele Menschen vor der Frage: Wie geht es weiter? So auch Selly (mit bürgerlichen Namen Jürgen Struth) – seit dem 15. April 2012 betreibt sie den Nightclub L’amour in der Emil-Wolff-Straße in Bad Berleburg. Im September konnte sie nach monatelanger Pause das Bordell wieder öffnen – jedoch nur für wenige Wochen. Dann kam der Lockdown „light“ und wieder einmal heißt es warten. Darauf, wie es in den kommenden Wochen für sie und die Frauen weiter geht. Bis dahin kümmert sich die 65-Jährige im Körper eines Mannes unter anderem um die Arbeiten, die in den vergangenen Wochen liegen geblieben sind.
Die Anfänge
Dabei wurde Selly zufällig Chefin des Clubs. „Ich fuhr nach meiner Scheidung zu einem Bekannten hier nach Bad Berleburg. Er sagte mir, dass dieses Haus leer steht und ich es übernehmen könnte.“ Und so kam es auch. Nach dem Tod des Vorbesitzers übernahm Selly dann auch den Club. „Das war völliges Neuland für mich. Meine Angestellte hat mich dabei sehr unterstützt und mir gezeigt, worauf ich achten muss – beispielsweise beim Einkaufen“, sagt sie.
Denn eigentlich ist Selly staatlich geprüfter Kosmetiker. „Ich habe schon einige Frauen für den Laufsteg geschminkt.“ Manchmal vermisst sie dies sogar ein wenig. Bereut aber hat sie den Schritt damals nicht, auch wenn der Anfang schwer war. „Da ich selbst nur 65 Kilogramm wiege, wusste ich zu Beginn nicht, wie ich mich in kritischen Situationen verhalten sollte. Durch eine Behörde habe ich dann mitgeteilt bekommen, dass ich das Hausrecht habe und ich entscheide, wer in den Club kommt und wer nicht. Seitdem ist auch Ruhe hier.“ Mittlerweile fühlt sich Selly in ihrer neuen Heimat sehr wohl. „Ich möchte auch gar nicht mehr hier weg“, sagt sie. Negatives über seinen Club hört die 65-Jährige nur sehr selten. „Eher im Gegenteil. Viele Menschen finden es okay, es wäre nur schöner, wenn der Club etwas weiter außerhalb der Stadt wäre. Das fände auch ich gar nicht schlecht, allein wegen der Parkplätze.“ Doch wie wurde aus Jürgen Struth eigentlich Selly?
„Meine damalige Frau fragte mich eines Tages, ob sie mich einmal schminken könne. Irgendwann sagte ich ja, zog Strümpfe und einen Rock an. Ich fühlte mich richtig wohl.“ Heute liebt es Selly, Kleider und Röcke zu tragen. „Ich fühle mich als Frau.“ So entwickelte sich die Transsexualität. Im kommenden Jahr soll dann eine Brust-OP folgen. Zudem soll auch bald der Name umgeändert werden – von Jürgen Struth zu Selly Struth.
Der Lockdown
Auf die Gäste im Club müssen Selly und ihre Frauen aktuell verzichten. Wirklich verstehen kann sie den zweiten Lockdown aber nicht. „Die Gewerbeaufsicht und das Gesundheitsamt waren hier und haben festgestellt, dass das Infektionsrisiko hier sehr gering ist. Ich habe ja hier keine 20 Mann gleichzeitig im Club.“ Im Vergleich zum ersten Lockdown aber, ist der zweite ein wenig leichter. „Den ersten Lockdown habe ich akzeptiert, aber es war schwer, weil man nicht wusste, wann und wie es weitergeht.“
Doch auch beim zweiten Lockdown steht sie in der Schwebe. „Wir wissen nicht, ob er nicht doch verlängert wird.“ Und wie sieht es mit der Unterstützung aus? „Die Politik macht schon viel für uns Solo-Selbstständige. Aber, ich habe auch gehört, dass sie viele hängen lässt. Für viele Frauen war der erste Lockdown wie ein Berufsverbot.“ Daher wird auch bei ihr im Club viel miteinander gesprochen. „Wir sind wie eine große Familie, die zusammenhält. Wir machen auch privat vieles gemeinsam.“ Und die Kunden? „Die rufen täglich an und möchten wissen, wie es weitergeht.“ Eine Frage, die derzeit viele Menschen – auch in Wittgenstein – beschäftigt. Für Selly und ihre Angestellten eine ungewisse Zeit.