Wittgenstein.. Alle größeren Säugetiere, insbesondere aber das Schalenwild vom Reh über den Hirsch bis hin zum Wildschwein oder Wisent, zehren im Winter von den Fettreserven, die sie im Sommer aufgebaut haben. Was das bedeutet, lesen Sie hier.


Lange bevor es richtig frostig kalt und winterlich weiß wird, haben sich die meisten wild lebenden Tiere auf die veränderten Lebensbedingungen eingestellt und angepasst: Etwa um Novembermitte sind die letzten Igel in ihren Unterschlupf gezogen, um Winterschlaf zu halten; das Große Wiesel kommt bereits im weißen Kleid daher und heißt jetzt Hermelin; alle unsere pflanzenfressenden Säugetiere vom kleinen Reh bis zum mächtigen Wisent haben den Haarwechsel vollzogen und tragen jetzt – wie es die Jäger blumig-griffig ausdrücken – ihre Winterdecke. Auch Fuchs und Has, genau wie Dachs und Eichhörnchen wirken aufgrund ihres voluminösen Winterbalges dicker, runder und „warm verpackt“.

Diese jahreszeitlichen Anpassungen werden weder von der Temperatur noch vom Klimawandel, sondern allein von der Tageslänge gesteuert, sie sind seit Jahrmillionen gleich und somit kommen die Wildtiere mit den Veränderungen der Lebensbedingungen in der Regel gut zurecht.

Alle größeren Säugetiere, insbesondere aber das Schalenwild vom Reh über den Hirsch bis hin zum Wildschwein oder Wisent, zehren im Winter von den Fettreserven, die sie im Sommer aufgebaut haben. Das „Leben auf Sparflamme“, also das Umschalten von einem reservenaufbauenden Stoffwechsel im Sommer, auf einen abbauenden Stoffwechsel im Winter führt insbesondere bei den reinen Pflanzenfressern zu einer etwa 50-prozentigen geringeren Futteraufnahme. Wildtiere haben im Winter weniger Appetit und Hunger. Mit diesem winterlichen „Energiesparmodus“ reichen die Reserven unserer Wildtiere jedoch bei reduzierten Verbrauch bis ins Frühjahr und auch nur dann, wenn niedere Körpertemperaturen, weniger Bewegung, und längere Wiederkäuerzeiten sichergestellt werden können.

Verdauung auf Winterkost gestellt

Im Winter gibt es für Pflanzenfresser aber nicht nur weniger, sondern auch qualitativ schlechtere Nahrung, das heißt, dass die Nahrung mittels längerer Darmpassage auch intensiver aufgeschlossen wird. Und im Umkehrschluss bedeutet dies, dass der auf karge Winterkost eingestellte Verdauungstrakt der Wiederkäuer bei falscher, sprich zu leicht verdaulicher Kost durch falsches Zufüttern nicht umgehen kann und die Tiere krank werden.

In besonders kalten Winternächten fallen pflanzenfressende Säuger, insbesondere das Rotwild, wie Wildforscher herausgefunden haben, in einen energiesparenden Zustand, der den physiologischen Vorgängen beim echten Winterschlaf – etwa dem beim Igel – entspricht.

Diese seit Jahrmillionen bewährte Überlebensstrategie im Winter könnte in dicht besiedelter Kulturlandschaft leicht aus den Fugen geraten, mit tödlichen Folgen für unsere Wildtiere, denn sie funktioniert nur, wenn wir Menschen, egal ob als Waldwanderer, Jogger, Skifahrer oder Jäger dem Wild jene „Winterruhe“ gönnen, die sie zum Überleben brauchen. Mehr noch: Wer das Wild im Winter durch den Wald scheucht, also nach Weihnachten bis weit in den Januar hinein noch Bewegungsjagden veranstaltet, muss sogar mit erhöhten Wildschäden rechnen. Denn aufgescheuchtes Wild schaltet augenblicklich von Spar- und Ruhe auf Fluchtmodus um, was nicht nur erhöhten Stoffwechsel und ein Hochfahren der Körpertemperatur, sondern auch erhöhten Energiebedarf durch Zuführung von Nahrung zur Folge hat. Die Schweiz hat diese Erkenntnisse schon vor Jahren im Kanton Graubünden umgesetzt und Winterruhezonen mit einem absoluten Betretungsverbot eingerichtet mit der Folge, dass auch bei hoher Wilddichte kaum Wildschaden, insbesondere Schälschaden an Bäumen auftrat.

Gewöhnung ab November

Wer Rehwild und anderes Schalenwild füttert, muss frühzeitig, schon im November mit der Gewöhnungfütterung anfangen und darf nicht im Februar wieder aufhören, sondern muss bis zum Ende des Winters mit eiweißarmer und faserreicher Nahrung durchfüttern, sonst droht der Tod durch Verhungern.