Berghausen. Die Bürgermeister-Kandidatin der UWG Bad Berleburg hat eine ganze Palette mit Zielen. In den Blick nimmt sie vor allem Wirtschaft und Tourismus.
Die Entscheidung der UWG fiel spät, aber nicht zu spät: Marion Linde kandidiert in Bad Berleburg als Bürgermeisterin. Anfang Juli erst stellte Ehemann Horst Günter Linde, Fraktionsvorsitzender der UWG im Bad Berleburger Rat, seine Frau als Kandidatin vor. Im Interview mit unserer Redaktion verrät die 54-Jährige aber noch mehr von sich – als Politikerin und Natur-Mensch.
Wie kam es zur Bewerbung für Ihre Kandidatur?
Meine Entscheidung zur Kandidatur fiel in dem Moment, als in der Zeitung stand, dass die SPD keinen eigenen Kandidaten aufstellt. Die politische Spannbreite zwischen Bernd Fuhrmann und Oliver Junker-Matthes ist einfach zu groß. Dieses Vakuum dazwischen will ich ausfüllen, damit die Wähler eine Wahl haben.
Was missfällt Ihnen in der aktuellen Politik besonders?
Dass nicht alle politischen Kräfte an Entscheidungen und Prozessen beteiligt werden. zum Beispiel in der BLB-Tourismus GmbH oder im Zweckverband Region Wittgenstein. Diese Gremien sind nur von SPD und CDU besetzt.
Welches ist derzeit aus Ihrer Sicht „das ganz heiße Thema“?
Die Straßenausbau-Gebühren nach KAG und die Windkraft. Rückwirkend ist es der Goetheplatz.
Was ist Ihr wichtigstes Ziel als Bürgermeisterin? Warum?
Es gibt nicht nur ein wichtiges Ziel, sondern definitiv mehrere. Aber alle sind nicht umzusetzen, wenn der finanzielle Spielraum nicht gegeben ist. Warum? Ein Thema wird alle Bürgermeister in ihrem Amt begleiten: Covid 19. Dieses winzige Virus wirkt sich elementar auf allen Ebenen unseres Lebens aus – nicht nur jetzt, sondern auch für die nahe Zukunft. Neben den Maßnahmen für den gesundheitlichen Schutz wird es eine wichtige Aufgabe sein, den finanziellen Spielraum nicht zu verlieren. Das heißt für mich, ich will
den Gesundheitsstandort Bad Berleburg festigen
das Markenzeichen „Erholungsgebiet“ für Bad Berleburg
mit einer Reflexion auf die Coronazeit Ansiedlung von jungen Familien forcieren – nach dem Motto „Aus der Stadt raus ins Grüne“
ein vernünftiges Einzelhandelskonzept, um dem Leerstand in der Stadt entgegenzuwirken. Es ist teilweise ein stilles Laden-Sterben.
Wirtschaftsförderung, um Bad Berleburg als Arbeitsstandort weiterhin attraktiv zu halten.
Auf welche Weise möchten Sie Ihre Ziele umsetzen?
Wichtige Instrumente oder Werkzeuge sind unter anderem der Unternehmer-Tisch, vor allem aber Kommunikation und Vernetzung mit allen Branchen – sei es die Industrie, das Handwerk, die Bauern, Waldverbände, Einzelhandel, Touristik, Gesundheitswesen. Es ist mir wichtig, dass nicht jede Branche nur für sich betrachtet und bewertet wird, sondern im Konsens mit den anderen zu sehen ist – und die daraus resultierenden Wechselwirkungen eine Dynamik entwickeln. Beispiel Fachkräfte, sei es für den Bereich der Industrie, des Handwerks, im Gesundheitswesen oder in der Gastronomie: Da gilt es, eine so einmalige Aufenthaltsqualität in Bad Berleburg zu bieten, dass man nur hier arbeiten und wohnen will.
Um nochmal auf die Auswirkungen der Corona-Zeit zu kommen: Wie möchten Sie da der Wirtschaft unter die Arme greifen?
Die Gewerbesteuer ist gestundet, um die Unternehmen in dieser schwierigen Zeit zu entlasten. Dies bedeutet für die Stadt: weniger Einnahmen, weniger Spielraum zum Handeln. Bund und Land stellen zum Ausgleich Gelder zur Verfügung. Das heißt für mich: Direkt nach der Wahl gibt es kein halbes Jahr Leerlauf, sondern: ‘ran an die Töpfe und Unternehmergespräche führen!
Mit welchem Slogan würden Sie sich selbst als Kandidatin den Wählern verkaufen?
Die Zukunft ist weiblich.
Weshalb fühlen gerade Sie sich für das Bürgermeister-Amt gut vorbereitet?
Ich habe eine breite berufliche Vita. Ich habe immer Verantwortung übernommen, sei es im Team als Führungskraft oder Mitarbeiter. Ich bin eine Macherin und immer schon engagiert in der Gesellschaft gewesen von klein auf. Dass ich nicht aus der Verwaltung komme, sehe ich nicht als Manko, sondern als Vorteil. Meine Aufgabe ist es, das „Unternehmen Stadt Bad Berleburg“ gut zu führen. Trainer Jürgen Klopp ist mit Liverpool nicht englischer Meister geworden, weil er so gut spielt, sondern weil er so gut motiviert und führt.
Wie sieht der Clou, die Besonderheit Ihres Wahlkampfes aus?
Haha. (lacht)
Rechnen Sie sich Ihre Wahlchancen aus. Zu welchem realistischen Ergebnis kommen Sie?
Alle Kandidaten wollen in die Stichwahl, außer einem. Wenn die Bürger nach 16 Jahren Bernd Fuhrmann den Wechsel wollen, stehe ich bereit.
Sie kennen die Ergebnisse unseres „Heimat-Checks“. Was hat Sie daran am meisten schockiert?
Das Thema Nahverkehr hat mich dahingehend aufgeregt, dass diese Problematik nicht neu ist und jedes Jahr zu schlechten Bewertungen führt. Und der Landrat ist ein Hauptverantwortlicher. Es schockiert mich, dass schon wieder Wahlplakate von ihm aushängen mit dem Versprechen „Besserer ÖPNV“. Diese Wahlversprechen hingen schon 2014 in Bad Berleburg. In Berghausen bin ich zum Beispiel direkt betroffen. Bis 2018 gab es die Linie L 196 – das war die Buslinie zwischen Bad Berleburg und Wingeshausen mit Weiterführung über das Wisent-Gehege bis nach Schmallenberg. Heute besteht diese leider nur noch als Anschlusslinie vom Bahnhof Aue nach Wingeshausen.
Vier ganz persönliche Fragen
Wie würden Sie Ihre Kommune einem vollkommen Ortsfremden in einem Satz beschreiben?
Unser Bad Berleburg ist eingebettet in einer einmaligen Landschaft mit einer facettenreichen Tier- und Pflanzenwelt, liebevollen Menschen, die nicht nur gerne feiern, sondern auch kräftig anpacken, ihren Nachbarn helfen – und hier zu wohnen, ist ein Privileg.
Worüber haben Sie zuletzt herzlich gelacht?
Haha, etwa über die Interview-Frage nach dem Clou meines Wahlkampfes.
Und was bringt Sie echt zum Weinen?
Weinen? Nein. Ärgern? Ja. Und zwar über das Thema Windkraft – dass der Kreis Siegen-Wittgenstein Entscheidungen der Stadt Bad Berleburg aufhebt, ohne mit der Stadt zu sprechen. Dies gehört sich in der kommunalen Familie nicht. Vor allem, da die Auswirkungen zurzeit nicht absehbar sind und somit die Stadt gezwungen worden ist, den Kreis zu verklagen.
Nennen Sie drei Dinge, die Sie in Ihrem Leben noch unbedingt gemacht haben wollen!
Erstens: Bürgermeister werden. Zweitens: einen Mega-Zipline-Flug – also per Seilrutsche in Bauchlage – über die Rappbode-Talsperre in Elbingerode im Harz. Und drittens: Akkordeonspielen lernen.