Wittgenstein. Beim Großteil der registrierten Verkehrsunfälle verunglücken Autofahrer, gefolgt von Motorradfahrern. Hauptunfallursache: Zu hohes Tempo.
Gute Nachricht vorweg: Der Altkreis Wittgenstein war zumindest 2019 keine Region mit übermäßig hohem Unfallgeschehen im Straßenverkehr. Die Zahl der Verkehrsunfälle sank im Vergleich zum Vorjahr 2018 von 170 auf 137, die Zahl der Verkehrstoten von drei auf einen. Allerdings stieg die Zahl der Unfälle im Stadtgebiet Bad Laasphe allein ebenso wie die Zahl verunglückter Personen.
Während Bad Laasphe mit diesem Ergebnis auf Rang 206 eher im Mittelfeld der NRW-Unfallstatistik liegt, rangieren Bad Berleburg und Erndtebrück mit den Plätzen 329 und 336 ganz hinten in der Liste der 396 NRW-Kommunen. Die im Unfallatlas der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder visualisierten Daten stammen aus der Statistik der Straßenverkehrsunfälle, die wiederum auf den Meldungen der Polizei basieren.
Die letzten fünf Jahre
Im Vergleich der vergangenen fünf Jahre von 2015 bis 2019 zeigt sich in Wittgenstein: Die jährliche Zahl der Unfälle schwankt leicht, ist aber gerade 2019 leicht rückläufig. Beim Großteil der Unfälle verunglücken Autofahrer, gefolgt von Motorradfahrern. Hauptunfallursachen sind zu hohes Tempo, Fehler beim Abbiegen, Wenden oder Rückwärtsfahren sowie missachtete Vorfahrt, aber auch zu geringer Abstand. In Einzelfällen flüchtet der Unfallverursacher.
Die Streckenabschnitte
Der Blick auf die Wittgensteiner Karte zeigt für 2019 meist Streckenabschnitte, auf denen sich nur einzelne Unfälle mit Verletzten oder Toten ereignet haben. Konkrete Unfallhäufungspunkte zeigen sich dabei nicht. Betroffen sind naturgemäß meist die Hauptverkehrsachsen zwischen Bad Laasphe, Bad Berleburg und dem Erndtebrücker Kernort sowie die Landstraßen durch größere Ortschaften wie Aue-Wingeshausen, Feudingen oder Banfe. Dabei geht es im Übrigen nur um Unfälle, zu denen auch die Polizei gerufen wurde.
Die Motorrad-Unfälle
Mit gut einem halben Dutzend Motorrad-Unfällen ragt die Bundesstraße B 236 zwischen Oberkirchen und dem Albrechtsplatz heraus: Hier gab es laut Statistik vergangenes Jahr mehrere Leicht- und Schwerverletzte – und gleich zwei Motorrad-Unfälle in einer einzigen scharfen Kurve bei Vorwald. Bei zwei Motorrad-Unfällen im weiteren Verlauf des Abschnitts gab es auch Tote, in einem Fall starb außerdem ein Lkw-Fahrer.
Immerhin zwei bis drei Unfälle mit Motorrad-Beteiligung registriert der Atlas auf der B 480 zwischen Wemlighausen und der Bad Berleburger Kernstadt, auf der B 62 zwischen der Leimstruth und Holzhausen sowie zwischen Saßmannshausen und der Bad Laaspher Kernstadt, aber auch auf der L 553 von Röspe über den Rhein-Weser-Turm nach Oberhundem und auf der L 719 zwischen der Eisenstraße und Nenkersdorf.
Die Lkw-Unfälle
Unfälle mit Lkw-Beteiligung waren 2019 dagegen eher selten in Wittgenstein. Konkret verzeichnet: vier Unfälle in einer gefährlichen Kurve auf der B 62 zwischen Leimstruth und Holzhausen, auf der L 903 von Richstein übers Didoll nach Puderbach, auf der Sieg-Lahn-Straße (L 719) in Höhe Einmündung „Im Brühl“ sowie auf der L 718 zwischen Banfe und Fischelbach nahe dem Forsthaus Burg. Und an den ersten beiden Unfällen waren außerdem Motorräder beteiligt.
Die Fahrrad-Unfälle
Die meisten Unfälle mit Radfahrern, bei denen es nicht selten Verletzte gab, haben sich offensichtlich in der Bad Berleburger Kernstadt ereignet: je einer auf der Trufterhainstraße, auf der Bahnhofstraße in Höhe Hit-Markt, in der Mühlwiese, auf der Poststraße Nähe Sparkasse, auf der Limburgstraße Höhe Lidl-Parkplatz und zwei im Bereich des sogenannten Wisent-Kreisels Emil-Wolff-Straße/Limburgstraße/Schulstraße. Dokumentiert sind aber auch Rad-Unfälle in den Ortschaften Wingeshausen, Birkefehl und Feudingerhütte, auf der L 903 übers Didoll und im Birkenweg, Kernort Erndtebrück.
Die Auto-Unfälle
Die zahlreichen Unfälle, an denen 2019 in Wittgenstein Autos beteiligt waren, verteilen sich über den gesamten Altkreis. Eine gewisse Häufigkeit zeigt sich laut Karte auf der Sieg-Lahn-Straße durch Feudingen – mit Hinweis auf zwei Unfälle vor und hinter dem Bahnübergang.
Zwei Unfälle an nur einer einzigen Stelle haben sich vergangenes Jahr im benachbarten hessischen Oberdieten ereignet – und zwar auf der Kreuzung der B 253 mit der Straße „Im Süßacker“ und der L 3331. Dabei wurden Autofahrer jeweils leicht verletzt
Interview: Immer öfter Motorrad-Unfälle auch auf kleinen Kreisstraßen
Wie sind die aktuellen Unfallzahlen zu bewerten? Dazu im Interview mit unserer Redaktion: Polizeihauptkommissar Stefan Pusch, in der Kreispolizeibehörde Siegen-Wittgenstein, Direktion Verkehr, Leiter der Führungsstelle.
Drastische Unfallhäufungsstellen scheint es laut Verkehrsunfall-Atlas auf den Straßen Wittgensteins nicht zu geben. Zieht die Polizei dennoch Konsequenzen daraus?
Stefan Pusch: Die Daten des Unfallatlas stammen aus der Verkehrsunfallstatistik, deren Daten die Polizei einpflegt. Aktuell gibt es zwei Unfallhäufungsstellen im Altkreis Wittgenstein, die in der Bearbeitung sind. Bei einer Stelle handelt es sich um einen Kreuzungsbereich (Bundesstraße B 62/Kreisstraße K 45, Schameder), der baulich umgestaltet werden soll. Bei der zweiten Stelle handelt es sich um eine Unfallkurve im Bereich der L 717 zwischen Bad Berleburg und Diedenshausen – hier erfolgt eine entsprechende Beschilderung. Flankiert werden solche Maßnahmen in der Regel mit einer Verkehrsüberwachung durch die Polizei. Gleichwohl wertet die Polizei auch unterhalb einer Unfallhäufungsstelle die Daten aus, um Rückschlüsse aus dem Unfallgeschehen zu erhalten.
Auffällig ist die Häufigkeit schwerer Motorrad-Unfälle, etwa im Bereich Albrechtsplatz sowie auf der B 62 zwischen der Leimstruth und Holzhausen. Lassen sie sich durch geeignete Maßnahmen weiter eindämmen?
Positiv war die Entwicklung insofern, als dass im Jahr 2018 noch drei Motorradfahrer in Wittgenstein tödlich verunglückten. Im Jahr 2019 gab es keinen tödlich verunglückten Kradfahrer. Mit Blick auf die Analysewerkzeuge kann man sehen, dass es „die“ eine Problemstrecke nicht mehr gibt.
Und wie kommt das?
Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass weniger die jungen sogenannten High-Risk-Fahrer die Unfallzahlen bestimmen, sondern vielmehr die Touristikfahrer. Die Topografie und die Straßennetze im Kreisgebiet bieten landschaftlich viele reizvolle Touren – und die Datenmobilität sorgt für einen entsprechenden Bekanntheitsgrad der Strecken. Einen Geheimtipp gibt es somit schon lange nicht mehr. Die Verlagerung ab von den ursprünglichen Hauptrouten hin zu den zum Teil kleinen Kreisstraßen führt ungeübte Fahrer schnell an ihre Grenzen.
So sind Motorradunfälle im Bereich B 480 (Albrechtsplatz) im letzten Jahr rückläufig, während sie in anderen Bereichen (zum Beispiel B 62 Bad Laasphe – Leimstruth, 2019 insgesamt drei schwer- und ein leichtverletzter Motorradfahrer) angestiegen sind. Gerade in dem zuletzt aufgeführten Streckenabschnitt kam es bedauerlicherweise vermehrt zu Motorrad-Unfällen mit dem Gegenverkehr, so dass hier die Unfallfolgen im Regelfall auch gravierender waren.
Was sind konkret die drei häufigsten Unfallursachen auf Wittgensteins Straßen?
Geschwindigkeit, Vorfahrt, Abbiegen/Rückwärtsfahren. Auch bei Vorfahrts-/Abbiegeunfällen wird immer wieder auch die nicht angepasste Geschwindigkeit eine Rolle spielen, dies ist aber von der Beweisführung her oftmals sehr schwierig. Aus Sicht der Polizei ist daher Geschwindigkeit die Hauptursache Nr. 1 für schwere Verkehrsunfälle.
Zu hohem Tempo als besonders gefährliche Unfallursache kann mit Kontrollen entgegengewirkt werden. Wie sieht es bei den anderen Ursachen aus, etwa riskantes Überholen, missachtete Vorfahrt/missachteter Vorrang für Fußgänger, Alkohol am Steuer?
Auch hier gilt: schwerpunktmäßige Überwachung Kreuzungen/Einmündungen/Rotlicht; Fußgängerüberwege, Verkehrskontrollen mit Überprüfung der Fahrtauglichkeit (Alkohol, Betäubungsmittel, Medikamente).
Auch für Wittgenstein wird derzeit ein neues, kreisweites Radwegekonzept diskutiert. Was lässt sich hier aus Sicht der Polizei verbessern?
Die Polizei ist in entsprechenden Arbeitskreisen oder bei konkreten Baumaßnahmen im Rahmen der Anhörung beteiligt. Im Rahmen der polizeilichen Beteiligung fließen Stellungnahmen zu Verkehrssicherheitsaspekten mit ein.
Welche Rolle spielen Glätte-Unfälle in oft winterlichen Wittgenstein?
Durch die topografische Lage Wittgensteins spielt der Winter bei Verkehrsunfällen eine größere Rolle als in NRW sonst üblich. In eine detaillierte Unfallstatistik fließen nur bestimmte Verkehrsunfälle ein. Reine Bagatellunfälle, die ohne oder mit Verwarnungsgeld geahndet werden, fließen zum Beispiel nicht in die detaillierte Erfassung rein. Dies macht aber den Großteil aller Unfälle aus. Eine Auswertung aller Verkehrsunfälle mit Personenschäden im Jahr 2019 für Wittgenstein ergab, dass bei 87 Verkehrsunfällen in acht Fällen eine winterglatte Straße eine Rolle spielte.
Mit Stefan Pusch sprach Eberhard Demtröder.