Bad Berleburg/Siegen.. Ina Acksel leitet eine Physiotherapieschule. Im Interview erzählt sie, warum sie sich gegen den Standort Raumland und für Siegen entschieden hat.
Die Perspektiven der Physiotherapeuten müssen sich drastisch verbessern, dringend – zumindest wenn es nach der CDU Siegen-Wittgenstein geht. Deren gesundheitspolitischer Arbeitskreis war kürzlich in der DAA-Schule für Physiotherapie in Siegen, um sich über die Ausbildung und spätere Berufschancen zu informieren. Der Tenor: Es muss sich etwas ändern. Finanziell, sozial und gesellschaftlich.
Ina Acksel, Inhaberin und Schulleiterin der gleichnamigen Fachschule für Physiotherapie, kommt ursprünglich aus Bad Berleburg. Bereits im April 2015 ist Ina Acksel mit ihrer Physiotherapieschule von Raumland nach Siegen umgezogen; im Juni 2017 eröffnete sie zusätzlich eine Physiotherapiepraxis. Im Interview erzählt sie, wieso sie sich bewusst für den Standort Siegen entschieden hat, wie der Fachkräftemangel aufgefangen werden könnte und warum Akademisierung sowohl Chance als auch Risiko ist.
Warum sind Sie mit Ihrer Physiotherapiepraxis und -schule nach Siegen gegangen?
Ich war damals auf der Suche nach neuen Räumen für die Schule – und nach reiflicher Überlegung über die Entwicklung des Gesundheits-Standortes Bad Berleburg, habe ich mich für Siegen entschieden. Siegen möchte sich weiter entwickeln und wir sind sehr froh über den sehr guten und verkehrsangebundenen Standort.
Abgesehen von der Infrastruktur in Wittgenstein: Die CDU Siegen-Wittgenstein kritisiert auch die schlechten ökonomischen Aussichten, mangelnde Perspektiven und hinkende Bürokratie. Können Sie diese Vorwürfe aus eigener Erfahrung bestätigen?
Nur bedingt. Tatsächlich sieht es für die Physiotherapie zur Zeit so gut aus, wie schon lange nicht mehr. Aber natürlich ist auch der Fachkräftemangel in der Physiotherapie zu spüren.
Wir bekommen ständig Anfragen nach Absolventen von Praxen und Krankenhäusern, die Physiotherapeuten suchen. Die Entwicklung auf dem Markt – gerade auch berufspolitisch – läuft tatsächlich etwas langsam. Doch es tut sich was und das ist für die Zukunftsaussichten in der Physiotherapie sehr gut.
Wie ist die Ausbildung zum staatlich anerkannten Physiotherapeuten strukturiert?
Die dreijährige Ausbildung findet an einer Fachschule statt. Es gibt einen theoretischen und einen praktischen Teil. Bei uns finden das erste und zweite Semester an der Schule statt, das dritte Semester in Kliniken oder Praxen, das vierte und fünfte Semester wieder in der Fachschule und das sechste Semester in der Klinik oder Praxis. Danach wird die Ausbildung mit dem Staatsexamen abgeschlossen.
Wie verhält sich das Lohnniveau im Vergleich zu anderen Ausbildungsberufen? Müsste es da Verbesserungen geben?
Die Löhne haben steigende Tendenz. Aber: Sie dürfen auch gerne weiter ansteigen, da die Ausbildung an der Fachschule nicht vergütet wird und die Teilnehmer und Teilnehmerinnen einen hohen Leistungsanspruch erbringen müssen mit einem sehr hohen Lernniveau. Dabei muss man aber im Hinterkopf behalten: Der Beruf des Physiotherapeuten bleibt ein praktischer – und das ist auch genau das, was die Auszubildenden bevorzugen.
Die Physiotherapieschulen in Siegen-Wittgenstein sind in privater Trägerschaft und finanzieren sich über das Schulgeld mit rund 500 Euro pro Monat. Schafft man da nicht eine soziale Vor-Auslese, weil sich viele die Ausbildung schlichtweg nicht leisten können?
Natürlich trägt die Erhebung eines Schulgeldes nicht gerade dazu bei, dass der Fachkräftemangel abgebaut wird. Deshalb sind wir und die Politik bzw. Wirtschaft und Regionen gerne eingeladen, gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Es würden sich tatsächlich mehr Interessierte für den Beruf entscheiden, wenn er Schulgeld frei wäre oder besser gefördert würde. Das erschließt sich anhand unserer Bewerberzahlen und den tatsächlichen Ausbildungsabsolventen.
In der Ausbildung gibt es jedoch auch finanzielle Unterstützung, zum Beispiel in Form des Schüler-BaföGs, das nicht zurückgezahlt werden muss, oder den KfW-Ausbildungskredit.
Die CDU möchte auch mehr Hochschulabsolventen in die Physiotherapiepraxen bringen. Was halten Sie von diesem Vorschlag, auch im Hinblick darauf, das in anderen Ländern Physiotherapeuten in der Regel einen Bachelorabschluss einer staatlichen Hochschule erhalten?
Es gibt die Akademisierung in der Physiotherapie, das begrüße ich sehr. Auch wir bieten in Kooperation ein Studium in angewandten Therapiewissenschaften mit der IB Hochschule Berlin am Studienort Köln an. Für Forschung und Entwicklung ist die Akademisierung gut, doch im Alltag in der Physiotherapie – ob in Kliniken oder Praxen – nicht unbedingt erforderlich und leider wirtschaftlich noch nicht realisierbar.
Ich würde mich sehr freuen, wenn der Beruf „Staatlich anerkannte/r Physiotherapeut/in“ auch ohne Akademisierung weiterhin die Anerkennung, gesellschaftlich und finanziell, bekommt, die er im verantwortlichen Umgang und in der Ausführung und Therapieerstellung mit den Patienten verdient hat.