Bad Berleburg.. Ausnahmezustand nach Gas-Alarm in der Innenstadt. Bagger beschädigt Gashochdruckleitung. Stadt stundenlang ohne Strom. Anwohner evakuiert.

Es fängt an wie in einem Thriller. Diana Santucci spürt, irgend etwas ist an diesem Morgen anders. Nach der ungewohnten Stille hört sie dieses Geräusch. Es ist unheimlich. Wie ein Flugzeug, das zu tief vorbei fliegt. Ein Geräusch, das nicht nach Bad Berleburg gehört. Und schlimmer noch: Es geht nicht weg, es bleibt. „Es war sehr laut“, sagt die junge Frau. „Ich konnte aber nicht sehen, was los ist.“ Wenig später klingelt es. Die Feuerwehr warnt. Sie muss das Haus verlassen. Gefahr in Verzug. Gas-Alarm.

Bei Arbeiten zur Verlegung von Breitbandkabel für das Internet hat ein 44-jähriger Bauarbeiter mit einer Tiefbaufräse eine Gashochdruckleitung beschädigt. Gas schießt mit 43 bar wie eine Fontäne aus dem Leck der Überlandleitung. Sie kommt aus Kreuztal und geht Richtung nach Marburg. Der Bauarbeiter und sein Kollege kommen mit dem Schrecken davon.

110 KV-Leitung über dem Gasleck

Die Leitung hat einen Durchmesser von 25 Zentimeter. Aus dem Loch strömt das Gas. Fauchend. Beängstigend. Unablässig. „Das war um 9.40 Uhr“, sagt Christoph Brombach. „Der Baggerfahrer hat ein Riesenglück gehabt. Bei Katastrophen dieser Art sind durch den Druck schon ganze Bagger durch die Luft geschleudert worden.“

Der 57-Jährige ist Pressesprecher der Westnetz GmbH in Siegen. Der Verteilernetzbetreiber ist alarmiert. Direkt über dem Leck kreuzt eine 110 Kilovolt Hochspannungsleitung, ein Autobahn für Strom. Westnetz schaltet sie aus Sicherheitsgründen ab. Explosionsgefahr. Die Folge: Bad Berleburg ist ab 10.53 Uhr vom Netz abgeschnitten. Und für Stunden ohne Strom. Die Anwohner der Straßen in unmittelbarer Nachbarschaft habe ihr Zuhause geräumt. 420 Menschen leben hier. Die meisten sind nicht zu Hause. 120 Frauen und Männer, überwiegend ältere Leute verlassen ihre vier Wände, werden von Hilfskräften versorgt und betreut. Aus allen Ecken und Orten werden Notstromaggregate nach Bad Berleburg gekarrt.

„Niemand wusste ja, wie lange die Stadt ohne Strom auskommen muss“, sagt Bürgermeister Bernd Fuhrmann am späten Abend im Gespräch mit dieser Zeitung. Der 51-Jährige ist froh und erleichtert. Die Krise ist gemeistert. „Ich will mir gar nicht ausmalen, was alles hätte passieren können.“ Das größte Problem? „Ohne Strom ist auch die Kommunikation zusammengebrochen. Das war sehr speziell“, so Fuhrmann.

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Auch für Westnetz ist es eine besondere Situation: „Ich habe noch nie erlebt“, sagt Brombach, „dass Strom und Gas gleichzeitig abgeschaltet worden sind.“ Westnetz baut den Druck auf Hochdruckgasleitung ab. Nur dann lässt sich das Leck reparieren. Mit jeder Stunde fällt er. Und über Umleitung fließt nach und nach wieder Strom nach Bad Berleburg.

Um 15.40 Uhr wieder Strom

Um 15.40 Uhr ist die 19 000-Einwohner-Stadt wieder unter Strom. Eine gute halbe Stunde später verlassen die ausquartierten Anwohner ihre Notunterkunft, fahren nach Hause. In der Nacht soll das Loch repariert werden. Brombach: „Es wird ein Stück der Leitung herausgeschnitten und ersetzt.“ Bis Freitagvormittag sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Erleichterung macht sich breit. Bürgermeister Fuhrmann: „Bei allen Unwägbarkeiten, der Einsatz, an dem 200 Hilfskräfte beteiligt waren, hat gut funktioniert.“