Bad Laasphe/Berlin-Spandau. Gegen Hassreden und Leugnung der deutschen Geschichte: Beim Bildhauersymposium in Berlin gibt Renate Hahn ein künstlerisches Statement ab.
Noch nie ist es der Bad Laaspher Künstlerin Renate Hahn so dringlich gewesen, ein künstlerisches Statement über den immer stärker werdenden Rechtsruck abzugeben, der mit Hassreden und Leugnung der deutschen Geschichte einhergeht. Dazu hat sie derzeit in der Bundeshauptstadt Berlin eine gute Gelegenheit.
Die Ahnenforschung
„Ich habe sechs Jahre lang Ahnenforschung betrieben, um herauszufinden, in welcher Weise meine Vorfahren im Nationalsozialismus mit der Vernichtung von jüdischen Menschen, von Zeugen Jehovas und politischen Gegnern des damaligen Regimes verwickelt waren“, sagt Hahn.
Die Entdeckung
Anlass zu dieser Forschung war die Entdeckung, dass der vom Vater geerbte Schreibtisch und Schreibtischstuhl an einer sehr versteckten Stelle einen Wehrmachtsstempel mit Hakenkreuz trug. Diese Entdeckung rief pures Entsetzen bei der Künstlerin hervor – denn seit sie denken kann, ist sie gegen jede Form von rechtsradikalem Denken aufgestanden. „So auch während der 68er Jahre, als noch viele ehemalige Nazis in allen Bereichen der Gesellschaft tätig waren“, erinnert sie sich. Sie durchstrich das Hakenkreuz mit dem alten Versprechen „Nie wieder!“, das „anscheinend in Vergessenheit geraten ist bei denen, die nicht mehr als Nachgeborene das Schuldgefühl über die Geschichte des eigenen Landes kennen“, fürchtet Hahn.
Das Symposium
Die Bereitschaft, auf Einladung der Stadt Siegen und als Vertreterin der Arbeitsgemeinschaft Siegerländer Künstler und Künstlerinnen (ASK) am 1. Bildhauersymposium auf der Zitadelle unter Leitung der Künstlerin Danit in Berlin Spandau teilzunehmen, war an die Zusage geknüpft, dass Räume für die geplante Installation und Performance genutzt werden können, die einen direkten Bezug zur Geschichte der Möbel haben würden. Die anderen Teilnehmer mit jeweils eigenen Positionen waren Vladimir Seryakov, Wolgograd, Guido von Martens, Havelland, Danièle Taulin-Hommel, Asnières sur Seine, Wladimir Rudolf, Faßberg, Danit, Berlin.
Installation und Performance
Renate Hahn entwickelte zu dem Thema „Sprung“ eine Installation und Performance, die zugleich ein Rückblick als Täter-Enkelin in die Geschichte ist, den Holocaust, aber auch eine Mahnung für die Gegenwart und die Zukunft, mit Hass gegen Juden und Fremden aufzuhören und ihm entschlossen entgegenzutreten. Das hat Renate Hahn besonders auch als Leiterin der Flüchtlingsinitiative seit 2015 getan.
Der Schreibtisch
„Der Schreibtisch und der Schreibtischstuhl – Symbol für Macht und Machtmissbrauch – wurden in ein Gewölbe auf der Zitadelle in Berlin-Spandau verbracht, in dem die Entwicklung von Giftgasen durch die Nazis stattgefunden hatte“, berichtet Hahn. Und: In den Schreibtisch wurden hundert Namen von deportierten Menschen eingeritzt, die in Spandau gelebt haben und deren Geschichte Renate Hahn während ihres Aufenthalts kennengelernt hat.
Die Asche
„Als Symbol für Vernichtung, aber gleichzeitig auch Heilung ist der Schreibtisch mit einem Kegel aus Asche bedeckt und von Asche umgeben“, erklärt Hahn. „Ein Nest aus Asche in Anlehnung an Hiob aus dem alten Testament ist Ort für die Deklamation des Volksliedes ,Kommt ein Vogel geflogen...’, das die in Zwangsarbeit arbeitenden Häftlinge singen mussten, wenn sie zu Tode erschöpft und hungrig abends ins KZ zurückkehrten. Sie haben dieses Lied als Widerstandslied benutzt.“ Eine Gasmaske aus dem 2. Weltkrieg diente ebenso als Requisit wie ein Rock, den Hahn aus Sackleinen vor Ort genäht hat.
Die Asche-Kiste
Ein weiteres Objekt dieser Installation ist eine verrostete Asche-Kiste, auf die mit Hilfe einer Timeline die Kriege aufgeführt werden, die seit dem 2. Weltkrieg die Welt erschüttert haben. „Its time for action“, ein Zitat von Yoko Ono, unterstreicht die Dringlichkeit, in der die Menschheit verstärkt nach Frieden suchen sollte. Die Performance wurde von Sonny Thet, einem in Berlin bekannten Musiker, am Violoncello begleitet und von Kerstin Brandt gefilmt.