Siegen. Bei der Juniorwahl an den Schulen haben Schülerinnen und Schüler abgestimmt, die noch nicht „richtig“ wählen dürfen. Zum Beispiel am Siegener Gymnasium Am Löhrtor.

Während am Sonntag rund 60 Millionen Menschen wählen können, bleiben Millionen von Schülern zuhause. Die Juniorwahl ermöglicht es ihnen aber, zumindest an einer simulierten Wahl teilzunehmen. Dies Jahr nimmt erstmals jede zweite allgemein bildende Schule in NRW an dem Projekt teil. Darunter auch das Gymnasium Am Löhrtor in Siegen. „Wir möchten aufklären über das Wahlverfahren und die Hemmschwelle mindern, an Wahlen teilzunehmen“, erklärt Reiner Berg, Schulleiter des Gymnasiums, warum seine Schule mitmacht.

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In der zweiten Stunde wird die Wahl für die 8. Klassen ausgerichtet. Schülersprecherin Elsa Graumann begrüßt ihre Mitschülerinnen und Mitschüler und erklärt ihnen, was die Parteien im derzeitigen Bundestag zu den Themen Klima, Soziales, Wirtschaft, Außenpolitik und Migration fordern. Wahlprogramme kurz zu erklären, ohne dabei in Floskeln oder Null-Sätze zu verfallen – das ist ziemlich schwer. Nach der Vorstellung der Parteien dürfen die Schüler Verständnisfragen stellen. „Wie will die Linke Milliardäre abschaffen?“, fragt ein Schüler. Vor allem über Steuern für Reiche lautet die Antwort. Wie die CDU die Ukraine unterstützen wolle, lautet die andere Frage. Mehr Fragen werden nicht gestellt.

Themen bei der Juniorwahl in Siegen: Klima, Wirtschaft, Migration

Ob die anderen Schüler verstanden haben, was die Parteien wollen? „Schon, aber irgendwie auch nicht.“, sagt ein Achtklässler. Den umstehenden Schülern geht es ähnlich. Wonach richten sich die Wahlentscheidung dann? „Mir ist das Thema Klima wichtig“, antwortet eine Schülerin. „Mir auch“, ergänzt ihre Freundin. „Migration ist auch wichtig, weil viele Mitschüler ja auch von woanders kommen“, findet ein Mädchen. Auch einem anderen Schüler ist dieses Thema wichtig – im Sinne des CDU-Programms, das er gut findet. Eine Achtklässlerin bringt das Thema Wirtschaft ins Spiel: „Mir ist wichtig, dass alles bezahlbar bleibt.“

„Ich denke, wir sollten am Anfang jeder Politikstunde fünf Minuten über aktuelle politische Ereignisse reden.“

Elsa Graumann, Schülersprecherin

Elsa Graumann verwundern die unterschiedlichen Meinungen nicht. „Was Schülerinnen und Schülern wichtig ist, lässt sich nicht generalisieren.“ Aber es sei wichtig, junge Menschen mit einzubeziehen. Dabei sieht sie auch die Schule in der Pflicht. „Ich denke, wir sollten am Anfang jeder Politikstunde fünf Minuten über aktuelle politische Ereignisse reden.“ Es müsse ein größeres Verständnis für das politische Geschehen entwickelt werden. Mit der Ausrichtung der Juniorwahl möchte die Schülervertretung die Schüler dafür begeistern, dass Demokratie wichtig ist.

Siegener Jugendlichen geht es auch um Gesundheit und Renten

Ein paar Jahrgangsstufen später – alle Stufen von der achten bis zur zwölften (Q2) dürfen wählen – ist die EF (Stufe 11) dran. Was bewegt die älteren Schüler? Sara Midžan findet es schade, dass vor allem die Migration im Fokus der Wahl steht. Es gebe andere Themen, die genauso wichtig seien. „Zum Beispiel, wie viele Obdachlose es gibt. Wir waren vor kurzem auf einem Schulausflug in Düsseldorf und in der Bahnstation saßen zehn Obdachlose in der Unterführung.“ Im Zug habe ein Junkie herumgebrüllt. Auch Lucas Rehberger sind andere Themen als Migration wichtig. Er sorgt sich um die Gesundheitsversorgung in Deutschland und um die Rente. „Ich sehe Rentner, die zusätzlich arbeiten müssen, weil die Rente zu klein ist“, beobachtet er. Die Politik müsse sich auch um diese Menschen kümmern. Aus der Sicht von Elisabeth Melekian ist das Thema Migration derzeit am aktuellsten. Aber sie habe das Gefühl, Anschläge wie in Aschaffenburg würden „ein bisschen instrumentalisiert“. Wirtschaftliche Themen seien genauso wichtig. Bestimmte Forderungen an die Politik hat sie jedoch nicht: „Ich hätte jetzt nichts in meinem direkten Umfeld. Ich bin ganz zufrieden.“

Hier ist der aktuelle Stand der Auszählung:

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Von Alina Hammer und Stefan Meinhardt

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Und was halten die Schüler von der Juniorwahl? „Die Organisation war gut und schnell“, ist Elisabeth Melekian positiv überrascht. Aber die Präsentation der Wahlprogramme sei sehr lang gewesen – zumal der Text von der Präsentation fast nur vorgelesen wurde. Auch Sara Midžan kritisiert die Vorstellung der Parteiprogramme. Diese sei nicht auf die unterschiedlichen Jahrgangsstufen angepasst gewesen. „Man hätte auch mehr auf die für uns relevanten Themen eingehen können, zum Beispiel die Schulpolitik statt der Vermögenssteuer.“

Am Gymnasium Netphen findet die Juniorwahl statt. Die Schule wurde mit Wahlzetteln ausgestattet. 
Die Schulen haben besondere Stimmzettel bekommen.  © Maike Lesny | Maike Lesny

Elsa Graumann kann die Kritik nachvollziehen. Die Schülervertretung habe die Juniorwahl dieses Jahr zum zweiten Mal ausgerichtet. Es koste die Schülerinnen und Schülern aber auch Überwindung, vor einer ganzen Stufe zu sprechen. „Es ist nicht selbstverständlich, dass man das macht.“ Bei der Präsentation der Wahlprogramme habe im Vordergrund gestanden, einen möglichst umfassenden Überblick zu geben. Schulpolitik sei dabei nicht explizit behandelt worden, da dafür vor allem die Bundesländer zuständig seien. Dennoch: „Wir werden die Juniorwahl auch nochmal machen und wollen uns natürlich verbessern.“

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