Siegen. Studentenleben mit Partys, Studi-Kneipen? In Siegen so gut wie gar nicht vorhanden. Immer weniger Studierende zieht es nach Siegen - auch, weil die Angebote fehlen.

An der Universität Siegen waren mit Beginn des Wintersemesters 2024/2025 insgesamt 14.085 Studierende eingeschrieben – 552 weniger als im Vorjahr. Die Zahl der Studierenden ist damit um 3,8 Prozent gesunken. Zudem pendeln inzwischen immer mehr Studis zu den Uni-Standorten und bleiben in ihrer Heimat bei den Eltern wohnen. Wie sehr leidet das Studentenleben darunter und bleiben auch WG-Zimmer und Wohnheimplätze zunehmend unbesetzt? Wir haben nachgefragt.

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Laura Feldmann studiert an der Uni Siegen Grundschullehramt mit integrierter Förderpädagogik. Sie kommt ursprünglich aus dem Kreis Olpe und pendelte für das Bachelorstudium drei Jahre lang mit dem Auto nach Siegen. Für den anschließenden Master ist sie allerdings nach Siegen gezogen und lebt mittlerweile in einer Wohnung in der Oberstadt. Aber nicht, um mehr vom Studentenleben mitzubekommen, das ihrer Meinung nach wenig bis gar nicht in Siegen vorhanden sei, sondern vielmehr aus praktischen Gründen. Ausziehen wollen habe sie nach dem Bachelor sowieso, durch den Umzug nach Siegen spare sie sich so zudem die Kosten für ein Auto. „Der Erwartung an eine Studentenstadt kann Siegen nicht gerecht werden“, erzählt sie. Das habe sie aber auch vorher gewusst. Leute, die sich mit der Erwartung an ein typisches Studentenleben an der Uni Siegen einschreiben, würden dann in der Regel schnell enttäuscht.

„Der Erwartung an eine Studentenstadt kann Siegen nicht gerecht werden.“

Laura Feldmann
Studentin

Universitätsstadt Siegen: Immer mehr „Nesthocker“ – ein beunruhigender Trend

„Wenn irgendwelche Angebote sind, gehe ich da auch gerne hin und die sind dann auch meistens gut besucht“. Diese fänden aber nur sehr selten statt. „Studi-Festival und Bier-Bachelor sind sehr cool, da trifft man dann auch viele Leute oder lernt neue Personen kennen“, ansonsten seien die Alternativen sehr überschaubar, findet sie. Außerhalb von bestimmten Events seien in der Regel nur wenige Studierende in der Stadt unterwegs, das betreffe auch Clubs und Discotheken. „Die Uni an sich kann aber nicht viel dafür, das liegt einfach an der Stadt.“ Mit einer richtigen Universitätsstadt habe Siegen nicht viel zu tun. Mit der Lehre und der Universität an sich ist Laura aber sehr zufrieden.

„Studierende ziehen es vor, in der Großstadt zu leben.“

Malte Moeller und Felix Retza,
AStA Universität Siegen, über die Nähe zu Köln

Dass deswegen immer mehr Plätze in Studierendenwohnheimen unbesetzt bleiben, ist nach Angaben des Studierendenwerks jedoch nicht der Fall. „Die Studierendenwohnheime sind nach wie vor gut belegt und insbesondere zum Semesterstart ausgebucht“, heißt es auf Anfrage. Die Wartelisten seien zwar nicht mehr so lang wie noch vor einigen Jahren, aber „besonders bei internationalen Studierenden, deren Zahl in Siegen stetig wächst, sind die Wohnheimplätze des Studierendenwerks sehr beliebt.“ Ein beunruhigender Trend, den man aber durchaus auch beobachtet: Immer mehr Studierende bleiben zu Hause bei den Eltern wohnen. Ihre Zahl sei in den vergangenen Jahren auf jeden Fall angestiegen, Pendler habe es aber schon immer viele gegeben. „Siegen ist immer schon eher eine ,Pendler-Uni‘ gewesen. Der Großteil der Studierenden in Siegen kommt aus NRW, vorwiegend aus Siegen-Wittgenstein und den umliegenden Kreisen.“

Universitätsstadt Siegen: „Möglichkeiten sehr begrenzt, Partyleben gibt es so gut wie gar nicht“

Gerade bei Studierenden im ersten Semester sei dieser Trend klar zu erkennen. „Fachschaftsräte, die für die Erstsemestereinführungen zuständig sind, berichten uns vermehrt, dass viele Erstsemester zögern, nach Siegen zu ziehen – oder bereits entschieden haben, dies nicht zu tun“, berichten Malte Moeller und Felix Retza vom Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA). Sie beobachten ebenfalls einen Rückgang des Studentenlebens. „Es findet immer seltener ein aktives studentisches Leben auf den Campus der Universität statt.“ Der Großteil der Aktivitäten werde demnach von Studierenden oder studentischen Initiativen selbst organisiert. „Der Rückgang ist deutlich spürbar“. Maßgeblich dazu beigetragen habe nach Ansicht des AStA auch die Corona-Pandemie. „Fehlende Versuche von Seiten der Unileitung und Stadt, die Studierendenkultur zu erhalten oder aktiv zu stützen, taten hier zusätzliche Probleme auf.“

„Siegen ist immer schon eher eine ,Pendler-Uni‘ gewesen.“

Studierendenwerk Siegen
Die Partys in der Mensa am Campus Adolf-Reichwein-Straße der Universität Siegen waren in der Vergangenheit sehr beliebt. Sie sollen künftig einmal im Semester stattfinden.
Die Partys in der Mensa am Campus Adolf-Reichwein-Straße der Universität Siegen waren in der Vergangenheit sehr beliebt. Sie sollen künftig einmal im Semester stattfinden. © WP | Hendrik Schulz

Jan (Nachname ist der Redaktion bekannt) studiert Lehramt in den Fächern Deutsch und Geschichte. Er kommt ursprünglich aus dem Kölner Raum, ist fürs Studium nach Siegen gezogen und lebt in einer Dreier-WG in Weidenau. Nach dem Auszug seiner ersten Mitbewohner wurde er zum Hauptmieter der Wohnung. Probleme, Nachmieter für die freien Zimmer zu finden, habe es nicht gegeben. Über das Internet habe er eine WG-Anzeige geschaltet, auf die sich viele Interessenten gemeldet haben. „Ich habe dann ein WG-Casting durchgeführt, und geschaut, welche Bewerber am besten passen.“ Eine reine Zweck-WG sei für ihn nicht in Frage gekommen. „Wir machen gemeinsame Koch- und Spieleabende oder gehen ab und zu abends zusammen in die Stadt.“ Das trage zu einer angenehmen Atmosphäre innerhalb der WG bei. Was ihn an Siegen dennoch störe, sei das fehlende Partyleben. „Die Möglichkeiten sind sehr begrenzt, richtige Studentenpartys gibt es so gut wie gar nicht.“ In die Musikclubs Meyer und Wolkenkuckucksheim ziehe es ihn einfach nicht. „Und unter der Woche kann man das Studentenleben sowieso vergessen.“

Siegen: Wenn das Studierendenwerk Mensa-Partys organisiert, sind sie direkt ausgebucht

Veranstaltungen wie etwa die Mensa-Partys hat das Studierendenwerk 2024 zweimal organisiert. Diese hätten auch sofort großen Anklang gefunden und seien innerhalb kürzester Zeit ausgebucht gewesen. Dennoch wünschen sich die Studierenden mehr solcher Angebote. Dies sei auch seitens der Universität geplant, die Mensa-Partys stehen auch in Zukunft einmal pro Semester auf dem Programm. Weiterhin verweist das Studierendenwerk auf andere Angebote der Universität und studentischer Initiativen, wie beispielsweise den Flohmarkt, den der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) im Wintersemester organisiert hat.

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Dennoch scheint die aktuelle Entwicklung kaum aufhaltbar. In steigenden Lebensunterhaltungskosten, vielen Studierenden aus den angrenzenden Kreisen und einem vergleichsweise geringen Angebot an Nachtleben sieht der AStA Hauptursachen für das immer weiter zurückgehende Studentenleben in Siegen. Dazu kommt die Nähe zur Stadt Köln, durch die sich eine Alternative bietet: „Studierende ziehen es vor, in der Großstadt zu leben.“