Netphen. Fünf Jahre sind verstrichen seit dem ersten Anbauplan. Die Situation spitzt sich nun zu: Wird die Grundschule im Freizeitpark neu gebaut?

Vor fast fünf Jahren kam der Vorschlag auf den Tisch, die Grundschule in Niedernetphen zu erweitern. Mit 2,5 Millionen Euro wollte die Stadt auskommen, 2021 sollte „ohne größere Einschränkung im Schulbetrieb“ gebaut werden. Jetzt steht die Summe von über 50 Millionen Euro im Raum, die die Stadt insgesamt für ihre Schulbauten wird ausgeben müssen. Davon über 20 Millionen für einen Neubau der Grundschule. Wunsch-Standort ist der Freizeitpark.

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Außer der SPD-Ratsfraktion ist auch Schulausschussvorsitzende Silvia Glomski (Grüne) zu Gast in dem Raum, den Konrektorin Kirsten Wüst schon für ihre neue Klasse 2 vorbereitet hat, die in der nächsten Woche hier ein neues Schuljahr beginnen wird. Auch dieser Raum war früher mal ein Mehrzweckraum. „Wir haben keinen Differenzierungs- und keinen Fachraum mehr“, beschreibt Schulleiterin Annette Kramps die beengte Situation am Schulstandort Niedernetphen. Auch nach dem Unterricht fehlen Rückzugsorte: „Hier ist bis 15 Uhr jeder Raum belegt“, stellt Kirsten Wüst fest.

SPD in Grundschule Niedernetphen
Kirsten Wagner, Annette Kramps und Kirsten Wüst (von links) stellen der SPD-Fraktion die Situation der Grundschule Netphen dar.  © SPD | SPD

Zwei Mehrzweckräume und der Muskraum sind reguläre Klassenräume geworden, die Bücherei zum Besprechungsraum, in einem der Materialräume sitzt die Schulsozialarbeiterin. Lern- und Alltagshelfer und Integrationskräfte haben keinen Sozialraum. Zum Mittagessen gehen die Kinder ab 11.30 Uhr in vier Gruppen. „Die Mensa schafft allerhöchstens 115 Essen“, sagt Annette Kramps. Deshalb muss sich der Standort Obernetphen vom neuen Schuljahr an von einem Caterer versorgen lassen.

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Wenn das dritte Schuljahr die dritte Sportstunde in der Woche – zwei Stunden sind für den Schwimmunterricht bestimmt – als „Bewegungsstunde“ in der Aula absolviert, dröhnen den Kindern im Klassenraum darunter die Ohren. Und dann ist da noch ein besonderer Stress in der großen Pause, wenn 30 weibliche Mitarbeitende Schlange vor den beiden Damen-Klos steht. Während der einzige Mann im Kollegium zwischen zwei Kabinen wählen kann.

Die Vorgeschichte

Das Desaster ereilt die Schule mit Ansage. „Vielleicht ist es auch ganz gut, dass der Anbau nicht gekommen ist“, sagt Annette Kramps, „der schöne Anbau wäre jetzt schon wieder zu klein gewesen.“ Ab 2026 bekommen Grundschulkinder nämlich jahrgangsweise einen Rechtsanspruch auf den offenen Ganztag. Im Frühjahr 2021 hatten vier Ratsfraktionen – alle außer der UWG – einen Gebäudetausch vorgeschlagen: Die Grundschule solle mit ihren beiden Standorten auf den Kreuzberg ziehen. Dort würde die Sekundarschule Platz machen und in einen Neubau umziehen, der neben dem Gymnasium errichtet werden sollte.

Das Konzept hatte der Schulausschuss dann sogar einstimmig verabschiedet. Aber, so SPD-Fraktionschef Lothar Kämpfer, „leider an der Verwaltung gescheitert, mit fadenscheinigen Gründen“. Und, so fügt Kämpfers Vorgänger Manfred Heinz hinzu, „auch am Widerstand von Frau Kramps“. „Wir haben uns das nicht leicht gemacht“, erinnert die Rektorin – der aus mehreren Trakten bestehende Gebäudekomplex wäre zu unübersichtlich für die Kleinsten gewesen, Zuwegung und Schulhof zudem kaum geeignet.

Noch im selben Jahr wird deutlich, wie eng es an den beiden Grundschulstandorten wirklich ist. Im November kommt die Idee auf die Tagesordnungen der Ausschüsse, den offenen Ganztag in die ehemalige Tagesklinik auszulagern. Das lehnt der Rat am Ende ab, inzwischen wird das Gebäude am Rande des Einkaufszentrums als Flüchtlingsunterkunft genutzt.

Verwaltung untersucht sieben Standorte für Neubau der Grundschule Netphen

Im Januar 2022 schlägt die Grundschule Netphen einen Neubau im Freizeitpark an der Stelle des aufgegebenen Eisstadions vor. Im Februar stellt die Verwaltung eine Untersuchung von insgesamt sieben Standorten vor, einschließlich einer Erweiterung in Niedernetphen und eines Umzugs auf den Kreuzberg. Ins Gespräch gebracht werden der Bereich neben der Georg-Heimann-Halle, das Demler-Firmengelände (wenn die Firma ihre Umzugspläne wieder aufgreift), die Haardt neben dem Gymnasium (dafür müsste die Kita umziehen, zum Beispiel auf das Niedernetpher Schulgelände), das an den Reitverein verpachtete Gelände vor dem Freizeitpark und den Freizeitpark selbst.

Die SPD spricht sich damals für eine kurzfristige Lösung in Niedernetphen und einen Neubau bei der Reithalle nach 2031 aus, wenn der Pachtvertrag der Stadt mit dem Verein abgelaufen ist. CDU und Grüne sind für den Neubau, der Bürgermeister dagegen. Zwei Monate später kommt der Vorschlag, im Freizeitpark zu bauen, erneut auf die Tagesordnung: als eine von vier Möglichkeiten, wie das Gelände nach dem Abriss der Eishalle genutzt werden soll. Die Grünen sind wieder für den Schulneubau, allerdings nicht am Obernaubach, sondern auf dem Parkplatz zwischen Bad und Trampolinarena, der in einer der anderen Varianten („Packen wir‘s an“) für eine Systemgastronomie wie „Hans im Glück“ oder „Osteria“ vorgesehen war. Die CDU neigt eher zu einem Standort talaufwärts auf dem Parkplatz hinter Bad und Demenzzentrum Haus St. Anna. Die SPD ist weiterhin gegen einen Schulneubau.

Im September 2023 beschließt der Rat eine Vorkaufsrechtssatzung für die Haardtstraße. Damit sollen Grundstücke für einen Schulneubau neben dem Gymnasium gesichert werden, falls sie einmal zum Verkauf angeboten werden. In den Augen von Manfred Heinz ist das zu wenig: „Diese Verwaltungsspitze hat den Schlag nicht getan, um einen entscheidenden Schritt weiterzukommen.“

Der neue Kurs

„Muss man nicht einmal ganz neu denken?“, fragt Karl-Wilhelm Nowak, der die Grundschule bis vor zehn Jahren selbst geleitet hat und als Ratsmitglied in der SPD-Fraktion mitgearbeitet hat. „Wir brauchen für die Schule der Zukunft andere flächenmäßige Voraussetzungen.“ „Wir sind vollkommen offen“, sagt Lothar Kämpfer, will aber die von der Verwaltung geforderte „Machbarkeitsstudie“ zu einem Erweiterungsbau in Niedernetphen abwarten. Deren Ergebnis sieht Manfred Heinz allerdings voraus. „Locker 15 bis 20 Millionen Euro“, schätzt er, „wären zu viel Geld für einen schlechten Standort.“ Heinz lässt durchblicken, dass nun auch die SPD für einen Neubau im Freizeitpark stimmen könnte. Denn in die Erweiterung des Freizeitparks („ein Eurograb“) werde die Stadt nicht mehr investieren können. „Eigentlich können wir uns noch nicht einmal mehr das Bad leisten.“

„Es spricht immer mehr dafür, auf das Gelände des Freizeitparks zu gehen.“

Lothar Kämpfer, SPD

„Es spricht immer mehr dafür, auf das Gelände des Freizeitparks zu gehen“, sagt Lothar Kämpfer. „Ich wäre glücklich“, kommentiert Annette Kramps die neue Argumentation der SPD. Wobei Manfred Heinz Hoffnungen auf eine schnelle Lösung gleich wieder abschwächte: „Mit zehn Jahren Planungs- und Bauzeit müssen wir rechnen.“ Denn zuerst wird der Erweiterungsbau des Gymnasiums bis 2025 abgeschlossen, dann kommt die Grundschule Dreis-Tiefenbach an die Reihe. Schon die Machbarkeitsstudie braucht immer noch Zeit. Wobei: Die Lehrerinnen haben neulich frühmorgens einen Bediensteten im Schulgebäude angetroffen, der dort nachts das Gebäude vermessen hat. Das wäre ein Indiz, dass an der Studie gearbeitet wird …

Günter Kania seufzt: „Diese Probleme hatten wir früher nicht.“ Der ehemalige SPD-Ratsherr ist 1944 in Niedernetphen eingeschult worden. Hannah, die Enkelin des 86-Jährigen, unterrichtet heute hier. Nicht mehr 50 Kinder in einer Klasse, deren Tische alle starr zur Tafel ausgerichtet sind, ohne Morgenrunde und ohne digitale Tafel, natürlich auch ohne Mittagessen und Nachmittagsbetreuung. Für sie wären die Gebäude der Schule mit ihren mehr als 300 Kindern heute noch groß genug.

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