Siegen. Neue Umweltspur in Siegen hat den erwarteten Nachbesserungsbedarf: Keine Grüne Welle, fehlende Beschilderung. Manche Autofahrer tun sich schwer.

Knapp 20 Minuten von Tür zu Tür – das schafft man mit dem Auto auch nicht schneller, zumindest wenn man die Hauptstraßen unter der HTS mit all ihren Ampeln fährt. Start ist am Kölner Tor in Siegen, wo die Umweltspur beginnt; Ziel der Ortsausgang von Geisweid, wo sie endet. Wobei auch auf dem E-Bike die 20 Minuten nur klappen, wenn die meisten Ampeln mitspielen – und das ist längst nicht immer der Fall.

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Die Umweltspur hat in den ersten Wochen seit ihrer Einführung für große Empörung gesorgt. Die ist, sicherlich auch ferienbedingt, etwas abgeebbt. Erste Zwischenfazits wurden bereits vor der Sommerpause gezogen – und nun, zum Ferienende zeigt sich, dass tatsächlich weiter der Nachbesserungsbedarf besteht, den die Stadtverwaltung mit dem Mobilitätsprojekt von vornherein eingepreist hatte. Die Ampelschaltungen sind ein Thema, um den Verkehrsfluss zu verbessern, die nach wie vor fehlende Beschilderung sowie einige Gefährdungspunkte. Das wolle man in den nächsten Wochen hinbekommen, heißt es von der Stadt. Und wie so oft bei größeren Verkehrsänderungen in Siegen brauche es wohl auch hier Zeit, bis die Menschen sich dran gewöhnt haben: Gerade in der Innenstadt habe das Auto jahrzehntelang „Narrenfreiheit auf zwei Fahrspuren“ genossen, sagt Benjamin Hinkel, Leiter der Abteilung Straße und Verkehr.

Gut 20 Ampeln an Siegener Umweltspur: Grüne Welle entweder fürs Auto oder fürs Fahrrad

Die Abteilung hatte mit Modellen berechnet, wie sich der Verkehr durch die Umweltspur verlagern würde, und entsprechende Einstellungen an den Ampeln vorgenommen. Nun schaue man sich die Abschnitte im Detail an und nehme Schritt für Schritt Veränderungen vor, erklärt Hinkel – alles könne ein digitales Verkehrsmodell nicht vorhersehen. Den „Faktor Mensch“ zum Beispiel: Beim Autoverkehr „haben wir bislang nicht die Verlagerung auf die HTS, die wir erwartet hatten“, sagt der Abteilungsleiter.

„Beim Autoverkehr haben wir bislang nicht die Verlagerung auf die HTS, die wir erwartet hatten.“

Benjamin Hinkel
Abteilungsleiter Straße und Verkehr
Umweltspur Siegen
Wenn man Glück hat, erwischt man als Fahrradfahrer auf der Umweltspur eine Art „Grüne Welle“. Es kommt aber genauso vor, dass man zwischen Siegen und Geisweid vor fast zwei Dutzend Ampeln wartet. © WP | Hendrik Schulz

Etwa zwei Dutzend Ampeln sind es auf der Umweltspur für Radfahrer zwischen Siegen und Geisweid. Mit Glück erwischt man die meisten bei Grün – oder man muss immer wieder stoppen und warten. „Die Anlagen sind aufeinander abgestimmt“, sagt Larena Kühnel, Arbeitsgruppe Straßen- und Verkehrsplanung – ob es klappt, hänge vom Zeitpunkt ab, wann man auf den jeweiligen Abschnitt einfährt. Wobei es sich nicht um eine richtige grüne Welle handle: Denn gleichzeitig ließen sich die Ampel nicht für Auto (50 km/h) und Fahrrad/Bus (25 bzw 30 km/h) schalten, „wir müssen auch den Autoverkehr gut abwickeln.“ Wenn hier nachgesteuert werde, betont Abteilungsleiter Hinkel, brauche man verlässliche Daten, wie viele Fahrzeuge auf der Route unterwegs sind. Nach wie vor sei das Ziel, dass mehr Autos die HTS nutzen, aber das Projekt brauche auch eine gewisse Akzeptanz. Auf längere Sicht gesehen werde man aber die Geschwindigkeiten noch auf ein verträglicheres Maß einstellen. Für den Herbst ist eine erneute Verkehrszählung geplant, dann wisse man mehr.

Umweltspur Siegen
Unter der HTS in Weidenau/Geisweid fährt der Radverkehr ein Stück über den Gehweg und mündet dann im Fuß- und Radweg. Auch das ist bislang nicht eindeutig gekennzeichnet. © WP | Hendrik Schulz

Knifflig für einen optimierten Verkehrsfluss sei auch, dass die Verkehrsbelastung entlang der Route sehr stark schwankt – in Weidenau sei die Lage ganz anders als in Siegen. Hinkel weist nochmals darauf hin, dass die Umweltspur auch nicht als Ersatz für einen Radweg auf der gesamten Strecke gedacht sei, sondern als zusätzliches Kurzstrecken-Angebot: Nicht, um die ganze Strecke von Geisweid nach Siegen zu pendeln, sondern eher um für eine Erledigung mal eben aus Geisweid nach Weidenau zu kommen – eine Fahrt, die mit dem Rad mindestens genauso gut erledigt werden könne wie mit dem Auto.

Umweltspur Siegen: Beschilderung fehlt - nicht immer ist klar, wo es langgeht

Außer ein paar weißen Strichen seien die Markierungsarbeiten so gut wie abgeschlossen. Schilder und Hinweistafeln hingegen fehlen noch in größeren Umfang, insbesondere für Fahrradfahrer. Schwerpunktmäßig im Bereich Innenstadt; dort, wo die Hauptachse Sand- und Hagener Straße umfahren wird. „Offiziell“ beginnt die Umweltspur am Kölner Tor, dann zweigt sie für Fahrradfahrer sofort in die Friedrichstraße ab – das steht aber nirgends. Über die Emilienstraße geht‘s zurück auf die Hauptachse. Steht auch nirgends. Hinterm Kaisergarten ist vor der Eisenbahnbrücke plötzlich erneut Schluss mit Umweltspur: Autos dürfen wieder beide Fahrspuren der Weidenauer Straße befahren. Fahrradfahrer werden über den „Schlenker“ Gießerei- und Samuel-Frank-Straße geführt, aber wie an den anderen Stellen auch steht da nur das Schild „Fahrrad und Linienverkehr frei – Ende“. Wer das nicht weiß, ist zumindest irritiert – wobei Fahrräder auf der Autostraße weiterhin keineswegs verboten sind. Ähnlich an der Grenze Weidenau/Geisweid unter der HTS: Dort führt die Umweltspur kurz über den Bürgersteig, dann geht es für Radfahrer auf dem Fußweg unter der Schnellstraße weiter. Explizit drauf hingewiesen wird noch nicht.

Umweltspur Siegen
Zurück genauso: Wie kommt man vom Fuß- und Radweg unter der HTS wieder auf die Umweltspur Weidenauer Straße Richtung Siegen, wenn das nirgends steht? © WP | Hendrik Schulz

In Gegenrichtung funktioniert es ab dem Start noch: Auf der Geisweider Straße weist vor der Ampel am Rewe ein Schild auf die Routenführung hin; unter der HTS beginnt die Umweltspur dann im Abstand von einigen Metern – aber wieder steht es nirgends. In Siegen soll der Radverkehr über die Charlotte-Peter-Straße (beim Fitnessstudio) und Sieghütter Hauptweg zurück auf die Sandstraße geführt werden – ein Hinweis, dass die Umweltspur endet, ist hier ebenso wenig vorhanden wie am Abzweig über die kleine Brücke zu „Am Siegsteg“, von wo es zum Fuß- und Radweg Heeserstraße geht. Nur, Sie ahnen es, es steht auch hier nicht. Hier soll auch noch die Ampel umgebaut werden – aber erst nächstes Jahr.

Umweltspur Siegen
Da freut man sich als Radfahrer: Hinweisschild vor einer knifflige Stelle wie hier an der Geisweider Straße. © WP | Hendrik Schulz

„Es wäre auch komisch, wenn wir mehr im Stau stehen würden.“

Stephan Boch
Sprecher VWS

Diese Rückmeldungen habe die Abteilung auch erhalten, bestätigt Benjamin Hinkel, „es sei nicht immer eindeutig, wo es lang geht“. Hoffentlich im Lauf des Jahres würden entsprechende Schilder und Pfeile angebracht – „es hängt auch davon ab, ob wir ein Unternehmen bekommen“, in der Region gibt es keine. Für Markierung und Beschilderung seien zwei unterschiedliche Firmen zuständig, „und die Markierer waren deutlich schneller“.

Umweltspur Siegen: Gut für den Busverkehr - Fahrplan ist pünktlicher und stabiler

Die Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd (VWS) könnten rundum zufrieden sein: Wenn sich die Lage für ein Verkehrsmittel verbessert hat, dann für Busse auf der Hauptstrecke. Das bestätigt VWS-Sprecher Stephan Boch auf Anfrage auch: In Sachen Pünktlichkeit und Fahrplanstabilität alles positiv und entspannter. „Es wäre auch komisch, wenn wir mehr im Stau stehen würden“, sagt Boch. Gerade zu Stoßzeiten. Befürchtete und behauptete Verzögerungen, dass Busse hinter langsameren Fahrrädern herzockeln müssten, gebe es nicht, „die Haltestellendichte auf der Strecke ist zu groß“. Reisegeschwindigkeiten von Bus und Rad, sagt auch Benjamin Hinkel, seien „nahezu identisch“.

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Aber es gebe eben auch kritische Punkte: Gerade während des Sommers sei es vermehrt zu Unfällen gekommen, weil Autos nach rechts über die Umweltspur abbiegen und die Fahrer dabei mitunter nicht auf dort fahrende Busse achten, berichtet Stephan Boch. Längst nicht immer sei es dabei zu Kollisionen gekommen – aber wenn scharf gebremst wird, können Fahrgäste stürzen und sich verletzen. „Da wurde ein gewisses Gefährdungspotenzial geschaffen“, sagt Boch – und das müsse im Bewusstsein der Autofahrer ankommen: Wer rechts abbiegt, muss gucken, ob einer kommt – „ob Fußgänger auf dem Bürgersteig oder Busse auf der Umweltspur.“ Auch die Stadt habe überrascht, dass sich viele Autofahrer offenbar schwer täten, angesichts der Breite der Umweltspur über diese hinweg rechts in Zufahrten abzubiegen.