Netphen. In Beienbach sollen Bauplätze für junge Familien geschaffen werden. In Hainchen will die Diakonie Bethanien eine Senioren-WG eröffnen.
Alte Menschen wollen in ihrem Dorf bleiben, auch wenn sie einmal Pflege benötigen. Junge Familien würden auch gern bleiben, wenn man ihnen denn einen Bauplatz gibt. Dass das gar nicht so einfach ist, wurde jetzt im Stadtentwicklungsausschuss deutlich.
Beienbach: Junge Familien
Angefangen habe es mit einer ersten Bauvoranfrage, berichtet Christine Loth. Dann hätten sich weitere Grundstückseigentümer zusammengetan und ihr Stadtplanungsbüro mit dem Konzept für einen Bebauungsplan beauftragt: auf 1,6 Hektar bis zu elf Einfamilienhäuser zu beiden Seiten der Schnellenbergstraße am westlichen Beienbacher Ortsrand. Die Verwaltung findet das gut: Es liege „im Interesse der Stadt Netphen, dass durch die Aufstellung des Bebauungsplanes die Umsetzung der durch den Flächennutzungsplan beabsichtigten Entwicklungsmöglichkeit genutzt wird, um benötigten Wohnraum zu schaffen“, heißt es in der Vorlage. Zumal die Grundstückseigentümer nicht nur die Kosten für die Planung übernehmen, sondern auch als Erschließungsträger auftreten und sich selbst um den Straßenbau kümmern.
„Es ist unabdingbar, dass zuerst im Dorf darüber gesprochen wird.“
Der Widerspruch muss wohl in letzter Minute gekommen sein. Rüdiger Bradtka (CDU) beantragt, über den Bebauungsplan „In der Hohl“– so soll er heißen – erst nach den Sommerferien zu beraten und vorher in Beienbach eine Bürgerversammlung abzuhalten. Die elf Häuser, immerhin acht Prozent der aktuellen Beienbacher Bebauung, hat Ortsbürgermeister Uli Brück ausgerechnet, bedeuteten eine „massive Veränderung des Dorfes“, warnt Rüdiger Bradtka und berichtet über eine Interessengemeinschaft, die sich in dem Dorf mit seinen rund 300 Einwohnern formiert hat. Viele Einwohner seien „sehr überrascht“ worden, berichtet Dr. Gerrit Kampmann (SPD). Bei einer „so massiven baulichen Veränderung“ sei es „unabdingbar, dass zuerst im Dorf darüber gesprochen wird.“ Manfred Heinz (SPD) warnt: Die Auseinandersetzung über den mitten im Dorf neben den Backes gesetzten Sirenenmast habe gezeigt, wie sensibel die Beienbacher reagieren können.
Der Ausschuss verständigt sich darauf, sich das Konzept für den Bebauungsplan vorstellen zu lassen, aber auf eine Diskussion zu verzichten. „Moderat“ werde der Ort entwickelt, erklärt Stadtplanerin Christine Loth dann, „eine Abrundung, die den Strukturen von Beienbach entspricht“. Der Flächennutzungsplan sehe für den Bereich ohnehin schon Wohnbebauung vor. „Wir haben überall Bedarf.“ Vor allem Familien seien auf der Suche nach Bauplätzen. Die vorhandenen Baulücken nützten da wenig – sie würden von den Eigentümern weder bebaut noch verkauft.
Hainchen: Wohnen für Alte
Alte Menschen ziehen nicht mehr in große Pflegeheime. „Die Zukunft ist quartiersbezogen“, sagt Hartmut Fehler, der Leitgedanke „selbstbestimmt und nie allein“. Fehler ist Geschäftsführer der Diakonie Bethanien, die mit mittlerweile 2000 Mitarbeitenden 49 Einrichtungen an 28 Standorten betreibt und mit ihren Pflegediensten täglich 3000 Menschen versorgt In Netphen betreibt das vom Bund Freier evangelischer Gemeinden betriebene Unternehmen bereits seit 2008 eine Tagespflegestation – und demnächst eine Wohneinrichtung am Dillweg in Hainchen. In einem zweigeschossigen Gebäude auf dem alten Sportplatz sollen zwölf Apartments für eine Senioren-Wohngemeinschaft entstehen, außerdem sechs Wohnungen mit Service-Anschluss.
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Hartmut Fehler zitiert aus Erkenntnissen des Kuratoriums Deutsche Altenhilfe: Alte Menschen wollen selbstbestimmt leben, auch wenn sie pflegebedürftig sind. Sie wollen sozial eingebunden sein und teilhaben, „nicht irgendwo am Rand im Wald“, betont Fehler, sondern im eigenen Dorf: „Wenn ich dann aber im dritten oder vierten Stock ohne Aufzug wohne, ist das schon etwas schwierig mit der Selbstbestimmung.“ Um zunehmender Vereinsamung entgegenzuwirken, brauche es Wohnmöglichkeiten mit Versorgungssicherheit, die bezahlbar seien: „Pflege ist unglaublich teuer.“
„Kein Mensch muss hier wieder ausziehen.“
„Menschen, die gern in Gemeinschaft leben möchten und noch recht selbstständig sind“ – so beschreibt Bianca Irle, Pflegedienstleiterin der Mobilen Pflege, die neuen Bewohner der Senioren-WGs. Sie sind Mieter, bestimmen ihren Tagesablauf, kochen mit den Mitbewohnern (oder auch nicht, wenn sie nicht wollen), stehen mit den Nachbarn in Kontakt und haben eine 24-Stunden-Betreuung einschließlich Nachtwache im Hintergrund. „Kein Mensch muss hier wieder ausziehen.“ Pflegebedarf wird an Ort und Stelle gedeckt „Ein derartiges Angebot ist im Oberen Johannland derzeit nicht zu finden“, kommentiert die Verwaltung das Konzept in ihrer Vorlage, „dies bestätigt auch das städtische Seniorenbüro und steht dem Vorhaben sehr positiv gegenüber.“ Das Projekt sei „definitiv in öffentlichem Interesse“, pflichtet Tobias Glomski (Grüne) bei.
Die Stadt hat die drei Grundstücke, auf denen die Einrichtung nun gebaut werden soll, lange nicht verkaufen können. Sie sind Teil des alten Sportplatzes, der nur deshalb als ebene Fläche angelegt werden konnte, weil zum Dillweg eine bis zu fünf Meter hohe Böschung angelegt wurde. Die wird jetzt durch eine Zufahrt zu dem Neubau durchbrochen. Der alte Sportplatz erscheint auch in der Liste der möglichen Standorte für Flüchtlingsunterkünfte. Misstrauisch ist Paul Legge (CDU), von dem die einzige Gegenstimme kommt. Er regt an, einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan aufzustellen, statt allgemein Maße für einen Baukörper festzusetzen. „Wer sagt mir denn, dass der Investor auch baut, was vorgestellt ist?“, fragt Legge, „da könnte auch wieder ein Klotz entstehen.“ Beigeordneter Andreas Fresen versucht zu entkräften: „Das wird im Kaufvertrag sehr klar definiert.“ Paul Legge: „Ich sehe keinen Kaufvertrag....“
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