Siegen. NRW-Verfassungsschutz mit „Lagebild Islamismus“: Ultrakonservative und oft auch gewaltbereite Islamismus-Strömung erhält Zulauf von jungen Menschen.
Die Stadt Siegen ist im südwestfälischen Raum ein „Hotspot“ des extremistischen Salafismus. Nicht, weil es hier Versammlungsorte oder Szene-Treffpunkte wie Moscheen oder Clubs gibt, sondern weil hier, bereits seit mehr als einem Jahrzehnt, gehäuft Personen gemeldet sind, die dieser radikalen, ultrakonservativen Auslegung des Islam anhängen. Das teilt das NRW-Innenministerium auf Nachfrage mit; der Verfassungsschutz hat kürzlich sein jährliches „Lagebild Islamismus“ veröffentlicht.
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Der Salafismus ist nach Definition der deutschen Geheimdienste eine bestimmte Strömung innerhalb des Islamismus, der wiederum politische, religiös verbrämte Ideologien beschreibt, die einen islamischen Staat fordern, die westliche Demokratie ablehnen und zumeist auch Gewalt zumindest befürworten. Der Salafismus beruft sich auf eine wörtliche Auslegung des Koran, die Anhänger richten ihr ganzes Leben auf die idealisierte „Anfangszeit“ des Islam aus und möchten die freiheitlich-demokratische Grundordnung beseitigen.
In Siegen und Umland leben Personen zentralasiatischer Herkunft mit Bezügen zu Salafismus
In und um Siegen liegt die Zahl der Personen, die der NRW-Verfassungsschutz zum extremistischen Salafismus zählt, im unteren zweistelligen Bereich. Seit jüngster Zeit würden hier zudem einige Personen zentralasiatischer Herkunft (oftmals Tadschikistan, Tschetschenien) wohnen, die ebenfalls Bezüge in den Salafismus aufweisen. So waren 2022 fünf Männer vom Oberlandesgericht Düsseldorf wegen Mitgliedschaft im „Islamischen Staat“ (IS) verurteilt worden, die zuletzt unter anderem in Siegen und Kreuztal gewohnt hatten. Auch der für politische Straftaten zuständige Staatsschutz der Polizei hat die regionale Szene auf dem Schirm und in seinem jüngsten Bericht darauf hingewiesen, dass der Salafismus vor allem Zulauf von jungen Menschen erhalte und sich Aktivitäten und damit auch die Radikalisierung stark ins Internet verlagert habe, nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie.
Jugendliche und junge Erwachsene insbesondere aus schwierigen persönlichen Verhältnissen seien laut Bericht besonders empfänglich für das simple und eindeutige Weltbild der religiösen Extremisten - zumal es diese zunehmend verstehen, junge Menschen dort „abzuholen“, wo sie aktiv sind; nämlich auf Social Media, nicht zuletzt auf TikTok. Der Zugang zum extremistischen Salafismus werde immer niedrigschwelliger, auch in Form von „Lifestyle-Versatzstücken“ für die, die eigentlich keinen konsequent religiösen Lebensstil pflegen. Extremistische Prediger inszenieren sich demnach wie Influencer und scharen so eine wachsende Online-Anhängerschaft um sich.
Konflikt in Nahost für hohe Emotionalisierung instrumentalisieren: Antisemitismus immer offener
Insbesondere der Nahostkonflikt werde von Islamisten aller Coleur für ihre Zwecke instrumentalisiert und ermögliche es ihnen, weit über ihre Kernklientel hinaus Menschen zu erreichen, bis in die Mitte der Gesellschaft hinein, heißt es im „Lagebild“. Grenzen zwischen Extremismus und Nicht-Extremismus würden in diesen hochemotionalisierten Situationen bewusst verwischt. Vor allem antisemitische Tendenzen, das Gutheißen jeglicher Gewalt gegen den Staat Israel und gegen jüdische Menschen, würden so vermehrt propagiert.
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Geografische Schwerpunkte sind demnach vor allem Großstädte: Ruhrgebiet und Rheinschiene, mit Ausläufern ins Bergische (Wuppertal), Ostwestfalen-Lippe (Minden) und weniger stark eben auch Südwestfalen mit Konzentration in Siegen. Die Nachrichtendienste haben in Nordrhein-Westfalen rund 2600 extremistische Salafisten auf dem Schirm, 600 davon seien dem gewaltorientierten Spektrum zuzuordnen.