Kreuztal. Stadt ächzt unter Zusatzbelastungen von oben, bittet Bürger und Gewerbe zur Kasse: Lange Phase finanzieller Stabilität ist für Kreuztaler vorbei.
Seit 12 Jahren hat Kreuztal die Gewerbesteuernicht erhöht, die Grundsteuer seit 9 Jahren nicht. Man sei stolz auf diese Stabilität – und müsse sich davon verabschieden, sagt Bürgermeister Walter Kiß. „Das tut sehr weh.“ 2024 wird Kreuztal höhere Steuern einfordern. „Ein bitterer Schritt“.
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In den Krisenjahren habe man alles darangesetzt, Bevölkerung und Gewerbe zu schonen. Aber angesichts mangelnder Finanzausstattung und „drastischer Zuwachs“ an Forderungen von oben für Kiß und Kämmerer Michael Kass alternativlos, wenn die Stadt nicht die Fesseln der Haushaltssicherung angelegt bekommen und in Finanzfragen weiter eigenständig handeln will.
Eckdaten: Durch Steuererhöhung verringert Kreuztal das Defizit um rund 7 Millionen Euro
Der Hebesatz für die Grundsteuer B steigt von 540 auf 790 Prozentpunkte, für die Gewerbesteuer von 420 auf 480. Das spült rund 7 Millionen Euro zusätzlich in die Kasse, das Defizit wird auf rund 8,8 Millionen verringert. Ausreichend, um nicht unter die Knute der Kommunalaufsicht zu geraten. Aber sonst für keine großen Sprünge. Insgesamt rund 15 Millionen Euro hätte die „erhebliche Schieflage“ des nun noch knapp 109,6 Millionen Euro umfassenden Kreuztaler Haushalts sonst betragen. Größter Einnahmeposten darin ist die Gewerbesteuer, die laut Etatentwurf 41,5 Millionen Euro bringt, gefolgt vom Kommunal-Anteil der Einkommenssteuer (17,5) und der Grundsteuer B (9,6). Die „mit deutlichem Abstand“ größte Summe reicht Kreuztal an den Kreis Siegen-Wittgenstein weiter: 40,5 Millionen, als ungünstigster Fall. Eine Steigerung um 6,35 Millionen Euro, die höchste Forderung des Kreishauses in der Geschichte der Stadt. Der Kreis hatte zwar noch Sparvorschläge gemacht, wie hoch die Kreisumlage tatsächlich ausfallen wird, darauf konnte sich der Kreistag trotz Appells der Bürgermeisterkonferenz in seiner Dezembersitzung nicht einigen. Danach folgen Personalkosten: 33,2 Millionen Euro. Für die Instandhaltung der Infrastruktur investiert die Stadt in Hoch- und Tiefbau rund 5,4 Millionen Euro.
„Wir haben in keiner Weise Luft für Wünsche“, richtet Bürgermeister Kiß gleich mit der Vorstellung des Entwurfs für die Haushaltssatzung den Appell Richtung Kommunalpolitik, trotz näherrückender Kommunalwahl zurückhaltend zu agieren. Man versuche, die städtischen Finanzmittel so zu streuen, dass alle Politikfelder angemessen ausgestattet sind, dass die Stadt ihre Aufgaben angemessen wahrnehmen kann.
Probleme: Förderbürokratie und Kreisumlage – 100 Millionen Euro in 10 Jahren zu viel überwiesen
„Das Thema ist traurig genug“, sagt Walter Kiß über die Finanzlage der Kommunen, die nicht nur Kreuztal betrifft. Viele Negativ-Faktoren kämen in diesem Jahr zusammen, verstärkten sich noch gegenseitig. Seit 2020 warnt und kritisiert die kommunale Familie die chronische Unter- und mangelnde Refinanzierung weiter Teile der ihnen zugewiesenen Aufgaben. Corona, Ukraine, Geflüchtete – der Bürgermeister verweist angesichts andauernder und sich überlagernder Krisen erneut auf den „Brandbrief“ hunderter Bürgermeister ans Land NRW, in dem Ende September auf das drohende Ende der kommunalen Selbstverwaltung, der finanziellen Eigenständigkeit hingewiesen wurde.
Steuereinnahmen stagnieren, Zuweisungen werden gekürzt, Kosten steigen, etwa für Personal oder Leistungen der Daseinsvorsorge. Dazu Inflation, Deutschlandticket, Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen – die Liste ließe sich fortsetzen. Städte und Gemeinden seien flächendeckend überfordert. Zumal nun auch der Buchungstrick der Corona-Hilfen wegfällt, der ohnehin keine echte Finanzhilfe war, weil Kredite einfach über längere Zeiträume abgestottert werden konnten.
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Ein grundlegendes Problem: Förderbürokratie. Mittel für alles mögliche seien nur so lange vorhanden, wie Geld im Topf ist, danach müsse die Kommune sehen, wie sie ohne Unterstützung aus Düsseldorf weiter klarkomme. Wobei gar nicht alle zum Zuge kämen, denn Fördermittel müssen aufwendig beantragt werden, was enorm Kapazitäten binde. Unterbringung von Flüchtlingen, auch hier warnen die Kommunen seit Langem: „Das belastet sehr stark“, sagt Kiß. Die Kreisumlage, „ein Ärgernis, das sich seit Jahren fortsetzt“: Während der Kreis Jahr für Jahr sein Ergebnis verbessere, partizipieren die Kommunen nicht. „Wir erleben es jedes Jahr, dass der Bedarf höher dargestellt wird“, kritisiert der Vorsitzende der Bürgermeisterkonferenz Siegen-Wittgenstein. In zehn Jahren seien auf diese Weise 100 Millionen Euro übriggeblieben, die die Städte und Gemeinden überwiesen hätten, die dann aber nicht gebraucht wurden. „Da hätten wir ein bisschen was mit anfangen können.“
Investitionen: Auf Kreuztals Straßen „weiteren Verlust von Infrastruktur aufhalten“
Auch mit weniger Geld „haben wir einiges an Aufgaben vor uns“, so Kiß. Ein Großteil auch davon sei fremdbestimmt – wie der Ausbau der Grundschulen, um dem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung räumlich gerecht werden zu können. Ein Batzen von rund 20 Millionen Euro, zu dem das Land 1,25 Millionen Euro beisteuert, wie der Bürgermeister anmerkt. Oder das Straßenausbauprogramm, was der Verwaltungschef kommentiert mit „den weiteren Verlust von Infrastruktur aufhalten“. Über Jahrzehnte seien die Kreuztaler Straßen vernachlässigt worden, zuletzt wegen der ungeklärten Situation in Sachen KAG. Die sind zwar abgeschafft, „die Unsicherheit bleibt aber“. Denn die „Ersatzfinanzierung“ sei nach aktuellem Wissenstand wohl wenig geeignet – mal wieder geht es um Fördermittel. „Wir werden es wohl bezahlen müssen und hoffen, dass wir das Geld irgendwie wiederkriegen.“
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Apropos: An der Generalsanierung des Freibads Buschhütten steht ein großes Fragezeichen, die Bundesregierung hat den Fördertopf im Zuge ihrer Sparmaßnahmen gestrichen, aus denen Kreuztal das finanzieren wollte. „Die Zuschussfrage muss geklärt sein, sonst ist das nicht möglich“, betont der Bürgermeister.
Für den Neubau der abgebrannten Stadthalle, an welchem Standort auch immer, steht Geld im Haushalt bereit, zumindest für die Planung und eine Anfinanzierung der Baukosten. Und da ist ja auch immer noch die geplante Erweiterung des Schulzentrums um eine vierte Etage, die von der Sache mit der Stadthalle ein Jahr lang aufgehalten wurde. Ein Jahr dürfte wohl auch noch vergehen, bis auf dem Ferndorfer Bender-Gelände die Bagger rollen – zumindest aber könne hier der nächste Schritt getan werden, weil der AAV (Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung) NRW Kreuztal bei der Planung und Sanierung des Untergrunds unterstützt. Für die Neue Mitte Buschhütten sei aufgrund des guten Baufortschritts nur noch eine Restfinanzierung erforderlich: „Erfreulich“. Die Kosten seien weitgehend über Zuschüsse kompensiert.
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Das neue Feuerwehrgerätehaus für Ferndorf und Kredenbach ist dieses Jahr dran, der Zustand des alten spreche für sich, sagt Walter Kiß. „Seit Jahren haben wir uns den Radwegebau auf die Fahnen geschrieben“, ergänzt Michael Kass: Die Reaktivierung der Route Eichen-Kreuztal („Schwarzer Weg“) etwa, die Verlängerung der Strecke zwischen Littfeld und Krombach, generell die Beleuchtungssituation.