Siegen-Wittgenstein. Im Dezember hätten 113 Bäume in Siegen-Wittgenstein ihren Schutz als Naturdenkmale verloren. Die Politik hat dieses Ansinnen erst einmal gestoppt
Die Liste der 267 Naturdenkmale im städtebaulichen Innenbereich im Kreis Siegen-Wittgenstein bleibt vorerst unangetastet – wenn der Kreistag am 24. September der Empfehlung folgt, die der Umweltausschuss auf Antrag der Grünen mit 10 gegen 6 Stimmen beschlossen hat. Vom Tisch wäre damit die Empfehlung der Kreisverwaltung, die Liste auf 154 Objekte zu verkürzen.
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Zwei Beispiele aus Siegen-Weidenau und Kreuztal-Eichen
Ihren Schutzstatus behält somit zunächst auch die mächtige Blutbuche in der Weidenauer Straße. Die Buche stehe zwischen zwei Wohnhäusern und müsse ständig zurückgeschnitten werden. „Aufgrund des Standortes sollte der Baum aus dem Schutz entlassen werden“, heißt es in der Vorlage. Zu den Nachbarn, die ihren Widerspruch öffentlich gemacht haben, gehörten die Inhaber der Herz-Apotheke. „Bäume in städtischen Lagen sollten besonders geschützt sein“, heißt es in dem Schreiben, „betrachtet man den Aufschrei nach der unsäglichen Baumfällaktion am Siegufer, wird das Ganze noch skurriler.“ In dem Schreiben wird die Vermutung geäußert, dass der Baum einem Bauvorhaben der Kreiswohnungsbau- und -siedlungsgesellschaft im Weg stehen könnte, die das Backsteinhaus zwischen zwei Neubauten, darunter dem Siegbogen, gekauft hat.
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Auch um die fünf Buchen und zwei Linden am Stendenbacher Weg in Eichen muss sich Dieter Gebauer (Grüne) zumindest vorerst keine Sorgen mehr machen. Der Eigentümer des parkähnlichen Gartengrundstücks habe zwar nicht vor, die Bäume zu fällen. Ihm säßen aber die Nachbarn im Nacken, die sich von den Bäumen gestört fühlen und die Fällung womöglich gerichtlich erzwingen könnten, wenn der Denkmalschutz erst einmal aufgehoben ist: „Die Nachbarn scharren schon mit den Hufen.“
Die Argumente für und gegen den Schutz der Bäume in Siegen-Wittgenstein
Die Verwaltung begründet ihr Vorgehen: Es handele sich um „nüchterne, sachliche Erwägungen“, sagt Umweltdezernent Arno Wied. Landrat Andreas Müller sieht die Kritik an der falschen Stelle adressiert: „Wer Bäume schützen will, muss das mit einer Baumschutzsatzung tun. Wir schützen nicht Bäume, sondern Naturdenkmale.“ Müller verstärkt die Erklärung mit einem Vergleich: „Wir können nicht jede Wohnung als Denkmal einstufen, damit kein Wohnraum vernichtet wird.“ Arno Wied erinnert daran, dass der Kreistag erst im März die Beurteilungskriterien und Maßstäbe beschlossen habe, nach denen die neue Liste entstanden ist. Für die Pflege und Unterhaltung der Naturdenkmale im Innenbereich, für die der Kreis durch die Unterschutzstellung zuständig wird, gibt der Kreis jährlich im Schnitt 30.000 Euro aus, das Land steuert dazu 50 bis 70 Prozent bei. Hinzu kommt Personalaufwand, den die Kreisverwaltung mit umgerechnet einer Drittelstelle in der Naturschutzbehörde beziffert. Ehrenamtliche Naturschutzwächter übernehmen die zwei Mal jährliche Kontrolle der Bäume.
Zahlen
267 Bäume im städtebaulichen Innenbereich, die bisher unter Schutz stehen, sind Thema der aktuellen Diskussion. Naturdenkmale im Außenbereich sind über die Landschaftspläne geschützt.154 Bäume sollen nach dem Entwurf der neuen Verordnung den Schutzstatus behalten. Bis zu 65 müssten hinzukommen, wenn der Naturschutzbeirat seine Position durchsetzt.4 Bäume sollen neu in die Schutzverordnung aufgenommen werden. Vorgeschlagen wurden von Privatpersonen und Vereinen 39.190 Bäume sollten im Jahr 2000 aus der damals 339 Positionen langen Naturschutzverordnung gestrichen werden. Die Liste trat 2001 ohne den Kahlschlag in Kraft.
Vorsitzende Jutta Capito (CDU) warnte: Sie wisse von Grenzbäumen in Neunkirchen, die bei Aufhebung des Schutzstatus sofort gefällt würden. Dezernent Arno Wied räumt ein, dass Bäume an Grundstücksgrenzen gefährdet sind. „Da ist der Siegerländer der Säge sehr nah.“ Thomas Christian (SPD) äußert Verwunderung, dass im Kreisgebiet nur die Stadt Siegen eine Baumschutzsatzung hat: „Das ist doch ein wichtiges Instrument.“ Andreas Weigel (FDP) mag nicht glauben, dass Eigentümer ihre Bäume fällen, sobald sie nicht mehr daran gehindert werden: „Wir können den Bürgern ein bisschen mehr zutrauen.“
In Siegen-Wittgenstein „auf keinen Fall Bäume ummachen, die erhaltenswert sind“
„Die Kommunen sind gar nicht in der Lage, so schnell Baumschutzsatzungen aufzustellen“, wendet Vorsitzende Jutta Capito (CDU) ein. Tatsächlich spielt Zeit bei dem Thema eine große Rolle:
Im März hat der Kreistag Leitlinien für die Verordnung beschlossen, deren Entwurf auch den Städten und Gemeinden bekannt ist. Die angehängte Auflistung der einzelnen Bäume aber wird – Arno Wied: „Pandemiebedingt verzögert“ – der Politik und Verwaltungen erst vor etwa 14 Tagen zugeleitet.
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Am 24. September soll der Kreistag die öffentliche Auslegung des Entwurfs der neuen Verordnung beschließen. Von diesem Moment an sind alle Naturdenkmale in der dann angehängten Liste vorläufig, für höchstens drei Jahre, sichergestellt. Nun beginnt ein Beteiligungsverfahren, in dem sich Kommunen und Privatleute sowie weitere Institutionen äußern können. Bereits am 14. September will eine Runde aus Mitgliedern des Naturschutzbeirates und der Naturschutzbehörde über die etwa 60 bis 65 strittigen Bäume verhandeln, die ihren Schutz verlieren (Behörde) oder behalten (Beirat) werden.
Am 9. Dezember tritt die bisherige „Ordnungsbehördliche Verordnung“ außer Kraft – auf den Tag 20 Jahre nach ihrem Inkrafttreten. So ist es in der Verordnung festgelegt. Ab 10. Dezember wären damit alle bisherigen Naturdenkmale ohne Schutzstatus – bis auf die, die in die neue Verordnung aufgenommen worden sind.
Im März 2022 soll der Kreistag die neue Verordnung als Satzung beschließen.
„Wir dürfen auf keinen Fall dulden, dass Bäume umgemacht werden, die erhaltenswert sind“, fordert Stephan Hoffmann (CDU) und regt ein „Zeitfenster“ an, „in dem kein Unsinn gemacht werden kann“. Dezernent Arno Wied bestätigt die „Lücke“ im Schutz für die Bäume, die nicht mehr auf der Liste stehen – die werde erst im Frühjahr zu schließen sein, falls der Kreistag die neue Verordnung noch einmal verändert, bevor er sie als Satzung beschließt. Das wird dann durch die Mehrheit für den Antrag der Grünen verhindert: Der Kreistag soll die „alte Liste“ in das Beteiligungsverfahren geben. Denn damit verbunden ist die „vorläufige Sicherstellung“ aller bisherigen Naturdenkmale – und der vier Bäume, die die Denkmalplakette neu erhalten sollen.
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