Siegen. Vor Gericht in Siegen: Ein Mann und seine Schwager beladen laut Anklage erst den Schrott-Laster, bevor sie sich darum kümmern, ob sie das durften
War es nun gewerbsmäßiger Bandendiebstahl, wie die Staatsanwaltschaft ursprünglich angeklagt hat? Oder eher eine gute Tat, die versehentlich in den kriminellen Bereich abgerutscht ist, wie der Angeklagte M. versichert? Knapp 90 Minuten bemühen sich Amtsrichter Uwe Stark und seine Schöffen, mehr Licht in den Sachverhalt zu bringen. Am Ende bleibt vieles offen, aber es gibt eine Geldstrafe gegen den 53-jährigen Siegener auf dem Sünderstuhl. Dazu die Erkenntnis des Richters in dessen Richtung: „Die Wahrheit kennen nur Sie!“
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Zunächst einmal der Vorwurf: Der Mann soll am 29. Januar 2021 zunächst mit zwei Komplizen in den Keller eines unbewohnten Hauses in der Heeserstraße eingedrungen sein, wo ein Verbandskasten und ein Überbrückungskabel gestohlen wurden. Später am gleichen Tag hat das Trio nach den Ermittlungen gleich zweimal vorgeblichen Schrott auf dem Gelände der Siegener Kreisbahn verladen und zu einem Schrotthändler transportiert. Ohne Genehmigung. Für die erste Ladung sollen sie 348,75 Euro kassiert haben. Beim zweiten Mal konnte nichts verkauft werden. Weil die Polizei und ein Mitarbeiter der Kreisbahn dort vorstellig geworden seien.
Die Idee: Legal Schrott in Siegen sammeln, um die Brüder der Frau zu unterstützen
Der Verteidiger legt im Namen des Angeklagten ein Geständnis ab, weist jedoch den Vorwurf der Bandenzugehörigkeit für seinen Mandanten zurück, der ansonsten nun selbst „die Umstände erklären werde. Was M. auch lang und ausschweifend tut. „Erstmal einen schönen guten Morgen“, beginnt der Mann, gibt die Taten zu, versichert aber zugleich, sich damals der Tragweite und Strafbarkeit seines Handelns nicht bewusst gewesen zu sein. Die Brüder seiner Frau lebten in Bulgarien, hätten sehr unter Virus und Lockdown gelitten: „Die arbeiten als Tagelöhner. Ich wollte sie unterstützen, habe aber eine kleine Rente“, sagt der Angeklagte, der hier und da schon einmal ganz legal Schrott gesammelt und verkauft haben will.
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Das sei auch damals die Idee gewesen, mit seinem Lkw auf legale Sammeltour zu gehen und sämtliche Erlöse direkt nach Bulgarien zu den Familien der beiden Schwager zu schicken, die ihrerseits nach Siegen gekommen seien. Ein Halt sei das erwähnte Haus gewesen, wo er gehofft habe, einen Hausmeister oder anderen Verantwortlichen zu treffen. Den wollte er fragen, ob es in Ordnung sei, das aus seiner Sicht vor dem Abriss stehende Gebäude für den guten Zweck zu entrümpeln. Sie seien dann aber nur im Keller gewesen, nachdem der „kräftigere Bruder meiner Frau“ die Tür geöffnet hatte. Von einem Nachbarn angesprochen, zogen sich die drei Männer nach der Version des M. wieder zurück.
Kreisbahn-Mitarbeiter in Siegen winkt ab – der Schrott ist trotzdem weg
Dass seine Begleiter den „ranzigen Plastikverbandskasten“ und das Kabel mitgenommen hatten, will er erst im Wagen bemerkt haben: „Ich weiß gar nicht, was die damit wollten.“ Dann seien sie zum Bahngelände gefahren, wo ein Schrotthaufen gelegen hätte. Ein dort angetroffener Lkw-Fahrer, „dem wir 50 Euro gaben, hat gesagt, wir dürften das aufladen“. Allerdings sei sein Laster schon ziemlich voll gewesen: „Wir haben nur einen Wagen mit Rädern aufgeladen und sind dann erst einmal zum Händler gefahren. Dann wieder zurück.“ Beim zweiten Mal sei ihnen zwischendurch von Bahnverantwortlichen erklärt worden, sie dürften nichts mitnehmen, hätten wieder abgeladen. Weil es sonst eine Anzeige gäbe. M. will den Zweck seiner Aktion erklärt haben, der Verantwortliche sei aber fest geblieben.
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Allerdings soll er dann mit einer abwinkenden Handbewegung gegangen sein. Die zumindest die Schwager so verstanden hätten, als dürfe ein Rest auf dem Lkw verbleiben. Wie viel das gewesen sei, kann der Angeklagte nicht mehr sagen. „Immerhin doch noch anderthalb Tonnen“, hält Staatsanwalt Rainer Hoppmann vor.
Für die einen sieht es wie Schrott aus – die Kreisbahn Siegen verarbeitet es aber noch
Was für andere wie Schrott aussehe, könne die Bahn noch verarbeiten, versichern gleich zwei leitende Mitarbeiter des Unternehmens. Beide bestätigen, dass der Angeklagte von der Not seiner Verwandten berichtet und auch einen Lkw-Fahrer erwähnt hat, der ihn aufs Gelände gelassen habe. Von 50 Euro sei aber nicht die Rede gewesen. Und eine Erlaubnis zum Aufladen habe es nicht gegeben. Auf einmal sei der Wagen des Angeklagten weg gewesen, „ziemlich zügig“, und nicht wie zugesagt entladen. Größerer Schaden sei aber nicht entstanden. „Wir haben uns einen Teil zurückgeholt“, sagt ein Bahninspektor. Das Tor sei aufgehebelt worden. Ein Schuldiger kann aber nicht benannt werden.
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Ein Zeuge beim unbewohnten Haus erinnert sich, der Angeklagte habe sich als Mann vorgestellt, „der für den Abriss zuständig“ ist. Ob der Verbandskasten eine „Sonderanfertigung von Dior mit Diamantenaufsatz“ gewesen sei, will Richter Stark wissen. Der Nachbar verneint.
Brüder der Frau wollten nicht vor Gericht – und wurden gegen Schwester handgreiflich
Der Staatsanwalt sieht nach der Beweisaufnahme noch zwei Diebstähle erwiesen, aber keine Absprachen oder gar Gewerbsmäßigkeit. Der Verteidiger definiert seinen Mandanten höchstens als Gehilfen. Der habe nur unterstützen wollen, keine Vorteile gehabt und sogar noch ein anhaltendes Zerwürfnis mit den Brüdern seiner Frau erlebt. Die nicht einsehen wollten, sich für die Taten verantworten zu müssen. Es sei zu Handgreiflichkeiten gegen die eigene Schwester durch die beiden gekommen, die Polizei musste gerufen werden. Die Ehefrau des Angeklagten nickt. Dieser entschuldigt sich noch einmal.
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Das Gericht verurteilt ihn zu einer Geldstrafe von 2400 Euro. Als Täter. Das sei nicht zu hoch und angemessen, betont Stark. Nach den Zeugenaussagen sei nicht ganz sicher, „ob Sie wirklich so unschuldig sind. Aber wir haben über die Taten zu richten, nicht über Sie!“ Vorstrafen gibt es keine von Belang, mit Ausnahme einer Insolvenzverschleppung. Das Urteil wird sofort rechtskräftig. Und der nunmehr Verurteilte fachsimpelt mit seinem Rechtsbeistand über Cadillacs aus einem Museum im Westerwald. Darauf hat sich auch die Vorstrafe bezogen.