Burbach/Siegen. Neues im Burbach-Prozess: ehemaliger Polizeibeamter sagt gegen Wachmann aus – und bereut, nicht auf dessen Entlassung gedrängt zu haben.

Der Burbach-Prozess geht in eine lange Osterpause, erst am 14. April wird weiterverhandelt. Damit hat die Kammer Zeit genug, um über die Abtrennung zweier weiterer Verfahren sowie eine bereits beantragte Einstellung zu beraten. Es geht also derzeit gut voran, wie auch Oberstaatsanwalt Christian Kuhli gut gelaunt ausruft.

Die langen Gespräche des Anklagevertreters mit den Anwälten tragen Früchte. Nachdem in dieser Woche zwei am 3. März beantragte Einstellungen vom Gericht bestätigt wurden, folgen an diesem Mittwoch drei weitere Einlassungen, von denen eine auch von Kuhli direkt mit einem Einstellungsantrag gewürdigt wird. Der frühere Polizeibeamte W. (44) soll 1.800 Euro an „Ärzte ohne Grenzen“ zahlen, was dieser auch bestätigt. Für ihn rückt damit das Ende einer langen Leidenszeit näher, wie er zuvor von seiner Anwältin verlesen lässt.

Keine Erfahrung mit Führung des Sicherheitsunternehmens seiner Ehefrau

Er habe immer Menschen helfen und der „perfekte Polizist, der die Welt rettet“ sein wollen, lässt der Angeklagte vortragen. Er habe es mit Fleiß und vielen Überstunden auch zu einer ordentlichen Karriere geschafft, an der allerdings seine erste Ehe zerbrochen sei. Seine jetzige Ehefrau kaufte dann das Sicherheitsunternehmen eines seiner besten Freunde, der überraschend verstorben sei.

Er selbst verfüge über keinerlei Erfahrungen mit der Führung eines solchen Unternehmens, habe sie daher lediglich unterstützt; später allerdings durch Komplikationen bei der Schwangerschaft seiner Frau immer mehr Verantwortung übernehmen müssen. Was schließlich auch zu den aus seiner Sicht unglücklichen und völlig unberechtigten Vorwürfen gegen ihn führte, die im Ausschluss aus dem Polizeidienst gipfelten.

Geschockt von Zuständen der Einrichtung in Burbach

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In Burbach sei er überwiegend nur gewesen, um seinen Schwager zum Dienst zu fahren, habe einen Tag- und einen Nachtdienst selbst mitgemacht und sich einen Überblick verschafft. Ihr Mandant sei geschockt gewesen über die Zustände in der Einrichtung und den Umgang miteinander. Als die Firma der Ehefrau am 1. August 2014 für ein anderes Sicherheitsunternehmen dort tätig wurde, sei das „Problemzimmer“ schon nicht mehr offiziell genutzt worden. Vorher, so habe er erfahren, seien dort Randalierer bis zum Eintreffen der Polizei festgesetzt worden. Mehr habe er vor den Presseberichten nicht darüber gewusst.

Ausführlich wird auf den Tatvorwurf vom 15. August 2014 eingegangen, in deren Verlauf ein Bewohner im „PZ“ geschlagen und später in demütigender Weise fotografiert wurde. Der Angeklagte sei zum Zeitpunkt des Fotos nicht mehr im Raum gewesen, erklärt seine Anwältin. Er berichtet aber, gemeinsam mit dem Kollegen H. in der Küche gesessen und Lärm gehört zu haben. Der später Geschädigte sei im nicht verschlossenen Raum gewesen, offenbar unter Alkohol und Drogen, habe wild um sich geschlagen und getreten.

Mitangeklagter soll Bewohner in Burbach mit Schlagstock geschlagen haben

H. und er hätten sich bemüht, den wütenden Menschen ruhigzustellen und zu fixieren, auch zum Schutz für diesen. W. selbst sei wieder „im Polizeitunnel“ gewesen, habe dem Bewohner die Arme auf den Rücken gedreht, was „ohne Widerstand völlig schmerzfrei“ sei und Handschellen angelegt. Geschlagen habe nur der einem anderen Wachdienst angehörende Mitangeklagte K., mit einem Schlagstock gegen Beine und Gesäß. Sonst niemand.

W. betont, K. als einen Mann beobachtet zu haben, der Vorgänge gern eskaliert und Gelegenheiten zur Gewaltanwendung gesucht habe. Darüber seien auch Gespräche mit dessen Vorgesetztem geführt worden. Heute bedauere er, nicht nachhaltiger auf dessen Entlassung gedrängt und die ihm nicht gefallenen Vorgänge in der Einrichtung nicht angezeigt zu haben. Für ihn sei es immer um das Wohl der Menschen gegangen. Sollte er noch einmal in eine solche Situation kommen, werde er mit Sicherheit anders und früher handeln. Er habe viel gelernt, auch darüber, was in Menschen vorgehe, die traumatisiert aus einem Kriegsgebiet kämen. Es tue ihm alles aufrichtig leid.

Sozialbetreuer und weiterer Wachmann geben Beteiligung an einigen Fällen zu

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Nicht ganz so ausführlich, aber mit ähnlichem Tenor, lassen sich zwei weitere Männer ein, ein Sozialbetreuer und ein anderer Wachmann. Sie lassen vortragen, sich an viele Fälle nicht zu erinnern, geben ihre Beteiligung an anderen aber unmissverständlich zu. Damals hätten sie Dinge für richtig und auch legal gehalten, durch die Vorgaben der Vorgesetzten, die sie heute völlig anders einschätzten. Und immer wieder fällt das Wort Überforderung, „bei vier Wachleuten und mehr als 1000 Bewohnern, die sich teils feindlich gegenüberstanden“.

Dennoch habe es auch viel Hilfe seitens der Wachleute für die Bewohner gegeben, heimlich, „weil wir es eigentlich nicht durften!“Hier reagiert der Oberstaatsanwalt mit umfangreichen Einstellungen. Die verbleibenden Anklagepunkte könnten zeitnah in abgetrennter Verhandlung abgeurteilt werden. Für den nächsten Verhandlungstag im April sind wiederum schon zwei Einlassungen avisiert.

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