Siegen-Wittgenstein. Wenn etwa Windräder in die digitale Landschaft platziert werden, kann das die Akzeptanz für Klimaschutzprojekte steigern. Die Uni Siegen forscht.

Windparks, Radwege, Ladesäulen – um die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen zu erhöhen, werden häufig Bürgerinnen und Bürger beteiligt. Neue Formen der digitalen Bürgerbeteiligung hat das Siegener Forschungsprojekt „Creative Citizen“ erforscht, das über drei Jahre bis 2021 mit Mitteln der Europäischen Union und des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert wurde.

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In dem Projekt arbeiteten Informatiker und Politikwissenschaftler der Universität Siegen mit dem Dortmunder Softwareentwickler Geomobile GmbH zusammen. „Bei der Nutzung von Online-Beteiligung bestehen enorme Potenziale. Neue digitale Technologien können wirksam dabei helfen, Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen zu erzeugen“, fasst Projektleiter Dr. Jörg Radtke aus der Siegener Politikwissenschaft die Ergebnisse zusammen. „Es können neue Räume für die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger erschlossen werden – aber es gibt dabei auch Grenzen, die man ernst nehmen sollte“.

Klimaschutz Siegen-Wittgenstein: Reale Orte erleben, Effekte unmittelbar abschätzen

Im Mittelpunkt des Projekts stand die Frage, wie man überzeugende digitale Angebote schaffen kann. Das Forschungsteam experimentierte hierbei mit den Technologien der Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) und bildete einen Windpark dreidimensional ab. Hierzu kooperierte das Team mit dem Windpark-Betreiber Rothaarwind GmbH, welcher derzeit in Südwestfalen einen Windpark plant. Eine weitere Kooperation mit der Stadt Olpe widmete sich der Neugestaltung von öffentlichen Flächen, die gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern gestaltet werden können.

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Bei den entwickelten VR- und AR-Tools beobachteten die Wissenschaftler, dass die Angebote am Anfang sehr gut angenommen wurden, das Interesse aber schnell nachließ, wenn die Anbieter nicht regelmäßig neue Inhalte produzierten und bereitstellten. „Professionalisierung spielt hier eine große Rolle“, schlussfolgert Lennart Borg von der im Projekt beteiligten Geomobile GmbH. Häufig werde bei größeren Projekten ein Auftrag an Agenturen erteilt, die die Online-Bürgerbeteiligung intensiv betreuen.

Durch Verwendung von Augmented Reality ist es möglich, dass beispielsweise eine Parkbank oder ein Baum an einem Seeufer platziert werden kann. Dies geschieht vor Ort mithilfe des Smartphones. Im realen Bild der Handykamera wird das Objekt realitätsgetreu in die echte Umgebung hinein visualisiert. Dies habe zwei Vorteile: Personen erleben die realen Orte und Effekte können unmittelbar abgeschätzt werden. „Das stellt einen immensen Unterschied zur abstrakten Planung am Bildschirm dar und bietet einer aktiven Bürgermitsprache einen neuen Aspekt an“, erläutert Prof. Dr. Volkmar Pipek von der Universität Siegen, der das Informatik-Teilprojekt geleitet hat.

Uni Siegen: Online-Bürgerbeteiligung scheitert oft, weil Bürger nichts davon wissen

Die Forscher fanden allerdings heraus, dass die Anbieter von Online-Bürgerbeteiligungen häufig vor zwei großen Hürden stehen: Oft stünden nur geringe finanzielle Mittel zur Verfügung und es fehle an öffentlichkeitswirksamer Werbung für die Beteiligungsformen. „Viele BürgerInnen wissen schlichtweg nichts von den Angeboten. Das Interesse muss aktiv hergestellt werden. Hierfür ist breite Öffentlichkeitsarbeit nötig“, sagt Radtke.

Haben die Menschen das Gefühl, dass über ihren Kopf hinweg entschieden wird, sehen sie Klimaschutzmaßnahmen kritischer, so die Uni.
Haben die Menschen das Gefühl, dass über ihren Kopf hinweg entschieden wird, sehen sie Klimaschutzmaßnahmen kritischer, so die Uni. © Unbekannt | Uni Siegen

Klar wurde in den Auswertungen außerdem, dass sich die Akzeptanz für Online-Beteiligung dann erhöht, wenn die Bürger merken, dass Klimaschutzmaßnahmen nicht „über ihren Kopf hinweg“ entschieden und umgesetzt werden, sondern sie alles erfahren, angehört werden und ihre Meinung sagen können. „Höhere Erwartungen können aber auch stärkere Enttäuschung erzeugen“, erläutert Jörg Radtke. „Die Zeit, die Bürger investieren, erhöht auch eine Anspruchshaltung, was die Resonanz angeht. Niemand gibt gerne einen Input, auf den nichts folgt. Feedback ist also sehr wichtig.“

Mehrheit findet: Im eigenen Landkreis muss mehr für Klimaschutz passieren

Besonders aufschlussreich sind für die ForscherInnen die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage zur Windenergie-Nutzung, welche vor wenigen Wochen zusammen mit Praxispartnern durchgeführt wurde. Hierzu wurden 2500 Personen in NRW befragt. Eine große Mehrheit ist der Meinung, dass im eigenen Landkreis mehr für den Klimaschutz getan werden muss, etwa 60 Prozent unterstützen auch den Windkraft-Ausbau vor Ort, Bürgerbeteiligung wird dabei explizit gewünscht.

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„Es hat uns nicht überrascht, dass sich die Bevölkerung im Rahmen der Windkraft-Planung gute und vielfältige Informierung wünscht“, kommentiert Dr. Radtke die Ergebnisse, „aber einen Austausch mit anderen Bürgern wünscht sich die Mehrheit in Präsenz, nicht digital“. Wenn also über Klimaschutz-Maßnahmen wie Windparks, Ladesäulen oder Radwege diskutiert werden soll, führe an realen Gesprächen in der Stadthalle kein Weg vorbei. „Wir sprechen uns daher für Hybrid-Formate aus“, erklärt Radtke.