Siegen. Wegen versuchten Totschlages stehen zwei Brüder in Siegen vor Gericht. Als Motiv kommt eine Affäre mit der der Ehefrau des Älteren ins Spiel.
Gegen 15 Uhr wird der letzte Zeuge des Tages aufgerufen. „Draußen sitzt keiner“, erklärt eine Wachtmeisterin vor der Tür zum Saal 165 im Landgerichtsgebäude. „Was?“, ruft Richterin Elfriede Dreisbach entsetzt. Danach beendet sie den Verhandlungstag in Siegen. Weil der praktisch einzige neutrale Beobachter des Geschehens vom 22. Juli 2021 nicht gekommen ist. Da sollen zwei Brüder versucht haben, ihren Schwager zu töten, der angeblich eine Affäre mit der Ehefrau des Älteren hatte.
Es ist Tag zwei der Hauptverhandlung. Am 20. Januar hat der jüngere Bruder A. bereits eine Aussage gemacht, respektive von seiner Anwältin vortragen lassen, darin der Anklage in wesentlichen Punkten widersprochen. Nun ist der andere an der Reihe, der dem Schwager einen Messerstich in den Nacken und zwei weitere Stiche ins Bein versetzt haben soll. H. lässt sich zum Teil über Rechtsanwalt Andreas Trode ein, macht aber auch selbst Angaben.
Siegen: 40-Jähriger will über die Affäre die Wahrheit wissen
Der 40-Jährige bestätigt, von seiner Schwester gehört zu haben, dass deren Mann und seine Frau ein Verhältnis hatten, und ebenso, dass er seine Frau daraufhin zu Hause zur Rede gestellt hat. Er habe sie auch mit einer Hand am Hals gepackt, aber nicht fest zugedrückt. Sie seien 17 Jahre verheiratet, es sei nie zuvor von seiner Seite zu Handgreiflichkeiten gekommen. Wenn sie in der Situation keine Luft mehr bekommen habe, könne er das nicht bestreiten. Gewollt gewesen sei es aber nicht.
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In der Folge hätten sie sich schnell wieder versöhnt. Er habe seine Schwester für die aus seiner Sicht falschen Angaben beschimpft und beleidigt, allerdings nicht mit Gewalt oder gar „Schlachten“ bedroht. Seine Frau habe er geliebt und ihr auch geglaubt. Allerdings sei es ihm dennoch wichtig gewesen, eine Aussprache mit seinem Schwager herbeizuführen. Er sei bereit gewesen, sich scheiden zu lassen und Siegen zu verlassen, wenn die Sache stimme. Aber er wollte die Wahrheit wissen.
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Sein Mandant sei an jenem Abend zum Schwager gefahren und habe durchaus an eine Schlägerei geglaubt, sagt Anwalt Trode. Mehr sei aber nicht geplant gewesen. Das Messer hätte seit längerer Zeit im Auto gelegen, sei aber erst ins Spiel gekommen, als der Schwager seinerseits die Auseinandersetzung mit einem solchen Gegenstand eröffnete. „Ich war noch nicht aus dem Auto, als ich einen Schlag auf den Kopf bekam. Es schmerzte und brannte, ich konnte vor Blut kaum etwas sehen“, sagt H. durch einen Dolmetscher. Sie hätten sich dann mit Messern gegenseitig in Schach gehalten, er einmal über die Schulter des anderen geschlagen. Möglicherweise stamme daher die Verletzung am Genick des Schwagers. Jedenfalls habe er diese nicht bemerkt, der Gegner sei bis zuletzt sehr munter gewesen.
Gericht in Siegen: Stiche ins Bein gibt der Angeklagte zu
Die Stiche ins Bein gibt der Mann zu, der Schwager habe ihm zuvor ins Gesicht getreten. Später im Krankenhaus, wo H. seine Kopfwunde versorgen ließ, will er nichts davon gesagt haben, den Schwager getötet zu haben. Er selbst habe sich seelisch durch die ganze Situation getötet gefühlt. Durch die Arabischkenntnisse von Richter Dr. Fadi Al-Deb’i wird im Laufe des Vormittags deutlich, das längst nicht alles so klar ist, wie es eingangs wirkte, dass statt Schlachten auch Schlagen gemeint sein könnte, oder umgekehrt. Dass auch andere Aussagen durchaus differenzierter gesehen werden müssen.
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Der Schwager bestätigt später praktisch Wort für Wort die Anklage, weist alles zurück, was die Brüder vorgebracht haben. Er habe zu keinem Zeitpunkt geschlagen und keine Waffe gehabt. Wenn ein Teppichmesser aus seinem Besitz vor Ort gefunden worden sei, müsse H. das mitgebracht haben. „Alle meine Werkzeuge waren bei ihm“, behauptet der Zeuge. Weil er einige Zeit davor dem H. beim Tapezieren geholfen hätte.
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Ob es die Affäre, die irgendwo für den Anlass des gesamten Familiendramas sorgte, tatsächlich gab, oder was die Schwester der Angeklagten bewogen haben könnte, eine Geschichte zu erfinden, bleibt an diesem Freitag völlig außen vor. Der Schwager, der von den Stichen ins Bein immer noch hinkt, wird weder vom Gericht, von der Staatsanwältin noch den Anwälten danach gefragt. Seine Frau macht vom Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, wie auch Frau und Sohn des älteren Bruders. Ein Nachbar des Schwagers, der ihm nach dem Vorfall zu Hilfe eilte, hätte vielleicht ein wenig objektive Einblicke geben können. Aber der ist nicht gekommen. Nächsten Freitag geht es weiter.
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