Ist es überhaupt der Job von Rat und Verwaltung, sich per Streaming selbst in das gewünschte Licht zu setzen? Fragt Steffen Schwab,
Erinnern Sie sich an Google Street View? Vor zehn Jahren wollte Google aus seinen Landkarten auch die Häuser sichtbar machen und musste lauter graue Flecken produzieren, weil die Grundstückseigentümer widersprachen. Seitdem machen die Google-Kameras einen Bogen um Deutschland. Aber keine Frage: Unsere Ferienwohnung gucken wir uns schon gern an, bevor wir buchen.
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So ähnlich ist das mit dem Streaming vom Ratssitzungen. Wenn nicht alle mitmachen, wird das Ergebnis grotesk wie jetzt in Netphen. Sie müssen auch nicht mitmachen, die Stadtverordneten – das ist ihr Recht. Als „relative Person der Zeitgeschichte“ – ja, so heißt das – müssen sie es sich gefallen lassen, in der Lokalzeitung abgebildet zu werden. Aber was ist im grenzenlosen Netz schon relativ?
Die Frage, wie weit Persönlichkeitsrechte hinter dem Interesse der Öffentlichkeit an Information zurückstehen müssen, entscheiden Gerichte. Die Frage, wie transparent sie arbeiten wollen, beantworten die kommunalen Vertretungen allerdings selbst. Sich den Live-Übertragungen zu verweigern, weil sie fürchten, in den verschiedenen Online-Plattformen verrissen zu werden, überzeugt nicht. Das Argumentieren mit der Diskussionskultur auch nicht – sie kann mit größerem Publikum hier und da auch besser werden.
Erkenntnisgewinn gering, Unterhaltungswert begrenzt
Die andere Frage ist, ob das Streaming überhaupt ein brauchbares Medium ist. Die Antwort würde dem leicht fallen, der sich die gesammelten Tonaufzeichnungen der Siegener Rats- und Ausschusssitzungen anhören darf: Nein, der Erkenntnisgewinn ist gering, selbst der Unterhaltungswert meist begrenzt.
Streaming vermittelt keinen Hintergrund, keine Vorgeschichte, und Streaming erklärt auch nichts. Dafür gibt es uns, die Medien. In Bundes- und Landtagen übertragen die Radio- und Fernsehveranstalter, und so sollte es, wenn überhaupt, auch in den Ratssälen sein. Rat und Verwaltung machen die Politik, und dazu müssen sie sich befragen lassen. Das Sich-selbst-ins-Bild-Setzen ist nicht ihr Job. Auch wenn sie ihn noch so gerne hätten.
Zum Artikel:Netphen: Der Rat tagt unter den Augen von Youtube
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