Glück kann man auch tanzen – aber wie? Die Ruanda AG am Gymnasium Netphen macht weiter.
Netphen Der „Stairway to Happiness“ ist noch ein bisschen länger geworden: Auch angehende Fünftklässler haben am Tag der offenen Tür Karten ausgefüllt und aufgeschrieben, was für sie Glück bedeutet. Im Spiegelsaal der Sporthalle steht auf dem Flipchart ein einziges Wort: „Glück“. Das ist das Thema auch des Tanzworkshops. Ruanda AG und Theater AG des Netphener Gymnasiums bereiten ihre nächste große Produktion vor.
1. Freeze: Kelvin Kilonzo und die Ruanda AG
Es ist mucksmäuschenstill. Fast. „Freeze“, ist die Ansage von Kelvin Kilonzo, das bedeutet: Still stehen, wörtlich: Einfrieren. „Es wird nicht gequatscht.“ 17 Mädchen und drei Jungen formieren sich zu kleinen Kreisen, sollen die Augen schließen. „Nehmt irgendwelche Hände, ihr findet schon welche.“ Und dann noch mal: „Augen zu! Weiter machen!“
Ursula Wussow, Lehrerin und Initiatorin des nun schon seit fünf Jahren bestehenden Ruanda-Projekts „Auf Augenhöhe“ mit der Root Foundation in Kigali, nimm die Szenen mit Video auf. Der Film geht so schnell wie möglich nach Kigali. „Die warten schon darauf“, weiß sie. Denn auch die Jugendlichen dort, denen von der Stiftung der Schulbesuch ermöglicht wird, arbeiten längst an ihrem Beitrag für die Performance, die für den 8. Mai geplant ist und zu der Elke Büdenbender, aus Salchendorf stammende Ehefrau des Bundespräsidenten, die Schirmherrschaft übernommen hat. Per Skype und Videobotschaften halten sich Netphen und Kigali auf dem Laufenden. Dass zum Thema Glück auch der Tanz gehört, war für die jungen Leute in Ruanda überhaupt keine Frage: „Tanzen macht ja auch glücklich.“
Kelvin Kilonzo ist Tänzer und Schauspieler. Giulia Gendolla, neue Theaterpädagogin am Gymnasium, kennt ihn aus der gemeinsamen Zeit beim Jungen Theater Stuttgart. Kilonzo, der mit Hip Hop und Breakdance groß geworden ist, hat Tanz und Theater studiert, lebt in Köln und arbeitet in Wien, Stuttgart und Berlin. Man muss ihn sich leisten können. „An so einen Workshop kommt man nicht ohne weiteres ran“, sagt Ursula Wussow. In die Ausbildung in zwei Workshops investieren die Netphener Jugendlichen einen Teil der Preisgelder, die sie in den letzten Jahren immer wieder für ihre Projekte gewonnen haben.
2. Paare: Wie bewegt sich der Körper, wenn ich glücklich bin?
„Achtet auf das gleiche Tempo“, mahnt Kelvin Kilonzo, „ihr müsst euch für eine Richtung entscheiden.“ Das Training geht in die zweite Stufe: Paare bilden sich, stehen sich gegenüber, fassen sich an den Händen, sollen sich hinsetzen. Das geht nur synchron. Oder gar nicht. „Es geht darum, sich auf das Gegenüber einzulassen.“
Pause. „Ich habe die meiste Zeit meines Lebens getanzt“, erzählt der Gast im Gespräch mit Eckhard Göbel, dem Schulleiter. Ballett kam erst dazu, als er schon 20 war. Nein, um das Trainieren von Formationen geht es hier nicht. Die Jugendlichen, so wünscht er sich, sollen aber „zumindest eine andere Philosophie vom eigenen Körper mitbekommen“. Und hier ganz konkret: „Wie bewegt sich der Körper, wenn ich glücklich bin? Und wie, wenn ich nur vorgebe, glücklich zu sein?“ Das ist ein Thema fürs Projekt, aber auch das ganz große Thema für die Selbstdarstellungen junger User vin den Internet-Netzwerken. „Ich bin froh, die Chance zu haben, das zu vermitteln.“
3. Monster und Hans im Glück
Der Drei-Stunden-Workshop, am Nachmittag nach der Schule, geht weiter. Ein Monster soll in dem Bild entstehen, das die jungen Leute jetzt selbst bauen, indem einer nach dem anderen sich dazugesellt. „Nehmt euch Zeit, schaut, was ihr seht, macht was draus.“ Eine der Zuschauerinnen ist Giulia Gendolla, die mit der Theatergruppe ebenfalls weiterarbeitet. Mit Schattenspiel sind sie gestartet, „jetzt wird Hans im Glück umgeschrieben.“ Die eine Gruppe schickt Hans auf Freierspfade, die andere auf Weltreise. Eine Auswahl der Szenen wird Teil der Perfomance im Mai werden. „Da wird es wahrscheinlich vorher noch eine intensive Probenwoche geben müssen.“
„Das war langweilig.“ Das Urteil von Lehrerin Ursula Wussow ist vernichtend. Nein, sagt sie, das lieb aufgestellte lebende Bild habe so gar nichts Monströses. „Da geht doch noch mehr“, findet auch Kelvin Kilonzo, „das soll ein Monster sein, nichts Schönes.“ Die Mädchen und Jungen formieren sich neu. Jeder und jede muss sich mit dem und der anderen verbinden – wer auch allein stehen kann, muss wieder raus. „Versucht mal, ein bisschen Risiko reinzubringen.“ Das Monster nimmt Gestalt an. Es steht. Aber ob es sich so auch bewegen kann? „Das wird die nächste Aufgabe“, kündigt Kelvin Kilonzo an. Es ist ja noch ein bisschen Zeit. Zum Glück.
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