Siegen. Urteil im Siegener „Zockerbudenprozess“: Ein Angeklagter betäubte seine Schmerzen mit Amphetamin und verkaufte einen Teil der Drogen weiter.

Ein Urteil und eine Einlassung gibt es am Donnerstag, 17. Dezember, im Siegener Landgericht in Sachen „Zockerbude“ und Amphetamin-Handel. Die Entscheidung wird sofort rechtskräftig, die Aussage aber wirft neue Probleme auf. Was der Anwalt, der sie vorgelesen hat, womöglich nicht bedacht hat.

Ein Jahr und elf Monate mit Bewährung ist das Urteil gegen den 45-jährigen E., dem 24 Fälle des Handeltreibens mit Amphetamin in nicht geringer Menge sowie der Besitz weiterer Drogen nachgewiesen wurden. Letztere fand die Polizei im Juni 2020 bei einer Durchsuchung. Die vergleichsweise übersichtliche Strafe resultiert vor allem aus dem umfangreichen Geständnis des Mannes bereits bei der Polizei und später vor Gericht. Schon Staatsanwältin Tabea Schneider hatte im Plädoyer argumentiert, dass E. damit nicht nur den eigenen Tatbeitrag weit über das hinaus zugab, was die Ermittler gegen ihn vorbringen konnten – er belastete auch seine Mitangeklagten. Allerdings nicht übermäßig, so Schneider, die zwei Jahre gegen E. beantragte.

Angeklagter aus siegen musste schwere Schicksalsschläge hinnehmen

Der Siegener war Anfang 2018 nach zwei heftigen Schicksalsschlägen – ein schwerer Autounfall mit mehreren Lendenbrüchen und der Frühgeburt seiner Tochter – in Sachen Drogen rückfällig geworden. Anfangs vor allem, um seine Schmerzen zu betäuben, so Verteidigerin Petra Heinrich. Er kaufte von Mai/Juni 2018 bis Mai 2020 regelmäßig im Schnitt 100 Gramm Amphetamin bei den beiden anderen Angeklagten, immer für 400 Euro. Davon verkaufte er 80 Prozent für fünf Euro pro Gramm an feste „Sammelbesteller“ weiter, mit dem Erlös finanzierte er den nächsten Kauf.

Die rund 50 Gramm, bei ihm im Juni 2020 kurz nach der Verhaftung der anderen Männer sichergestellt, habe er von einer anderen Quelle. „Gegen ihn spricht eigentlich gar nichts“, stellt Richterin Elfriede Dreisbach bei der Urteilsbegründung fest. Vor allem das umfangreiche Geständnis, die heute gesicherte Existenz und der völlige Verzicht auf Drogen machen guten Eindruck. „Er will ja auch seine dreijährige Tochter großziehen. Das kann er nicht, wenn er im Gefängnis sitzt“, so die Vorsitzende.

Verteidiger: Über Leidenschaft fürs Pokern in Spielsucht abgerutscht

Einen Wermutstropfen gibt es aber: Der Wertersatz für erlangtes Verbrechensgut muss laut Gesetz eingezogen werden – E. hat durch den Weiterverkauf der Drogen 10.600 Euro eingenommen. Die muss er an den Staat zahlen.

Für die anderen beiden Angeklagten, bei denen es neben den Drogen noch um die illegale Spielhalle geht, wird das Verfahren am 7. Januar fortgesetzt. Zeugen sollen rund ums Thema „Vertrauensperson“ aussagen. Für seinen Mandanten T. liest der Verteidiger, auch im Namen seiner Kollegin Katharina Batz, eine mehr oder weniger geständige Aussage vor: Der Kosovare beruft sich darauf, über seine Leidenschaft für Glücksspiel und vor allem Poker an seinen Kompagnon S. geraten zu sein. T. habe Probleme mit dem Ausländeramt gehabt, nicht arbeiten dürfen und gehofft, durch das Spielen Geld zu gewinnen, um seiner Familie helfen zu können. Die habe ihm mittlerweile gesagt, dass er offensichtlich spielsüchtig sei.

Ein Eimer mit drei Kilo Amphetamin als Bezahlung für Spielschulden

Im Lauf der Zeit sei aus dem Gewinnen mehr und mehr Verlust geworden. In einem Falle habe T. groß gewonnen, bei einem Hagener, der wohl inzwischen im Gefängnis sitze. Von diesem sei der mehrfach erwähnte Eimer mit drei Kilo Amphetamin gewesen, als Bezahlung der Schulden. T. habe sonst nie mit Drogen zu tun gehabt, sei auch davor zurückgeschreckt. Schließlich habe er sich überreden lassen. 300 Gramm aus dem Eimer habe T. dann auch verkauft, weitere 100 hatte er bei seiner Verhaftung dabei.

Sie nehme an, es habe keinerlei Drogengespräche mit dem Mitangeklagten gegeben, fragt die Staatsanwältin lächelnd. Sein Mandant werde dazu keine Angaben machen, entgegnet der Verteidiger: Er verlangt aufgrund guter sozialer Einbindung, den Haftbefehl aufzuheben, das Verfahren sei ebenfalls reif für ein schnelles Urteil. Die Familie werde Kaution stellen. Tabea Schneider lehnt „aufgrund der aus meiner Sicht nach wie vor hohen Straferwartung“ ab. Auch die Kammer will vor dem Urteil nicht das Risiko eines Untertauchens eingehen – wegen der Spielsucht sei aber eine Begutachtung T.s dringend nötig.

Der Anwalt stimmt zu. Die Kammer könne davon ausgehen, dass der Mann eingeschränkt schuldfähig sei. „So arbeiten wir hier nicht“, tadelt die Vorsitzende. Das Gericht hofft, bis 7. Januar einen Gutachter zu finden, „sonst müssten wir gegen ihren Mandanten neu starten“. Anwalt Marc Wandt regt auch für S. die Begutachtung an – auch bei ihm werde Spielsucht sicher Thema.

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