Siegerland.. Für das perfekte Bild fotografiert Laura Achenbach auch mal zwei Stunden lang drei Löcher im Waldboden. Sie betrachtet für die Zukunftswerkstatt MehralsnurWP den Strukturwandel durch den Sucher ihrer Kamera.
Pingen sind am schwierigsten zu fotografieren. Nicht, dass es das Siegerland Laura Achenbach einfach macht: Regnerisch und diesig ist dieser Herbst, das richtige Licht fällt nicht auf Kommando vom Himmel. Die Künstlerin fotografiert die Spuren des Bergbaus in der Region. Für das Projekt „Die andere Sicht“ im Rahmen der WP-Zukunftswerkstatt „MehralsnurWP“ untersucht sie die Auswirkungen des Strukturwandels und hat sich zu dem Thema eben auf Bergbau spezialisiert.
Pingen jedenfalls sind Trichter im Gelände, entstanden durch Grabungen oder weil unterirdische Stollen einstürzten. Das erste Problem: Löcher im Boden können auch ohne menschliches Zutun entstanden sein – und da kommen die Mitglieder des Vereins für Siegerländer Bergbau ins Spiel. Wenn irgendwer Bescheid weiß über den Bergbau in der Region, dann sie. „Ihre Jungs“, nennt Laura Achenbach die Vereinsmitglieder manchmal; Männer, die sich für Geologie begeistern, Mineralien, Lagerstätten von Erzen, die es fasziniert, unter die Erde zu gehen und die Gänge zu erforschen; die dafür sorgen wollen, dass dieses Erbe der Region nicht in Vergessenheit gerät.
Perspektive, Licht und Struktur auf ein Foto verdichten
Damit haben sie Laura Achenbach angesteckt, die sich seit einer knappen Woche mit dem Thema beschäftigt und schon jetzt von Stollenmundlöchern schwärmt. Das wiederum begeistert die Vereinsmitglieder; dass sich eine junge Frau so akribisch in ihr Lieblingsthema einarbeitet, künstlerisch damit auseinandersetzt, die Vergangenheit so ein Stück weit bewahren will. „Die gehen total ab“, sagt sie, „fast schon eine Szene für sich, Leute, die ein außergewöhnliches Hobby haben“. Laura Achenbachs Telefon klingelt, einer der ehemaligen Bergleute ist dran, „Glück auf“, sagt sie zum Abschied und muss grinsen.
Das zweite Problem der Pingen: Sie sehen spektakulär aus, tiefe Löcher mitten im Fichtenwald, aufgereiht wie an einer Schnur – aber nur so lange man nicht durch den Sucher einer Kamera blickt. „Ich habe zwei Stunden lang drei Löcher im Boden fotografiert“, sagt sie und grinst; Perspektive, Licht und Struktur so auf einem Foto zu verdichten, dass es die Geschichte erzählt, die Achenbach damit erzählen will, ist nicht leicht. „Es soll ja nicht nur aussehen wie ein schmutziges Loch.“
Kreuz und quer über die Eisernhardt
Sie sucht nach Strukturen im Wandel. „Wandel ist ein Prozess und jede Veränderung ist ein Strukturwandel“, sagt Achenbach. Das kann das Schürfen nach erzhaltigen Steinen sein – oder dass da jetzt ein Fernsehturm steht, wo vor 60 Jahren Mineralien gefördert wurden.
Einen Tag lang ist sie um die Eisernhardt gewandert und hat nach Motiven gesucht, dann wusste sie, welche Stellen sie gut findet. Im zweiten Schritt fotografiert sie die Motive. „Ich habe das Bild vorher im Kopf, dann gehe ich hin und schaue, ob die Umsetzung funktioniert.“ Wenn nicht, hält sich Achenbach nicht lange auf, sucht den nächsten Ort auf, kommt am nächsten Tag wieder, trifft sich mit den Leuten vom Verein für Siegerländer Bergbau, die ihr neue Stellen zeigen. Unzählige Male hat sie die Eisernhardt umrundet, kreuz und quer durchkraxelt, kennt den Berg jetzt auswendig. Zimperlich ist sie nicht, ein Naturmensch, oft bis spät in die Nacht draußen. „Der Mond war fantastisch“, schwärmt sie.
Die Hobbits aus dem Stollenmundloch
Der nächste Ort, der Eingang zum Stollen „Neues Glücksrad“. Die Sonne fällt leicht von der Seite, das Trübe an diesem Tag weicht für einen Moment, Achenbach nimmt die Kamera vom Auge. „Wie im Märchen“, findet sie den engen Schlund, der ins Innere des Berges führt; Farne wuchern über den schmalen Weg, „da könnten jederzeit Hobbits rauskommen“, sagt sie.
Vor ihrem Projekt hatte Laura Achenbach gar nichts mit Bergbau zu tun. Jetzt hat sie Blut geleckt. Ein alter Bergmann hat ihr erzählt, dass er ausgelacht wurde, weil er die Stille in der Natur und in den Stollen so mag. Laura Achenbach kann ihn verstehen, sehr gut sogar. Nach dem Ende des Projekts will sie die Serie weiterführen. Für sich, privat.
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Hintergrund: Für das Projekt „Die andere Sicht“ im Rahmen der Zukunftswerkstatt „MehralsnurWP“ untersuchen zwölf Studenten des Fotografie-Professors Peter Bialobrzeski von der Hochschule für Künste in Bremen den Strukturwandel in Südwestfalen. Alle Infos zum Projekt auf www.mehralsnurwp.de Erste Zwischenergebnisse der Künstler gibt es hier.
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