Siegen.. Berufliche und private Probleme hätten Hartmut O. in die Kriminalität getrieben. Angeklagter widmete sich mit Hingabe seiner neuen „Karriere“
Geldautomatensprenger Iztok Hartmut O. hat vor dem Siegener Landgericht ein umfassendes Geständnis abgelegt. Sein beruflicher und privater Niedergang habe ihn in die Kriminalität getrieben. Dazu nutzte er sein Chemie-Fachwissen – und erbeutete etwa an der Uni Siegen fast 100 000 Euro.
Im November 2007 sprengte der gebürtige Siegener O. seinen ersten Geldautomaten in Mudersbach. Es folgte eine Serie, die erst am 5. Juni 2015 an der A45-Raststätte Siegerland-Ost endete. Im November wurde der 46-Jährige in einem Hamburger Lagerraum verhaftet.
Ein Leben im Untergrund kostet Geld
O. hatte einen bemerkenswerten Einblick in seine Karriere als „Automatenknacker“ gegeben, für die sich der studierte Architekt Ende 2007 an seine Kenntnisse aus dem Chemieunterricht erinnert haben will. Außerdem habe er ein paar Semester Chemie studiert. Mit dieser Grundlage machte sich der Angeklagte an die erste Tat, die eigentlich die einzige hätte bleiben sollen. Aber: Ein Leben auf der Flucht und im Untergrund koste viel Geld, erklärte Verteidiger Carsten Marx. Darum habe sein Mandant bis Mitte 2015 weitergemacht.
O. war nach dem Tod der Mutter Ende der 90er von Siegen nach Hamburg gezogen, war nach seiner Darstellung dort einige Jahre erfolgreicher selbstständiger Architekt. Dann sei er von den beiden Partnern, mit denen er ein Büro betrieb, ausgebootet worden.
„Gefahr für andere Menschen klein gehalten“
Gründe für den beruflichen und privaten Niedergang, die den Angeklagten in die Kriminalität getrieben hätten: Probleme mit der Freundin, Schwierigkeiten mit einer „erbschleicherischen Tante“, die „mit einem Messer zwischen den Zähnen“ die Familie gesprengt habe, drückende Mietschulden.
„Mein Mandant ist keiner, der Leute im Park überfällt und nicht der Typ für den Anlagebetrüger“, so der Verteidiger. So habe er sich für Geldautomaten entschieden. O. habe immer alles getan, die Gefahr für andere Menschen klein zu halten. Natürlich sei ihm bewusst gewesen, nicht jedes Risiko ausschließen zu können, entschuldigte Marx seinen Mandanten.
Fluchtwege ausgekundschaftet
Die Aussage wurde zu einem faszinierenden Ausflug in die Psyche eines Mannes, der seine Energie in jeder Hinsicht in den Dienst seiner neuen „Karriere“ gestellt hatte. O. sprengte zunächst probeweise Kühlschränke, um die richtige Dosis für den Sprengstoff zu finden, kundschaftete Fluchtwege aus, achtete auf geschlossene Wolkendecke, „damit der Polizeihubschrauber nicht eingesetzt werden konnte“ und verschaffte sich im Internet immer umfassendere Kenntnisse über Geldautomaten, bis in die „obskursten Foren hinein“. Er schlief in seinem Audi, im Winter auch mal in Hotels, oder in jenem Lagerhaus, in dem seine Sachen aus der 2007 gekündigten Hamburger Wohnung untergestellt waren.
Harte Jahre auf der Flucht
Für seine Taten fuhr er ins Siegerland, „weil ich hier praktisch jeden Meter kannte“. Dabei berichtigte er immer wieder die von Richterin Elfriede Dreisbach vorgetragenen Fakten, stolzierte selbstbewusst durch den Saal, um sich die Lichtbilder anzusehen und grinste in Richtung Medienvertreter.
Der Verteidiger bemühte sich immer wieder, den Eindruck zu zerstreuen, sein Mandant sei stolz auf seine kriminellen Erfolge. Er sei erleichtert gewesen, als die Polizei vor der Tür stand, stimmte O. zu. Die Jahre auf der Flucht seien doch sehr hart gewesen.