Siegen.. Die neue Spielstätte zwischen Ober- und Unterstadt möchte vor allem jungen Menschen mit Aufführungen und Workshops das Schauspiel näherbringen.


Obwohl es in der Siegbergstraße noch nicht so ganz nach Theater aussieht, haben die Macher vom Bruchwerk-Theater genaue Vorstellungen: „Wir möchten ein Kulturangebot für junge Menschen schaffen, das sie woanders nicht haben“, sagt David Penndorf. Wenn sich junge Menschen zwischen Kino und Theater entscheiden müssten, sollen sie letzteres wählen, „ein lebendiges und zeitgemäßes Theater bekommen: interessant, berührend und unterhaltend “, sagt Milan Pešl. Was es im Bruchwerk-Theater nicht geben wird: „Bei uns wird niemand Hamlet mit erhobener Hand deklarieren.“

Zudem unterscheide der Netzwerkgedanke das Bruchwerk von anderen Theatern: „Nach den Aufführungen möchten wir mit den Zuschauern ins Gespräch kommen, Kritik und Lob von ihnen hören und auch mal ein Bier zusammen trinken“, sagt Milan Pešl.

Die Federführung

Die Leiter des Bruchwerk-Theaters haben sich über das Schauspiel kennengelernt. Milan Pešl verließ Siegen im Jahr 1995, studierte Schauspiel in Hamburg. Seine Arbeit führte ihn nach Kolumbien und Südkorea. Von 2009 an arbeitete Pešl im Stadttheater Gießen. Jetzt „möchte ich mich beruflich verändern und mehr Kunst und Kultur für junge Menschen machen“, sagt er. Deshalb sei er nach Siegen zurück gekommen. Er übernimmt die künstlerische Leitung Schauspiel.


David Penndorf studierte Medien- und Kommunikationswissenschaft in Siegen. Er war als Regieassistent am Hexenkessel-Hoftheater Berlin und am Landestheater Landshut tätig. 2008 gründete er die Siegener Theatergruppe Tollmut, arbeitete dort als Regisseur und entwickelte mit Ehrenamtlichen ein Fortbildungsprogramm, das Workshops und Projektarbeiten im studentischen Umfeld und der freien Theaterszene umsetzt. Im Bruchwerk ist er für die künstlerische Leitung Werkstatt verantwortlich.

Auch Tim Lechthaler ist gebürtiger Siegener und seit 2014 Mitglied bei der Theatergruppe Tollmut. „Er ist meine rechte Hand“, schmunzelt Penndorf. Er arbeitet im Veranstaltungsbau für die Stadt Siegen und wird Bruchwerk-Geschäftsführer.

Ohne ehrenamtliche Helfer würde das Projekt nicht funktionieren: „Wir sind zwar die treibenden Kräfte, aber es gibt eine Armada an Helfern, die uns an allen Ecken mit Rat und Tat zur Seite stehen“, sagt Penndorf. Dieses Gemeinschaftsnetzwerk spiegele auch die Intention des Bruchwerks wieder, so Pešl.

Das Theaterkonzept

Pešl und Penndorf haben vor einem Jahr damit begonnen, ein Konzept zu verfassen, sich damit befasst, „was Theater muss, kann und sollte“, erklärt Penndorf. Das Konzept stellten sie dann Stadt und Kulturschaffenden vor: „Wir haben offene Türen eingerannt, denn der Wunsch war da, dass sich das Theater verjüngen soll.“ Besonders wichtig ist es ihnen, dass das Theater aus der Stadt heraus entsteht und auch Siegen von ihrem Angebot profitiert.

Das Bruchwerk-Theater soll zwei Sparten haben. Jede professionelle Schauspiel-Inszenierung stehe im Tandem mit einer Werkstatt-Produktion. Letztere soll mit ambitionierten Anfängern realisiert werden. Dazu sei wirklich jeder eingeladen: „Alle können mit dabei sein. Unsere Räume sind barrierefrei, deshalb können auch geistig und körperlich behinderte Menschen bei uns mitmachen“, sagt Pešl. Die „Werkstattsparte“ habe schon vor Eröffnung eine gute Grundlage, denn das Tollmut wird Teil des Bruchwerks, so Penndorf.

Pro Spielzeit sollen zwei Werkstattprojekte und drei professionelle Premieren verwirklicht werden. Dadurch, dass die Produktionen im gleichen Zeitfenster entstehen, soll es zum künstlerischen Austausch der beiden Teams kommen, so Penndorf. Außer den Stücken soll es zudem Workshopangebote und einen Theaterjugendclub geben, der sich einmal die Woche trifft.

Der Auf- und Umbau

„Die Realisierung des Theaters ist ein unfassbares Unterfangen“, sagt Milan Pešl. Das ginge nicht so nebenbei, „deshalb machen wir seit einem dreiviertel Jahr nichts anderes mehr.“ Nachdem sie ein Konzept geschrieben und der Stadt vorgestellt hatten, machten sie sich auf die Suche nach einer Immobilie. Die Geschäftsräume an der Siegbergstraße, zuvor ein Modegeschäft, erfüllten ihre Kriterien: bezahlbar, groß genug, gute Lage. Zwar sei der Umbauaufwand groß, aber gerade die Lokalität zwischen Ober- und Unterstadt mache das schnell vergessen. Ein großer Teil der Umbaukosten werde über Kooperationen finanziert: „Wir haben Sponsorings mit Baufirmen abgeschlossen, die uns den Umbau vergünstigt verwirklichen“, sagt Milan Pešl. Mitte Februar 2019 soll es fertig sein.

Zu den Kooperationen gehören auch die mit dem Siegener Museum für Gegenwartskunst, der Bluebox und dem jungen Theater Siegen. Diese seien wichtig, um einen langfristigen Spielbetrieb zu sichern, denn die Kosten pro Produktionsrunde belaufen sich auf 50.000 Euro, sagt Pešl. „Die professionellen Schauspieler und Bühnenbilder müssen bezahlt werden.“ Das Bruchwerk-Theater finanziere sich durch öffentliche Fördermittel, Sponsorings, Spenden und Eigeneinnahmen. Dennoch brauche das Projekt weitere Unterstützer: „Der Anfang ist geschafft, aber das Ende noch lange nicht“, sagt Milan Pešl. Sie sind weiterhin auf der Suche nach Menschen, die daran arbeiten wollen, „dass das Theater in der Region weiter wächst.“