Siegen.. Der Kreis Siegen-Wittgenstein will Frauen in finanziell schwierigen Lagen über einen Verhütungsmittelfonds helfen. In Siegen gibt es das bereits.
Um Frauen in prekären Lebenssituationen die Vermeidung ungewollter Schwangerschaften zu erleichtern, möchte der Kreis Siegen-Wittgenstein ab 2020 einen „Sozialfonds für die Kosten der Empfängnisverhütung“ einrichten. Dieser soll an die Regelungen des Verhütungsmittelfonds der Stadt Siegen angelehnt und wie dieser mit 10.000 Euro jährlich ausgestattet sein. Im Unterschied zu diesem soll es dafür im Kreishaushalt aber eine eigene Position geben. Die gibt es in Siegen bisher nicht – auch wenn die Verwaltung dafür plädiert.
Die Zielgruppe
Zielgruppe sind Frauen, die Leistungen nach dem SGB II („Hartz IV“) oder nach dem SGB XII (Sozialhilfe) erhalten. Bis zum Jahr 2004 hat, wie der Vorlage des Kreises – erstmals im Ausschuss für Soziales und Integration am 13. Juni auf der Tagesordnung – zu entnehmen ist, die Sozialhilfe die Kosten einer Schwangerschaftsverhütung übernommen. Dies änderte sich mit den Hartz-Reformen: Seitdem ist Verhütung im so genannten Warenkorb enthalten und wird nur unter 21-jährigen Frauen darüber hinaus erstattet.
Der Bedarf
„Ungewollt schwanger zu werden, ist für viele Frauen und ihre Partner eine extrem belastende Situation“, schreibt die Kreisverwaltung in der Vorlage. „Das Wissen um rechtzeitige Verhütung kann Frauen davor bewahren, entscheiden zu müssen, ob sie eine ungewollte Schwangerschaft austragen oder angesichts ihrer Lebenssituation abtreiben wollen.“
Die Stadt Siegen
In Siegen gibt es den Verhütungsmittelfonds seit 2014. Ausgangspunkt war ein Antrag der Grünen im Ausschuss für Soziales, Familien- und Seniorenfragen im Mai 2013. Anders als im ursprünglichen Antrag angeregt wurde dafür aber im politischen Prozess kein eigener, fester Posten in den Haushalt eingestellt, sondern das Thema unter die „Freiwillige Förderung von Projekten im Sozial- und Jugendhilfebereich“ eingeordnet.
Da allerdings „passt es nicht in die Richtlinien“, wie Siegens Sozialdezernent André Schmidt erläutert. Bisher werden die vorgesehenen 10.000 Euro deshalb aus diesem Topf ausgelagert. Die Finanzierung lässt sich damit zwar leisten – aber es ist jedes Jahr wieder eine gesonderte Entscheidung erforderlich. In der jüngsten Sitzung des städtischen Sozialausschusses brachte André Schmidt seine Einschätzung sehr unverblümt auf den Punkt: Die Politik sei an dieser Stelle „zögerlich und mutlos“. Dass trotz der breiten Zustimmung zum Verhütungsmittelfonds bisher kein Antrag gestellt worden sei, um eine verlässliche eigene Haushaltsposition zu beschließen, „ist für mich nicht verständlich“.
Die Umsetzung
„Es ist eine klassische freiwillige Leistung“, sagt André Schmidt. Viele Kommunen hätten ein solches Angebot zwar, flächendeckend bestehe es aber nicht. Die Inanspruchnahme erfolgt in Siegen über die Beratungsstelle für Schwangere in der Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle (EFL) des Evangelischen Kirchenkreises Siegen. „Es gibt viele Paare, die die Frage nach der Verhütung trotz wenig Geldes unter sich regeln“, sagt André Schmidt.
Der Fonds soll vor allem denjenigen Unterstützung liefern, die sich in einer so angespannten persönlichen Lebenssituation befinden, dass ihnen die Verhütung aus welchen Gründen auch immer Schwierigkeiten bereite. „Oft sind das Frauen, die in Beratungsstellen auflaufen“, sagt der Sozialdezernent. Und die Inanspruchnahme einer Beratung ist in jeden Fall Voraussetzung, um Mittel erhalten zu können.
Die Unterstützung
Der Kreis schlägt eine finanzielle Unterstützung gemäß dem Verhüttungsmittelfonds der Stadt Siegen vor. Das heißt 5 Euro pro Monat für die Pille, 100 Euro für die Kupferspirale, 200 Euro für die Hormonspirale, 25 Euro für die Dreimonatsspritze oder 35 Euro für den Nuvaring (ein Vaginalring, der Hormone abgibt). Was über diese Kosten hinausgeht, ist Eigenanteil der Anwenderin.
Die Entscheidung, welches dieser Mittel angewendet wird, trifft der behandelnde Gynäkologe oder die Gynäkologin. „Es soll aber möglichst das kostengünstigste Verhütungsmittel verordnet werden“, heißt es in den Vorgaben, „wobei gesundheitliche Gründe individuelle Entscheidungen über die Art des Verhütungsmittels erfordern.“
Erfahrungen
In der Stadt Siegen wurden, wie André Schmidt sagt, bisher 5000 bis 6000 Euro pro Jahr abgerufen. Als Unterpunkt der „Freiwilligen Förderung von Projekten im Sozial- und Jugendhilfebereich“ stehen die Mittel immer erst mit Haushaltbeschluss zur Verfügung. Es sei generell natürlich „ein Thema, worüber man diskutieren kann“, sagt der Dezernent. Aber „ich hoffe, dass die Politik da nochmal aktiv wird.“
Der Kreis
Wunsch ist, „auch die Frauen unterstützen zu können, die im Kreis Siegen-Wittgenstein ihren Wohnsitz außerhalb der Stadt Siegen haben“, wie es in der Vorlage heißt. Die Entscheidung über diesen Vorschlag soll am Freitag, 5. Juli, im Kreistag fallen.