Siegen. Lösungen statt Schuldzuweisungen: Zusammen mit der Siegener Bevölkerung möchten Umweltaktivisten Format der „Bürger*innenversammlung“ erproben.
„Alle sind willkommen, aber nicht alle Verhaltensweisen“, erklärt Lena Hüttebräucker den Teilnehmern, die sich auf dem Kornmarkt zwischen Brunnen und Rathaus eingefunden haben. Dort hat die Siegener Ortsgruppe von „Extinction Rebellion“ am Samstag, 20. Juni, zu einer Mahnwache aufgerufen, in Form einer „Offenen Versammlung“, um mehr Bürgerteilhabe an politischen Prozessen zu erproben.
Das Konzept der Offenen Versammlung bei Extinction Rebellion Siegen
Es soll um drei Fragen gehen:
Welche Strategien im Umgang mit der Coronakrise sind auf die Klimakrise anwendbar?
Wo greifen die Antworten auf die Coronakrise noch zu kurz?
Wie können wir sicherstellen, dass Maßnahmen gegen die Klimakrise demokratischer und inklusiver entwickelt werden?
Vor allem der dritte Aspekt soll Schwerpunkt sein, sagt Karolin Guhlke, die gemeinsam mit Lena Hüttebräucker für die Moderation des Nachmittags zuständig ist und zu Beginn die recht strikten Debattenregeln vorstellt. Viele Menschen fühlten sich durch die aktuellen Möglichkeiten der demokratischen Teilhabe nicht ausreichend repräsentiert. „Extinction Rebellion“ fordere daher noch in diesem Jahr „eine Bürger*innenversammlung als Ergänzung zu unserer parlamentarischen Demokratie“.
150 Menschen, die zufällig, aber repräsentativ ausgewählt werden, sollten sich treffen, über Auswege aus der Klimakrise beraten und ihre Ergebnisse der Regierung als Leitfaden übermitteln. Ähnliches soll auch die Aktion vor dem Siegener Rathaus bewirken. „Wir wollen die lösungsorientierte Kommunikation und Arbeitsweise der Bürger*innenversammlung üben, sie ist aber klar von dieser zu trennen“, vermitteln die beiden Studentinnen den rund 20 Teilnehmern.
Die Diskussion der Umweltaktivisten mit der Siegener Bevölkerung
Die Teilnehmer sollen sich zunächst als Personen vorstellen, dürfen dann eine kurze Meinungsäußerung im großen Plenum abgeben, bevor in Kleingruppen weiter diskutiert wird, um am Ende des Nachmittages ein Stimmungsbild zu haben, das zeitnah dem Siegener Rat übermittelt werden soll. Die Diskutanten kommen aus verschiedenen Teilen des Siegerlandes, aber auch aus der weiteren Umgebung, wie Westerwald oder Luckenbach. Schüler sind dabei, Studenten, auch einige Menschen mittleren Alters. Die auf Nachfrage der Moderatorinnen übereinstimmend erklären, sich gut zu fühlen. Aber auch ein wenig nervös zu sein.
Für Siegen sei das ein neues Format, bestätigt Extinction-Rebellion-Pressesprecher Lukas Schaub, der versuchen will, das Plenum für interessierte Bürger zwischendurch zu öffnen. „Ach, ihr kommt auf Ideen“, findet einer gleich zu Beginn, während sich die Teilnehmer noch in Listen eintragen. „Habt ihr die Demo angemeldet? Sonst wärt ihr ja schön blöd“, lacht der Mann. „Wir leben im 21. Jahrhundert“, fügt er vieldeutig an, schaut sich um, schüttelt den Kopf und geht weiter.
Auf Transparenten steht „Poltik neu leben“, auch der frühere Bundeskanzler Willy Brandt wird zitiert: „Mehr Demokratie wagen“. Der große Unterschied zu einer „echten“ „Bürger*innenversammlung“ liege im Fehlen von Experten, die mit den Teilnehmern diskutieren, ist noch zu erfahren. Und, dass dieses Format etwa in Irland bei der Auseinandersetzung um die Abtreibung eine hilfreiche Funktion gehabt habe. Es solle auch nicht um bestimmte Meinungen und ein Gegeneinander oder Schuldzuweisungen gehen. „Lösungen statt Schuldzuweisungen“ auf möglichst breitet Basis sind das Ziel von „Extinction Rebellion“. Mal sehen, was dann in Kürze dem Rat vorgelegt wird.
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