Hilchenbach.. Teil fünf unserer Serie Grenzerfahrungen. Mit Günter Pulte auf der Windkraftanlage im Bürgerwindpark Hilchenbach.
Summ, summ, summ, summ. Der Puls rast. Das Blut schießt mir durch den Kopf. Mit Volldampf. Das Herz pocht. Äußerlich entspannt, innerlich ein brodelnder Vulkan. Die pure Angst. Denn: heute geht es hoch hinaus. So hoch wie selten in meinem Leben. Ein kleiner Kletteraffe war ich ja noch nie. Aber Hilchenbach von oben ist die Aufregung wert. Im Windrad werd ich ganze 138 Meter hinaufkraxeln – so zumindest der Plan. Das ist aber leichter gesagt als getan.
An der Zufahrtsstraße zum Bürgerwindpark wartet Günter Pulte, Geschäftsführer des Bürgerwindparks, bereits auf mich. In voller Montur. Kletterausrüstung, Gurte, Karabinerhaken. „Wir gehen heute in die mittlere Anlage, dafür müssen wir aber noch ein Stückchen fahren“, sagt Günter Pulte. Mit der Kletterausrüstung wirkt er angsteinflößend wie ein Polizist. Ist aber voll entspannt und nett. Also ab ins Auto. Wir düsen über den holprigen Trampelpfad rauf zur Anlage.
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Fester Boden unter den Füßen. Im Windrad angekommen, wirft mir Günter Pulte die Sicherungsausrüstung um und erklärt mir die Karabinerhaken: „Ziehen, drehen, einrasten.“ Ein mulmiges Gefühl. „In der Montur fühl’ ich mich wie Robocop“, platzt es aus mir heraus. Pulte lacht. Humor kaschiert die Angst – noch. Bevor es mit dem 2-Personen-Lift nach oben geht, führt mir Pulte die Sicherung an der kleinen Metallleiter und der Schiene vor. Die Knie schlottern. Obwohl ich noch keinen Meter in der Luft bin. Meine Beine – wie Gummi. Langsam dämmert mir, was gleich abgeht. „Auf was hast du dich da nur eingelassen?!“, fragt mich meine Vernunft. Ich schnalle mir den Helm auf. Ein Helm in einem Windrad? Wofür? Schraubenfallgefahr?
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Aufzug wie ein Wackel-Dackel. Nach der Einweisung geht’s ab in den kleinen Lift. Ziemlich eng. Wir quetschen uns durch die Tür und klemmen die Haken unserer Kletterausrüstung ein. „Nur zur Sicherheit. Falls wir abstürzen“, betont Pulte. Ist ja nicht so, als ob ich panische Höhenangst hätte. „Abstürzen“, das beruhigt da natürlich. Günter Pulte dreht am Knopf der Konsole. Der Lift wippt hoch und runter. Ich umklammere das Sicherungsseil. Die Winde zieht uns nach oben. Ganz schön wackelig. Zum Glück kann ich nicht nach unten schauen. Sonst würde das Frühstück hochkommen. Puh.
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Immer schön die Leiter packen. Bis auf eine Plattform in 80 Metern Höhe schaukeln wir hinauf. „Wenn Sie wollen, können Sie den Rest zu ,Fuß gehen’“, schlägt Pulte vor. Das lass ich mir nicht zwei Mal sagen. Den Haken in einer Metallöse an der Wand einrasten. Die Sicherungsschiene an der Leiter festklemmen. 58 Meter noch zwischen Plattform und Spitze der Gondel, wie das Antriebshäuschen mit dem Generator heißt. Ein Blick nach unten. Den Boden seh’ ich schon nicht mehr. Zum Glück. Linke Hand an die Leiter, rechte Hand – ab dafür. Sprosse um Sprosse hangel ich mich hoch. Pulte fährt mit dem Lift langsam hinterher. Die Unterarme brennen. Ganz schön sportlich – selbst für mich.
An der letzten Sicherheitsplattform drücke ich die Klapptür hoch. Und haue mir den Schädel an. Ah, dafür war der Helm. Erstmal Luft holen. Die letzten acht Meter muss auch Günter Pulte „zu Fuß“ gehen.
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Herrliche Aussicht, zitternde Hände. Pulte zeigt mir den Notausstieg. „Bei Übungen seilen sich da die Höhenretter ab“, sagt er. 135 Meter gerade nach unten. Die Bäume wirken wie Grashalme. Der Magen dreht sich um. Die Hände zittern, der Puls rast. Dann doch lieber einen Blick oben raus werfen. Sicherheitshaken festzurren, ab durch die Luke. Atemberaubend. Der Wind pfeift mir um die Ohren. Ein klarer Blick über Hilchenbach und weit ins Sauerland. Der Turm wankt. Nicht viel, aber spürbar. Pulte schaltet das Windrad wieder ein. Zur Demonstration. Gondel und Rotorblätter drehen sich in den Wind. Die Anlage wackelt. Wie auf einem Schiff. Leichte Seenot. Da verkrieche ich mich doch lieber ins Innere.
Pulte schaltet das Windrad wieder ab. Damit wir runterkraxeln können. Wir zwängen uns durch die Luke nach unten. Zum Aufzug. Er fährt vor. Ich krabbel an der Leiter auf die 80-Meter-Plattform. Schwierig. Ich muss mich voll nach hinten lehnen. Nur die Sicherungsseile verhindern, dass ich abstürze. Klack! Klack! Alle paar Zentimeter rastet die Sicherungsschiene ein. Ewig lange hangel ich mich runter. Anstrengend. Bis zur Plattform. Tief ein- und ausatmen. Ich quetsche mich in den Aufzug. Nochmal durchatmen. Der Aufzug schaukelt hin und her. Fast lautlos schweben wir Richtung Boden. Die Angst flaut ab. Die Hände trotzdem pitschnass. Dann endlich: wieder auf der Erde. Summ... summ... Auch mein Puls nähert sich dem Normalwert.
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