Siegerland. Die IHK Siegen sieht in den Extra-Sonntagen für Ladenöffnungen eine Chance. Die Gewerkschaft Verdi kritisiert die „Aufforderung zum Rechtsbruch“.

Als „Aufforderung zum Rechtsbruch“ kritisiert Jürgen Weiskirch, Geschäftsführer der Gewerkschaft Verdi in Südwestfalen, die Ankündigung von Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart, Geschäften in diesem Jahr vier zusätzliche verkaufsoffene Sonntage auch ohne besonderen Anlass zu ermöglichen. iframe newsletter wp siegerland anmeldemaske

„Die Situation des Handels durch Corona rechtfertigt keine Ausnahme“, stellt Weiskirch fest, „die Geschäfte können von montags 0 Uhr bis am Samstag 24 Uhr öffnen. In Corona-Zeiten wurde denen, die den Laden am Laufen gehalten haben, applaudiert – und jetzt sollen die Beschäftigten im Handel ihres Ruhetages am Sonntag beraubt werden.“ Die Industrie- und Handelskammer (IHK) regt dagegen an, das Thema „im Moment mit einer etwas anderen Brille zu sehen“, wie es Geschäftsführer Hans-Peter Langer formuliert: „Es geht darum, Impulse zu setzen, um den Einzelhandel ans Laufen zu bringen.“

Das ist bisher passiert

Nach Einschätzung Jürgen Weiskirchs bewegt sich das Ministerium rechtlich auf dünnem Eis: Von dem „Entfesselungsgesetz“, das Ladenöffnungen am Sonntag erleichtern sollte, ist nicht viel übrig geblieben. Bis 2018 durften Geschäfte sonntags ausschließlich öffnen, wenn dafür ein Fest oder ein Markt einen Anlass gab. Danach wurden zusätzliche Begründungen eingeräumt: die Stärkung des stationären Handels und der zentralen Versorgungsbereiche, die Belebung der Innenstädte und die „überörtliche Sichtbarkeit“ der Kommune. Kommunen, die von diesen Möglichkeiten Gebrauch machen wollten, hatten durchweg Schiffbruch erlitten: Siegen, Kreuztal und Hilchenbach wurden vom Verwaltungsgericht gestoppt, als Verdi mit Erfolg Eilentscheidungen beantragte. Streitpunkte waren immer zwei Faktoren:

das Verhältnis von Anlass und Ladenöffnung: Zu erbringen war der Nachweis, dass die meisten Besucher wegen des jeweiligen Festes kommen und nur die Minderzahl zum Einkaufen;

der Aktionsradius: also der räumliche Zusammenhang von Festen und Geschäften.

Die Gewerkschaft Verdi weist darauf hin, dass sich erst im Juni auch das Bundesverwaltungsgericht mit der NRW-Rechtsprechung befasst hat. Danach reicht die bloße „Vermutung“, dass auf dem Fest mehr los ist als in den Läden, im Zweifelsfall nicht aus. Die dann geforderte Prognose, zu der auch in früheren Jahren gemessene Besucherströme zugezogen werden müssen, könnten die Kommunen heute gar nicht mehr erbringen, sagt Jürgen Weiskirch. Wegen der aktuell geforderten Abstände zwischen Verkaufsständen und zwischen Menschen könnten die Vergleichszahlen gar nicht mehr verwertet werden – „selbst wenn es die Veranstaltungen gäbe“. Denn die meisten Märkte und Feste sind abgesagt, das Verbot von Großveranstaltungen gilt nach wie vor.

Damit ist zu rechnen

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Kommunen darauf einlassen“, sagt Verdi-Geschäftsführer Jürgen Weiskirch über die Anregung aus dem Wirtschaftsministerium, „die Händler brauchen schließlich auch Rechtssicherheit.“


Siegens Bürgermeister Steffen Mues zeigt sich aber zumindest nicht abgeneigt: „Die grundsätzliche Idee der vier zusätzlichen verkaufsoffenen Sonntage begrüße ich als Chance, den stationären Einzelhandel zu unterstützen. Um konkrete Aussagen treffen zu können, müssen wir allerdings den entsprechenden Erlass abwarten.“


Sein Kreuztaler Kollege Walter Kiß weist dagegen darauf hin, dass der Kreuztaler Handel mittlerweile die Lust auf verkaufsoffene Sonntage verloren hat: „Mit dem Widerstand von ver.di haben wir in Kreuztal schlechte Erfahrungen gemacht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine anlassfreie Öffnung so einfach umzusetzen sein wird, wie Minister Pinkwart sich das vorstellt.“


IHK-Geschäftsführer Hans-Peter Langer hat bereits ein erstes Meinungsbild aus dem Handel, das „sehr differenziert“ sei. So gebe es die Anregung, die Sonntage mit Ladenöffnung nicht zu dicht aufeinander folgen zu lassen. Probleme könnte – wegen der noch andauernden Kurzarbeit – der Personaleinsatz machen. Auch für die Zeitpunkte gibt es verschiedene Vorstellungen: Einige Argumente sprechen für den Saisonstart nach der Sommerpause im September, andere für die Vorweihnachtszeit.

Das ist die derzeitige Planung im Siegerland:


Siegen: Beschlossen wurden verkaufsoffene Sonntage für das Stadtfest in Siegen und das Bürgerfest in Geisweid. Beide Veranstaltungen wurden abgesagt.


Kreuztal: In früheren Jahren gab es verkaufsoffene Sonntage zu Frühlingsfest, Bauernmarkt, Weindorf und Weihnachtsmarkt. Nach gerichtlichen Auseinandersetzungen und den Beschränkungen, mit denen Geschäft außerhalb des Veranstaltungsbezirkes – anfangs war auch der Hellweg-Baumarkt in Buschhütten offen -- hat die Stadt sich inzwischen zurückgezogen. In diesem Jahr sind alle Feste abgesagt, nur der Weihnachtsmarkt – noch – nicht.


Hilchenbach: Die Stadt hat eine ordnungsbehördliche Verordnung für vier verkaufsoffene Sonntage zu Maimarkt, Kirmes, Mondscheinmarkt und Chresdachsmärtche erlassen. Allenfalls das Chresdachsmärtche findet statt. Früher hatten sonntags sogar in Müsen Geschäfte offen. Mit der Öffnung von Geschäften jenseits der B 508 in der Herrenwiese, wo sich zum Sonderpostenmarkt inzwischen das neu neue Einkaufszentrum gesellt hat, ist die Gewerkschaft Verdi nicht einverstanden.


Wilnsdorf hat seine verkaufsoffenen Sonntage von 2019 bis 2021 im voraus beschlossen. Sie sollen jeweils zum Marktfest im Mai, zum Bauern- und Naturmarkt im Oktober und zum Weihnachtsmarkt stattfinden.


Neunkirchen hat noch einen verkaufsoffenen Sonntag zum Bauern- und Ökomarkt am 27. September im Kalender.


Freudenberg hat verkaufsoffene Sonntage zum Frühjahrsmarkt im April und zum Herbst- und Mittelaltermarkt im Oktober freigegeben.

Für Burbach und Netphen gibt es keine Planungen.


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