Geisweid. Adrian Serban aus Siegen hat eine Bühnenfassung des Jugendromans „So lonely“ geschrieben und führt bei der Inszenierung Regie – mit 17 Jahren.
Die Anziehung zwischen den beiden soll den Raum erfüllen, selbst wenn der Junge und das Mädchen meterweit voneinander entfernt sind. „Das ist ein Moment, der braucht ganz viel Zeit“, sagt Regisseur Adrian Serban zu seinen beiden Darstellern. „Schaut euch in die Augen. Stellt euch vor, da ist ein Gummiband zwischen euch, ganz hart gespannt. Spürt die Spannung.“
Machen
Adrian Serban ist 17. „Herztrost“ ist nicht nur das erste Stück, bei dem er alleine Regie führt; er hat auch selbst die Bühnenfassung des Jugendromans „So lonely“ von Per Nilsson geschrieben, Kevin Springer (18) und Victoria Seibel (16) für die Rollen gesucht, den Jugendtreff Geisweid als Probenraum organisiert und sich überhaupt um alles gekümmert. Das zugrundeliegende Buch des schwedischen Autors habe seine Klasse in Jahrgangsstufe 8 gelesen, sagt der Gesamtschüler, „schon da wusste ich, das muss ich auf die Bühne bringen“. Bei der Lektüre, insbesondere von Dramen, laufe vor seinem inneren Auge kein Film, sondern ein Theaterstück. Bei „So lonely“ sei es besonders ausgeprägt. „Ich lese diesen Text und sehe die Bühne vor mir: wie sie aufgebaut ist, wie die Schauspieler agieren. Das will ich der Welt zeigen.“
„Es ist anstrengend“, sagt Kevin Springer. Er soll die Spannung intensiv halten, ihr dann plötzlich ausweichen. Das Mädchen, Ann-Kathrin, ist die erste große Liebe seiner Rolle, deren Name nicht bekannt ist und die einfach nur „er“ heißt. Nach unschönen Entwicklungen ist die Verbindung zerbrochen, nun versinkt „er“, verzweifelt und zerstört, in Erinnerungen, in denen er Ann-Kathrin physisch erlebt. „Versuch mal, eine Faust zu ballen… diese Spannung zu fühlen, körperlich“, rät Adrian Serban.
Lernen
Es dauerte Wochen, den Roman zu dramatisieren. Der 17-Jährige hat den Stoff auf zwei Personen reduziert. Diese stehen nicht auf einer Bühne, sondern inmitten mehrerer Stuhlkreise, spielen also zwischen den Zuschauern. In der fünften Klasse entdeckte er Theater für sich, erzählt Adrian Serban, seitdem wirkte er regelmäßig als Darsteller in Projekten des Siegener Theaterpädagogen Lars Dettmer mit. Er besuchte zwei Workshops der Tollmut-Theaterwerkstatt, übernahm Regieassistenz bei der Tollmut-Produktion „Kokain“ im Siegener Bruchwerk-Theater, las Bücher über Schauspieltheorie nach Michael Tschechow. „Ich habe eine Leidenschaft dafür entwickelt“, erklärt der Schüler, wieso er in so jungem Alter zu so viel Einsatz bereit ist. „Dann schafft man es auch, sich dahinterzuhängen und zu sagen: Ich lerne dafür – und ich lerne damit. Wenn ich etwas mache, versuche ich’s so zu machen, dass es als professionell angesehen wird.“
Kevin Springer geht kreuz und quer über die Spielfläche; „Er“ beginnt, seine Geschichte zu erzählen. Ann-Kathrin läuft hinter ihm her, klebt an ihm, rezitiert dabei in Endlosschleife ein Gedicht, dass „er“ für sie geschrieben hat. „Du gehst hinter ihm her. Aber mit welcher Haltung? Welcher Körperteil will zu ihm?“, fragt der Regisseur. Victoria Seibel überlegt kurz: „Mit der Nase.“ – „Dann folge ihm mit der Nase. Du kannst auch an ihm riechen.“ Die 16-Jährige tut es, stellt dann aber fest: „Ich glaube, es ist das Kinn.“ – „Dann probier das Kinn“, erwidert Adrian Serban. „Versuch, dir der Bewegung bewusst zu werden.“ Wichtig, das betont der Regisseur oft, sei Zielstrebigkeit. Die Figuren sollen nicht planlos wirken; sie sollen für das Publikum erkennbar Motive haben, Impulsen folgen, leben.
Fühlen
„In meinem Freundeskreis sind alle sehr aufgeschlossen“, sagt Adrian Serban. Seine außergewöhnliche Theaterbegeisterung und die viele Zeit, die er dafür investiert, würden die Menschen in seinem Umfeld nicht wundern. Er spielt außerdem mehrere Instrumente, ist in einer Band, „ich versuche auch, zu singen. Und ich komponiere.“
„Er“ bemüht sich zunehmend entnervter, Ann-Kathrin zu entkommen, die wie eine Wespe hinter der Eiscreme an ihm hängt. Dann bleibt „er“ stehen, spricht sie an, bringt seine Abneigung zum Ausdruck. „Was macht das mit dir?“, fragt Adrian Serban Victoria Seibel – eine Frage, die er den beiden Darstellern häufig stellt, um die Charaktere mit ihnen zu entwickeln. „Es ist, als wollte ich weinen“, antwortet sie. Adrian: „Dann mach es einfach.“
Schaffen
Eine erste öffentliche Kostprobe des Stücks wird es im März bei einer Veranstaltung im Jugendtreff Geisweid geben. Das komplette Stück soll Mitte Juni zu sehen sein, je nach Resonanz plant Adrian Serban zwei Aufführungen; zwei Aufführungen, in denen sehr viel Arbeit stecken wird, aber das ist es ihm wert. „Um so etwas stemmen zu können, muss man auch Wertschätzung für sich selbst entwickeln.“
21 Uhr, die Probe ist vorbei. „Ich hätte gedacht, dass wir mehr schaffen“, sagt der 17-Jährige. „Aber was heißt ,mehr’? Es ist mehr, als ich von der Szene erwartet habe.“
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