Schmallenberg. „Hellblau“ heißt das Werk der Schmallenbergerin Marianne Köhne. Es geht um Abenteuer in Russland und aufregende Lebensgeschichten.

Bücher schreiben ist das eine, mit 85 Jahren sein Erstlingswerk veröffentlichen das andere. Die Schmallenbergerin Marianne Köhne hat es so getan. Obwohl sie in Jugendjahren immer gerne Journalistin werden wollte, sich schon immer fürs Schreiben faszinierte. „Ja, ich bin spät dran“, erzählt sie mit einem Lachen: „Aber es ist auch ein bisschen für meine Kinder und Enkel. Die haben gesagt, ich solle das machen, die Erinnerungen festhalten.“ Ihr Buch heißt „Hellblau“.

Es ist Winter 1949, Marianne Köhne - damals noch Voss - gerade einmal 14 Jahre alt, als die Werkstatt ihres Vaters abbrennt: „Über Nacht hatten wir alles verloren, die ganze wirtschaftliche Grundlage.“ Marianne Köhne verabschiedet sich vorerst von ihren Zukunftsplänen, muss zusehen, Geld für die Familie zu verdienen, um über die Runden zu kommen. Erst bei Veltins-Wiethoff, später als Hauswirtschafterin auf einem Gutshof.

Andere Menschen, anderes Leben, andere Sprachen

In der Schmallenberger Westfalenpost liest sie Ende der 1950er Jahre, dass eine Hauswirtschafterin für die Deutsche Botschaft in Moskau gesucht wird. Die Diplomaten nächtigen zu der Zeit im Oberkirchener Landgasthof Schütte. Marianne Köhne weckt die Abenteuerlust. Sie fährt mit dem Rad nach Oberkirchen, stellt sich vor. Kurze Zeit später geht es für sie nach Moskau. Mittenrein in die Großstadt, in eine ganz andere Welt: Andere Menschen, anderes Leben, andere Sprachen. Und das mit 22 Jahren: „Mich reizte damals schon die Welt, ich wollte hinaus, ich war abenteuerlustig.“ Dort arbeitet sie als Hauswirtschafterin.

Viel hat sie nicht im Gepäck, darunter aber ein Büchlein des Onkels mit dem kyrillischen Alphabet. Sie saugt die Eindrücke der fremden Stadt auf - trotz der brisanten Lage, die sie immer wieder in ihrem Buch beschreibt. Es herrschte der Kalte Krieg. Doch das Fremde reizt sie, auch ein wenig die Gefahr: Sie lernt die Stadt und die Menschen kennen, mischt sich nach Arbeitsschluss unters Volk.

Dort lernt sie auch die Nonne Natalja kennen, die unter Repressalien und Unterdrückung leidet: „Es war teilweise brenzlig, den Regimekritiker wurden mit höchsten Strafen verfolgt.“ Als der russische Dichter Boris Pasternak 1958 den Nobelpreis für Literatur erhält, ist Köhnes Interesse geweckt. Gemeinsam mit Freundinnen reist sie zu Pasternaks Wohnort Peredelkino, lernt den Schriftsteller dank glücklicher Umstände kennen. Weil Pasternak Kontakte ins Ausland verboten sind, wird Köhne zur Vermittlerin, verschickt Briefe und Schreiben für ihn. Sie findet sogar Erwähnung in seinen Schreiben. Hellblau sei ihre Erscheinung in seinen Augen - deshalb der Buchtitel.

Aufregend und spannend

Die Zeit habe sie sehr berührt, sagt Köhne. Es sei aufregend und spannend gewesen: „Ich habe das ausgekostet und bin auch Risiken eingegangen, die ich heute nicht mehr eingehen würde.“ Ja, es sei das größte Abenteuer ihres Lebens gewesen: „Durch das Buch lernt man die Schönheiten der Zeit noch einmal kennen. Wir haben unter bescheidenen Bedingungen gelebt, waren trotzdem glücklich.“

Nach wenigen Jahren kehrt Köhne aus Russland zurück: „Ich dachte mir, dass es zu gefährlich wird, wenn ich jetzt nicht gehe.“ Zurück in die Heimat, wo ihre Geschichte auf viele gespannte Zuhörer trifft. Fast 60 Jahre später beginnt sie, die Erinnerungen zu Papier zu bringen, schreibt über Monate und Jahre, immer mal wieder: „Ich brauchte ja keine Fantasie, ich konnte einfach aus meinen Erinnerungen schreiben, einfach mein Leben erzählen.“ Und bis heute erfreut sich Köhne an den Gedanken an die spannende Zeit: „Ja, man muss auch einmal Risiken eingehen im Leben. Ich habe es nie bereut.“

Infobox

Das Buch erscheint vermutlich im Herbst diesen Jahres im WOLL-Verlag.

„Leben in all seiner Vielfalt, seiner Schönheit und Härte“, schreibt sie im Vorwort des Buches.