Ostwig. Ein Mann aus Velmede hat eine junge Fahranfängerin aus dem fahrenden Auto heraus mit einer scharfen Waffe bedroht. Aus einem banalen Grund.
Heftige Eskalation im Straßenverkehr: Mitten in Ostwig hat ein 28 Jahr alter Mann aus Velmede eine 18-jährige Autofahrerin mit einer scharfen Waffe bedroht. Er hatte sich zuvor über sie aufgeregt.
So aggressiv er am 24. April des vergangenen Jahres auf der Ostwiger Hauptstraße unterwegs war, so kleinlaut saß er jetzt auf der Anklagebank des Meschedes Amtsgerichtes und ließ seinen Verteidiger Otto Entrup schildern, was genau sich an jenem Tag zugetragen hatte, das ihn derart aus der Fassung brachte. Demnach begann die ganze Geschichte bereits einige hundert Meter zuvor auf der Bestwiger Bundesstraße. Dort hatte er eine 18-jährige Fahranfängerin vor sich, die angeblich nur mit 30 km/h unterwegs war. Zu langsam für ihn.
Im Ort überholt
Wutentbrannt trat der 28-Jährige aufs Gas und überholte sie innerorts. Kurze Zeit später sahen sich die beiden an einer roten Ampel am Abzweig Richtung Ostwig wieder. Als die 18-jährige ihm im Vorbeifahren einen Vogel zeigt, brennen bei dem Mann die Sicherungen durch. Obwohl er sich an der Ampel geradeaus in Richtung Nuttlar eingeordnet hatte, scherte der 28-jährige aus und verfolgte den Wagen der jungen Frau.
Mitten in Ostwig erfolgte dann der Showdown: Der Mann fuhr mit seinem Auto auf die Gegenfahrbahn. Als die beiden Fahrzeuge auf gleicher Höhe waren, kramte er unter dem Beifahrersitz seine scharfe 9-Millimeter-Pistole hervor und zielte im Vorbeifahren auf den Kopf der 18-Jährigen. Danach bog er links ab und verschwand.
Die 18-Jährige und ihr Freund auf dem Beifahrersitz alarmierten fassungslos die Polizei. Angst, so sagte die 18-Jährige vor Gericht, habe sie in dem Moment nicht gehabt. Immerhin habe das Ganze nur etwa rund drei Sekunden gedauert. „Aber nachgedacht habe ich darüber im Nachhinein schon“, erklärte sie der Richterin. Im Großen und Ganzen stimmten die Aussagen der Fahranfängerin und die ihres Freundes mit der des 28-Jährigen überein. Bis auf einen einzigen Punkt: „Sie hat mir nicht den Vogel, sondern den Mittelfinger gezeigt“, beteuerte der Mann und ergänzte: „Wegen einem Vogel hätte ich sowas nicht gemacht“.
Das aber spielte ohnehin weder für die Staatsanwaltschaft noch für die Richterin eine Rolle. Seine Reaktion sei so oder so völlig überzogen gewesen, erklärten sie unisono.
Gekauft hatte der Mann die scharfe Waffe samt Munition wenige Monate zuvor auf der Reeperbahn in Hamburg. Dort war kurze Zeit vor dem Vorfall in Ostwig „unter nicht ganz einfachen Umständen“ seine anderthalbjährige Ehe in die Brüche gegangen. „Das entschuldigt sein Verhalten in keiner Weise“, so Anwalt Otto Entrup. Aber es mache die erhöhte Reizbarkeit zu dieser Zeit vielleicht ein wenig verständlicher. Denn mit der Trennung sei nicht nur die Ehe in die Brüche gegangen, sondern obendrein auch noch der Job weg gewesen, weil seine Frau gleichzeitig seine Arbeitgeberin gewesen sei.
Führerschein auf dem Spiel
Die Trennung hatte außerdem zur Folge, dass der 28-Jährige nun wieder bei seinen Eltern in der Gemeinde Bestwig wohnt. Neben der zu erwartenden Geldstrafe stand für den Mann am Ende auch sein Führerschein auf dem Spiel. Den hätte die Staatsanwaltschaft gern für ein Jahr eingezogen. „Wenn wir ihm nun den Führerschein wegnehmen, richten wir mehr an, als wir bewirken“, so Entrup.
Und genau darum ging es auch in den letzten Worten des Angeklagten vor dem Urteil - für die er sich sogar von seinem Platz erhob. „Wenn Sie mir meinen Führerschein wegnehmen, ist es schwer, Arbeit zu finden. Das ist immer die erste Frage, die einem als Leiharbeiter gestellt wird“, so der 28- Jährige.
Wie bereits während des Prozesses nutzte er auch ganz am Ende noch einmal die Gelegenheit, sich für sein Verhalten zu entschuldigen: „Ich bin nicht so einer. Ich wollte niemanden erschießen. Es tut mir leid. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte“. Verurteilt wurde der 28-Jährige letztlich zu einer Geldstrafe von 5400 Euro. Seinen Führerschein darf er behalten. Die Richterin sprach von einem „Augenblicksversagen“.
Nicht der erste Prozess
Für den 28-Jährigen war der Gerichtsprozess nicht der erste. In der Vergangenheit war er bereits wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort, Betruges und fahrlässiger Körperverletzung verurteilt worden. Der Anklagevorwurf im aktuellen Prozess: Bedrohung und Verstoß gegen das Waffengesetz. Die Neun-Millimeter-Waffe sowie die acht Patronen sind eingezogen worden.