Eslohe. Eine noch junge, aber schon sehr triste Lebensgeschichte kommt vor dem Jugendgericht in Meschede zur Sprache. Angeklagt ist ein Esloher.
Dass ein Angeklagter Cannabis raucht und Ecstasy-Pillen schluckt, ist vor Gericht nun wirklich nichts Neues. Aber dass er die Drogen schon als Kind mit acht Jahren konsumiert hat? Das hat Jugendrichterin Mareike Vogt in Meschede nun doch überrascht. Vor ihr stand ein Angeklagter aus Eslohe.
Der heute 19-Jährige hatte bei Aldi geklaut: Eine Geflügelrolle für 96 Cent und Rostbratwürste für 2,90 Euro. Der Discounter ist konsequent, er bringt jeden Diebstahl zur Anzeige. Der junge Mann hatte in Marl die Lebensmittel in die Hosentasche gesteckt und versucht, die Kasse zu passieren, ohne zu bezahlen. Vor dem Jugendgericht Meschede wollte Richterin Vogt wissen, warum er denn Lebensmittel gestohlen hatte. Zögerlich kam eine triste, junge Lebensgeschichte von dem 19-Jährigen zur Sprache. „Ich hatte kein Geld und hatte Hunger“, sagte er.
Monatelang auf der Straße gelebt
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Denn fünf Monate lebte er im Sommer 2020 in Gelsenkirchen auf der Straße, nachdem er bei seiner älteren Freundin herausgeflogen war – sie soll ihn ausgenutzt haben, so das Jugendamt, ohne Details zu schildern. Danach schlief er in der Zeit bei einem „Kumpel“ vor dem Haus. Vier andere Fälle von Lebensmitteldiebstählen gab es in der Zeit durch ihn im Ruhrgebiet, alle wurden eingestellt. Eine andere Frau wiederum, offenbar wohltätiger eingestellt, nahm den jungen Mann auf und half ihm. Jetzt lebt er in Eslohe in einer betreuten Einrichtung.
Aufgewachsen ist er in einer Pflegefamilie – und geriet schon als Kind an Rauschgift. Zwei Förderschulen hat er besucht. Die Diebstähle räumte er vor Gericht ein, auch den eines Feuerlöschers aus einem Parkhaus, den er danach auf der Straße versprühte – einfach so, „wir hatten Party gemacht“. Das Jugendstrafrecht stellt nicht eine Bestrafung in den Vordergrund, sondern verfolgt vor allem einen Erziehungsgedanken: Wie ist jemandem wie diesem 19-Jährigen zu helfen? Der erlernt jetzt erst eine Tagesstruktur. Sein Betreuer sagt: „Er beginnt, sein Leben neu zu sortieren.“ Der 19-Jährige lernt, morgens aufzustehen, sein Praktikum in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen nachzugehen, seine Freizeit zu gestalten. Es gibt Hoffnung: Die Arbeit macht ihm Spaß, manchmal fühlt er sich unterfordert.
Das Jugendgericht stellte deshalb das Verfahren gegen ihn vorläufig ein – eine Geldstrafe etwa macht bei seinem Taschengeld von 120 Euro im Monat keinen Sinn. Stattdessen lauten die Auflagen des Gerichtes für ihn: Konsequent weiterzumachen – also die Arbeit weiter zu besuchen, in seiner betreuten Einrichtung wohnen zu bleiben.