Schmallenberg. Zwei Schmallenberger Hausärzte berichten über ihren derzeitigen Praxisalltag. So denken sie über das Corona-Impfangebot.
Es wird gegen Corona geimpft in den Schmallenberger Hausarztpraxen - so viel wie eben möglich ist neben den Patienten, die täglich mit Infekten, Gallenkoliken, Herzproblemen und Diabetes versorgt werden müssen. Doch mit der schieren Menge an gewünschten Booster-Impfungen, die jetzt über die Praxen heranrollt und der dazugehörigen Bürokratie, sind die kleinen Praxen schlicht überfordert.
„Wir brauchen dringend Unterstützung“, fordert Dr. Matthias Schmidt. „Am besten wären lokale oder kommunale Impfstellen in den Städten des Hochsauerlandkreises, die regelmäßig betrieben werden, ähnlich der aktuellen Aktion im Alexanderhaus oder in der Stadthalle. Das ist eine fantastische Hilfe. Daran könnten sich die örtlichen Mediziner, auch die Pensionäre, gegebenenfalls beteiligen.“
Aufwendiger Ablauf der Impfterminen
Der Bad Fredeburger Hausarzt impft seit Jahresbeginn durchgehend. Erst die Senioren und Mitarbeiter in den Altenheimen, dann die immobilen Patienten bei den Hausbesuchen, später dann tat er Dienst im Impfzentrum in Olsberg und impfte parallel in der Praxis einige hundert Patientinnen und Patienten. „Nach den Sommerferien haben wir noch mal in einer Aktion von mittags bis abends 45 Personen in der Praxis geimpft“, erklärt er. „Wir“, das heißt dann: der Arzt, unterstützt von seiner Frau und seiner Tochter und einer Sprechstundenhilfe. Denn mit dem Spritzen ist es ja - anders als bei der Grippeimpfung - nicht getan.
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Die Impfdosen müssen zentral und auf den Termin bestellt werden, Patienten müssen aufgeklärt und bürokratische Formulare ausgefüllt, die Kennziffern für die Krankenkassen ausgefüllt werden. Dazu kommt die Digitalisierung für den Impfausweis - und nach der Spritze muss jeder Patient 15 Minuten beobachtet werden. „Im normalen Praxisalltag in meiner 100-Quadratmeter-Praxis ist das überhaupt nicht zu schaffen“, erklärt der Mediziner.
Risikopatienten werden zuerst geimpft
Schmidt impft nach Notwendigkeit, nicht die, die zuerst „Hier!“ rufen, sondern die, die es am dringendsten brauchen. „Aber organisieren Sie mal 20 Hausbesuche bei immobilen Patienten hintereinander, allein das ist schon immens aufwendig. Es muss ihnen ja auch jemand die Tür aufmachen können.“
Doch dieser ganze Einsatz werde nicht wertgeschätzt. „Ich mache mir wirklich Sorgen um mein Praxisteam. Meine Medizinischen Fachangestellten werden an der Tür beschimpft, weil Patienten telefonisch nicht durchkommen, aber dringend die Booster-Impfung haben wollen.“ Er aber könne und wolle die wirklich kranken Patienten nicht wegschicken, um mehr zu impfen. „Mache ich die Tür auf, sind auch die Patienten da.“ Deshalb plädiert er für eine dezentrale Lösung. „Sie muss schnell kommen und unbürokratisch sein. Wer kommt, gibt damit sein Einverständnis geimpft zu werden.“
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Auch Dr. Karim Osseiran aus Schmallenberg ist stark ausgelastet: „Bei uns ist das noch mal eine andere Sache, denn wir sind drei Ärzte in der Praxis. Für einen einzelnen Hausarzt sind die Impftermine bestimmt eine enorme Belastung“, sagt er. Aber auch sein Team und er sind an der Belastungsgrenze. Mittlerweile teilen sich die Ärzte in der Gemeinschaftspraxis auf, sodass es bestimmte Impfzeiten gibt, in denen ein Arzt mehrere Stunden nur impft und die anderen die weiteren Patienten betreuen.
Praxen sind stark am Limit
„Parallel zu der Corona-Impfung kommen jetzt auch noch die Grippe-Impfungen dazu. Außerdem ist im Moment saisonbedingt sowieso mehr los in den Arztpraxen, das kommt gerade alles zusammen.“ Osseiran und seine Kollegen arbeiten „stark am Limit“, manche Termine würden doppelt belegen.
Ein Termin für eine Booster-Impfung ist nicht so schnell abgewickelt wie zum Beispiel ein Termin für eine Grippeimpfung. Die Auffrischungsimpfungen werden nicht einfach aufgezogen und verabreicht, sie müssen vorher noch mit einer Kochsalzlösung vermischt werden – das alles nimmt viel Zeit in Anspruch.“ Wir haben in unserer Praxis schon sehr zeitig mit der Verabreichung der Booster-Impfungen angefangen, deshalb haben wir unsere älteren Patienten schon fast durchgeimpft.“ Auch in seiner Praxis haben die Risikopatienten Vorrang. Dr. Osseiran impft auch auf Hausbesuchen seine immobilen Patienten, das Impfen würde aber natürlich immer zusätzlich viel Zeit kosten.
Noch sei es nicht so, dass er Patienten, die nicht wegen der Corona-Impfung zu ihm kommen, vertrösten muss. Aber es können längere Wartezeiten entstehen. Auch Dr. Karim Osseiran kann sich gut vorstellen, dass die Wiedereröffnung von Impfzentren die Arztpraxen gut entlasten könnte.